Anfang der Woche habe ich mich selbst k.o. geschlagen. Eine Gehirnerschütterung setzte mich für ein paar Tage schach-matt. Ich muss gestehen, es war kein spektakulärer Sturz beim Snowboarden, ich wurde auch nicht von einem Auto beim Skateboarden erfasst und ganz wichtig: ich bin nicht beim Yoga üben auf den Kopf gefallen. Ich habe mich mit der Kofferraumtür meines eigenen Autos ausgeknockt. Mein Arzt sagte treffend und tröstend: Ach, manchmal bedarf es im Leben ja einen eigenen k.o.-Schlag. Ja, das passte irgendwie zu dem wilden Jahresanfang 2022. Ein Jahr, dass uns jetzt schon so schwer auf den Schultern liegt, dass es uns zu erdrücken droht. Wie viele Russen und Ukrainer haben alleine in der letzten Woche schon ihr Leben verloren? Wie viele weinende Kinder lassen sie zurück? Wie viele Wunden müssen heilen? Wie viele Generationen wird es dauern, bis sich zwei Völker von dem erholt haben, was gerade geschieht? Werden wir das überhaupt alle überleben?
Was ich in der letzten Woche bei aller Ohnmacht, der psychischen und der physischen, mal wieder gelernt habe: Pass auf deinen Körper auf. Nähre ihn, pflege ihn, tue ihm Gutes. Weil wir können anderen nicht helfen, keine klaren Gedanken fassen, wenn wir selbst am Ende sind. Ich war so dumm, nach meinem Knockout einfach weiterzumachen. Hatte mich sozusagen einmal aufgerappelt, meinen Kopf gekühlt, das Blut abgewischt und ohne Pause bin ich durch den Rest des Tages geeilt. Das hat zu nichts anderem geführt als einem Totalausfall genau 24 Stunden später, der mich bis in die Notaufnahme des Krankenhauses brachte. Ist keine große Sache. Ich bin ja jetzt schon wieder in der Lage hier in die Tasten zu hauen. Aber ich habe mir eingestehen müssen, dass das Tempo der vergangenen Monate zu hoch war. Dass ich keine Zeit mehr gehabt habe, meinem Körper zu geben, was ihm gut tut und mir meinen Glow verschafft. Sind wir tatsächlich in der Lage Gutes zu tun, wenn es uns selbst nicht gut geht? Und habe ich jetzt eine Gehirnerschütterung oder ist das Gehirn einfach nur erschüttert?
Deswegen fahre ich einen Gang zurück, träume vom großen Spenden-Yoga-Event in einer traumhaften Location, schreibe langsam und nur in aller Ruhe an einem Exposé für ein Buchprojekt weiter, kuschele meine Kinder öfter als ihnen lieb ist, koche mehr Tee und esse wieder ausschließlich was mir gut tut. Und: Am Abend denke ich an die Golden Milk ohne Milch. Ich spendete Geld gegen den Wahnsinn im Kopf. Aber kann Geld Wunden heilen?
Bei einem Spaziergang an der frischen Luft kam ich an der Buchhandlung vorbei, die hier seit über 30 Jahren wacker jedem großen Onlineversandhändler trotzt. „Erst träumen, dann denken“ stand da auf einem Plakat. Diese Vorstellung rettet mich gerade bei aller Hilflosigkeit. Und ist ein Vorsatz, der mir gefällt. Besonders meinem Kopf.
Ich bin mir über die Kraft des Yoga natürlich bewusst. Auf den ersten Seiten unseres neuen Buches steht: „Yoga muss im klinischen Therapiealltag ernster genommen werden“. Das meine ich auch so. Und auch wenn ich immer wieder betone, Yoga sei kein Allheilmittel, ist mir klar, was Yoga und insbesondere die tiefere Auseinandersetzung mit der gesamten Philosophie, bewirken kann. Yoga als Mittel gegen die Nikotinsucht – davon habe ich noch nicht so häufig gehört. Deswegen habe ich Nicole Jacob aka Yoga Purusha interviewt. Sie hat es nach 20 Jahren intensivem Rauchen geschafft, von einem auf den anderen Tag aufzuhören. Mit Yoga. Das ist keine erfundene Marketingstrategie für die Yogapraxis. Sondern das pure Leben. Nicole und ich gingen gemeinsam zur Schule. Heute verbindet uns unter anderem die Liebe zum Yoga und der Heimatort.
Bei den Recherchen zu unserem neuen Buch „Yoga für ein starkes Herz“ habe ich einen sehr emotionalen Bericht des GEO-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede in einer GEO-Spezial-Ausgabe gelesen. Er schrieb von seiner Nikotinsucht und davon, wie die Ärzte ihm immer erzählten, dass er aufhören solle, zu rauchen. »Man muss doch nur wollen! Der Satz klingt so mineralwasserklar. Und er wird komplett richtig sein. Gleichzeitig ist er ignorant. Millionen Raucher schaffen es, den Rat der Ärzte zu befolgen, Millionen schaffen es aber auch nicht.“ Das hat mich, einen lebenslangen Nichtraucher, zum Nachdenken gebracht. Kannst du bei Gaedes Worten mitfühlen?
Nicole Jacob: Ja, auf jeden Fall kann ich das. „Man muss doch nur wollen“ – das kann wirklich nur jemand sagen, der nie geraucht hat. Ich habe 20 Jahre geraucht. Das Nikotin war ein ständiger Begleiter. Du hast deine Rituale, nach dem Aufstehen, im Auto, beim Kaffee, und so weiter und so fort. Und wenn du das dann einfach mal lässt, dann geht es dir nicht gut. Du bist weniger konzentriert, du kriegst schlechte Laune. Man raucht ja beispielsweise auch, wenn es emotional wird. Das Nikotin macht etwas. Es dockt in deinem Gehirn an. Es setzt Glückshormone frei. Dann geht es dir einfach gut. Zu sagen, man muss nur wollen, ist sehr einfach gedacht. Und zusätzlich dazu haben wir ein Umfeld. Je nachdem unter wieviel Stress man aktuell steht, wie es einem geht, was einen gerade beschäftigt, können wir nicht einfach so eine lebensverändernde Maßnahme treffen. Es wäre ja leicht, wenn wir jede Sucht ohne Probleme abstreifen könnten.
Ich habe dich zum Interview gebeten, weil ich einen Facebook-Post von dir gelesen habe, da schreibst du darüber, dass du Kippen durch eine tiefere Yogapraxis ausgetauscht hast. Natürlich will ich wissen, wie du das nach 20 Jahren Nikotinsucht geschafft hast. Was genau hat dir beim Yoga geholfen, dieser Sucht zu entkommen?
Da muss ich ein wenig ausholen. Ich hatte 2018 neben meinem Vollzeitjob Sozialarbeit studiert und saß den ganzen Tag vorm Rechner. Durch diese Doppelbelastung hatte ich starke Rückenschmerzen bekommen und entschied mich so, nochmal mit Yoga anzufangen. Die Yogalehrerin, bei der ich dann praktizierte, nahm mich mit in einen Ashram. Sie war auch Raucherin und sagte mir, bevor wir zu dem Ashram reisten: „Die mögen das nicht so, wenn wir rauchen. Komm, wir lassen das jetzt einfach mal für eine Woche bleiben.“ Wir haben dann im Ashram gemeinsam noch die letzte Zigarette geraucht. Ich erinnere mich noch daran, dass meine Laune zunächst nicht so gut war – das war einfach das fehlende Nikotin. Da es morgens aber direkt schon los ging mit Pranayama, Meditation, Satsang, Yogapraxis, war das plötzlich wie weggeblasen. Der ganze Tag war durchorganisiert und da war der Drang nach der Zigarette einfach weg. Das lag aber sicher nicht nur daran, dass da Ablenkung war, sondern dass ich dort so viel Fülle erfahren habe. Diese Fülle kam in meinem Belohnungszentrum an, das Rauchen wurde sozusagen durch Yogapraxis ersetzt. Yoga hat mich da zum ersten Mal auf spirituelle Weise berührt. Früher war es für mich einfach eine Art Sport gewesen.
Nach zehn Tagen Ashram, was passierte dann Zuhause? War da gar keine Lust mehr auf Zigaretten?
Auf der Rückfahrt nach Hause habe ich meinen Freund angerufen und ihn darum gebeten, alles wegzuräumen, was mit den Zigaretten zusammenhing. Ich sagte ihm: „Ich rauche nicht mehr.“ Und er fragte: „Wie? Du rauchst nicht mehr?“ Ich habe jeden Tag 25 Zigaretten geraucht und er konnte sich natürlich nicht vorstellen, dass ich das jetzt einfach eben mal so ablegt hatte. Aber, wirklich, es war einfach weg. Dabei hatte ich schon häufiger probiert, aufzuhören. Sogar mit Hypnose – davon hatte ich mir viel versprochen, aber da war es mir nicht gelungen.
Wie ist das jetzt für dich, wenn du vor jemandem stehst, der gerade raucht? Ist dir das dann wirklich völlig egal?
Rauchen ist völlig aus meinem Gehirn rausgelöscht. Das macht mir also gar nichts aus. Ich bin im Übrigen sehr froh, dass ich nun auch nicht mehr den ständigen Geruch in der Nase habe. Das hat mich nämlich wirklich gestört, als ich noch selbst rauchte. Ich habe unzählige Kaugummis gekaut, um nicht unangenehm zu riechen.
Nicole, aka Yoga Purusha, ist leidenschaftliche Yogalehrerin, Sozialarbeiterin und – dank Yoga – Nichtraucherin.
Du hast in deinem Facebook-Post auch das Thema Gewichtszunahme angesprochen – auch damit bist du durch deine tiefe Auseinandersetzung mit der Yogaphilosophie besser klargekommen.
Für mich war das zunächst tatsächlich schwierig. Ich hatte fast zeitgleich meine Yogalehrer-Ausbildung begonnen, dort waren alle natürlich rank und schlank. Und ich habe, nachdem ich mit dem Rauchen aufgehört hatte, kontinuierlich zugenommen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, meine Mitstreiterinnen in der Yogalehrer-Ausbildung wurden fitter und fitter. Da habe ich natürlich sehr große Selbstzweifel gehabt. Ich habe innerhalb von zwei Jahren bestimmt zehn Kilo zugenommen. Jetzt, nach einer Meditationslehrer-Ausbildung und der tiefen Auseinandersetzung mit der Vedantaphilosophie, hat es irgendwann Klick gemacht. Da geht es ja darum, dass du nicht der Körper bist, nicht die Gedanken. Heute kann ich sagen: Es steckt viel mehr in mir drin, mein Körper macht mich nicht aus. Ich muss sagen, ich will nicht für immer so bleiben, sondern gerne wieder schlanker werden, aber ich weiß jetzt, dass ich vorher sehr hart zu mir war. Ich stand vorm Spiegel und sagte mir: „Du bist fett geworden“ So gemein wäre ich doch niemals zu jemand anderem. Ich war gemein zu mir selbst. Heute kann ich mich so annehmen wie ich bin.
Wenn Du jemandem, der mit dem Rauchen aufhören möchte, es aber nicht ganz schafft, einen Rat geben dürftest, was wäre das?
Ich glaube, wenn man aufhören möchte, muss alles drumherum gerade stimmen. Wenn man wirklich zufrieden ist, dann ist das ein guter Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören. Zeitgleich empfehle ich aber auch, etwas zu suchen, was eine Lücke füllt.
Was fasziniert Dich am meisten am Yoga?
Für mich ist Yoga eine Lebensweise. Durch diese Auseinandersetzung gelingt es mir manchmal, mir selbst nah zu sein. Das geht beispielsweise auch sehr gut, wenn ich Harmonium spielen. Da kommen mir manchmal einfach die Tränen. Gefühle kommen hoch, die vorher weggedrängt wurden. Und wenn die dann da sind, scheint alles plötzlich wie repariert. Das erfahre ich auch manchmal bei verschiedenen Asanas so. Yoga ist einfach unheimlich heilsam.
Wer in den Genuss einer Klangreise oder wunderbaren Kakaozermemonie mit Yoga Purusha kommen möchte, findet alle Termine dazu auf Facebook unter Yoga Purusha oder Instagramyoga.purusha