Kategorie: Yoga

Warum ich immer noch Yoga unterrichte …

Im vergangenen Jahr hatte ich eine Yoga-Krise. Es ging dabei nicht um Yoga an sich, Yoga ist toll. Ja, ich bin über die Zeit, in der ich glaubte, Yoga sei ein Arschloch hinweg. Das liegt ganz bestimmt am Alter. Mich jucken meine Fehler nicht mehr so sehr. Was mich stört, versuche ich zu ändern. Aber manchmal ist es auch einfach okay. Weil auch das ist Yoga: Es mal gut sein lassen. In einer Welt, in der es permanent um Optimierung geht, kann es ganz schön sein, auch Dinge einfach zu akzeptieren. 

Yoga für alle?

Aber zurück zur Krise. Ich hatte festgestellt, dass gerade diejenigen, die Yoga am allermeisten brauchen, nur schwer einen Zugang dazu bekommen. Beispielsweise Jugendliche. Wie viele wirklich gute Angebote gibt es für Jugendliche? Wird Yoga für Jugendliche nicht viel zu häufig mit Kinderyoga verwechselt? Und wer soll das eigentlich bezahlen? Jugendliche bringen ganz sicher nicht das Geld dafür auf, die Yogalehrer*innen angemessen zu honorieren. Und da liegt das ganze Problem: Yoga für Flüchtlinge. Yoga für Häftlinge. Yoga für Ausgebrannte. Yoga für Alte. Diese Liste ist bis ins Unendliche weiterzuführen. Und ganz ehrlich: Ja, klar, auch ich habe schon was von Karma Yoga, Yoga des selbstlosen Dienstes, gehört. Das sind große Worte, die lernt man ganz zu Beginn jeder Yogalehrer-Ausbildung. Yoga bedeutet, auch etwas zu geben, ohne gleich immer nehmen zu müssen. I get it. Das ist auch wirklich gut und wichtig. Aber am Ende des Tages muss auch ich mir etwas zu Essen kaufen und meine Miete zahlen. Denn leider gibt es hier niemanden, der mir Kost und Logie für meine vierköpfige Familie anbieten würde – so war das nämlich damals, als Yogalehrer angeblich für ihre Arbeit nicht entlohnt wurden.

Tränen der Dankbarkeit

Und dann also kam ich zu dem Punkt, an dem ich mich fragte, ob das überhaupt Sinn mache. Und na klar, es macht Sinn. Schließlich brauchen auch diejenigen Yoga, die richtig viel dafür zahlen. Aber es nervte trotzdem noch. Ich weiß nicht, wie wir richtig guten Yoga genau denjenigen geben können, die es brauchen. Ich wünsche mir, dass das irgendwann irgendwie möglich sein wird. Ich sehe jeden Tag Jugendliche, die dringend Yoga brauchen (lese hierzu auch meinen Artikel zum Thema). Kurzfristig wollte ich den ganzen Yogakram hinschmeissen. Und dann unterrichtete ich mal wieder eine Stunde im Fitnesstudio. Ein Kurs, da kommen alle. Alte, Junge, Bewegliche, Unbewegliche. Und da war diese Postbotin, die mich vor der Stunde zaghaft fragte, ob sie am nächsten Tag Muskelkater haben würde. „Na ja, das kommt ganz drauf an“, sagte ich und dann erzählte sie mir, dass sie Briefe austragen müsse und Muskelkater für sie total ungünstig sei, weil sie es dann kaum schaffe, die Strecke zurückzulegen. Wir fingen an mit Yoga, mit Atmen und sanften Bewegungen, leichten Sonnengrüßen und ganz viel Entspannung. Und zwischendrin zeigte ich ihr, wie sie ihre Plantarfaszie behandeln, ihre Handgelenke stärken und schützen könne und da saß sie nach der Stunde und ihre Augen füllten sich mit Tränen vor Dankbarkeit. Da war sie wieder. Die große Yogaliebe. Die Krise überwunden? 

Yoga, schreiben und manchmal alles zusammen

In meinem Herzen schlagen zwei Passionen. Die eine ist es, zu schreiben. Worte auf Papier zu bringen. Sätze zu formen. Die andere ist es, als Sportwissenschaftlerin und Yogalehrerin Menschen zu zeigen, wie sie sich besser fühlen können. Es war nicht immer einfach beides miteinander zu verbinden. Momentan unterrichte ich eine einzige Stunde in der Woche. Und manchmal ruft ein Unternehmen an. Wie kürzlich zum Beispiel. Ob ich drei Beiträge zum Thema Yoga schreiben und einen Talk dazu geben könne? Ja, klar. Beides. Yoga für alle.

Euch allen: Ein Wunder im Chaos!

An einem Dezembermorgen hatte ich mich ertappt. Alle außer mir waren aus dem Haus. Die Adventskerze flackerte. Ich hatte morgens für die Kinder Rolf Zuckowskis CD „Mein allerschönster Weihnachtstraum“ aufgelegt. Tatsächlich. In unserer Küche steht noch ein CD-Player. Eine Loewe Soundbox. Irgendwann im letzten Lockdown hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die Familie harmonischer miteinander umging, wenn Zuckowski Weihnachtsstimmung verbreitete. Nun saß ich alleine in der Küche. Und liess die Musik laufen. Zuckowski sang: „Da war mit einem Mal der Himmel nicht mehr fern. Da sang ein Engelschor: Die Welt ist nicht verloren. Und über allem strahlte hell der Weihnachtsstern.“ Ich wählte die Wiederholungsschleife. Ein Kinderlied tröstete mich. Muss ich mich dafür schämen? 

Wie 2020. Nur noch schlimmer

Wer von uns hätte wohl letztes Jahr im Dezember gedacht, dass wir auch 2021 im Advent dieselben Nachrichten lesen, dieselben Diskussionen führen, dieselben Sorgen teilen würden? Nur noch schlimmer. Weil jetzt war ja auch noch: Afghanistan, militärische Aktivitäten an der Grenze zur Ukraine, überall Konflikte und ein neues Wort, das eigentlich gar nicht so fürchterlich klang, wie es sein sollte: OMIKRON. Die Weihnachtspläne werden wir wieder verschieben müssen. Zur dänischen Familie fahren bei einer Inzidenz von über 900? Möchte ich die 800 Kilometer in einem übervollen Zug zurücklegen, um zu meinen eigenen Eltern zu kommen?

Das Kostbare kostbar lassen

Ich hatte gerade einen Blogbeitrag für ein Schweizer Reiseunternehmen geschrieben. „Corona hat uns gelehrt, zu verstehen, dass Reisen keine Selbstverständlichkeit sind“, schrieb ich da. Wir hatten sie uns einfach erschaffen: Eine Welt, in der alles möglich sein sollte und musste. Dafür überrollten wir alles, was sich uns in den Weg stellte. Das Wohl der Natur, der Tiere, der Menschen. Reisen sind kostbar. Die Erfahrungen, die wir dabei machen, noch kostbarer. Und ist nicht alles, was uns kostbar ist, auch so zu behandeln? Wir müssen wieder lernen, dass wir nicht alles in der Hand haben. Aber trotzdem bedeutet das nicht, dass ich jetzt Trübsal blase, mich aufrege, Gräben grabe zwischen denen, die anderer Meinung sind und mir. Wenn Weihnachten vorbei ist, werde ich zwischen den Jahren, der einzigen Zeit, in der Langsamkeit erlaubt ist, darüber nachdenken wie 365 Tage verlaufen sind. Es werden auch dieses Jahr mehr schöne als schlechte Erinnerungen bleiben.

Chaos. Wunder. Das ist Weihnachten

Vergangenen Dezember hatte ich ein Interview im Süddeutsche Magazin mit dem Münchener Pfarrer Rainer Maria Schießler gelesen. Da sagte er: „Wissen Sie was, die Leute reden immer von einem harmonischen Weihnachtsfest. Warum eigentlich? Als Jesus geboren wurde, war nichts harmonisch: Volkszählung, Militärtruppen, Wucherpreise, Guerilla-Anschläge, das war ein riesiges Durcheinander, und dann wird in einem Stall dieses Kind geboren, ein Wunder im Chaos, das ist Weihnachten.“ 

Dieses Bild trägt mich nun schon zum zweiten Mal durch die Weihnachtszeit. Ich schiebe es mit einem Schmunzeln vor mir her: Ein Wunder im Chaos. Das ist Weihnachten. Deswegen dürfen wir uns auch ruhig über Weihnachten freuen. Über den Christbaumstollen und die leuchtenden Augen der Kinder. Über jede neue Kerze am Adventskranz, jedes Türchen am Adventskalender. Jede Umarmung, jedes „Frohes Fest“. Den Geruch von Frischgebackenem. Geschenke unterm Tannenbaum. Und natürlich: Rolf Zuckowski. Merry Christmas. 

Selbstwert statt Kardashian

Dieser Text enthält unbezahlte Werbung für die gute Sache

Wie geht es eigentlich der Jugend? Gerade hat eine Frau als Kanzlerin abgedankt, die für Jugendliche ein ganzes Leben lang das Land regierte. Corona hält Jugendliche seit zwei Jahren zurück. Versprechungen werden gebrochen. Aufgehoben ist heute aufgeschoben. Und dann auch noch: Instagram. „Fotografie ist die größte Bewusstseinsmaipulationsmaschine der Welt, und es wird immer schlimmer“, sagte der Fotograf Thomas Ruff Mitte November im Interview mit dem Süddeutsche Magazin. „Jeden Tag werden Millionen von Bildern ins Netz geladen und damit auch Millionen von Lügen. Denken Sie an Millionen Mädchen, die jeden Tag verzweifelt versuchen, sich wie Kim Kardashian zu schminken.“ Ja. Ich denke daran. Schon länger. Jacqueline Draheim-Frank auch. Die passionierte Yogalehrerin studierte Biologie und Germanistik auf Lehramt sowie Psychologie. Sie besitzt die Zulassung als Heilpraktikerin für Psychotherapie und arbeitet in Berlin und Potsdam mit Jugendlichen. Sie kennt sowohl diejenigen, die behütet aufgewachsen sind, überschüttet werden mit Liebe und Erwartungen, aber auch diejenigen, die aus dem sozialen Brennpunkt in der Hauptstadt kommen. Sie kennt Jugendliche mit Burnout und welche, die nie Nestwärme kennengelernt haben. Und sie weiß: Yoga für Jugendliche hat nichts mit Kinderyoga zu tun. Ich wollte schon lange mit ihr reden. Denn sie hat ein Buch geschrieben, gemeinsam mit Jugendlichen. Es heißt „Online mit mir selbst“

Wie ist sie darauf gekommen? Beim Yoga natürlich. Da gab es junge Leute, die sagten ihr plötzlich: „Das was wir durch Yoga kennengelernt haben, das sollten mehr Jugendliche kennenlernen.“ Und dann nahm das Projekt seinen Lauf.

Yoga für Jugendliche: Yoga meets Bodywork

Jacqueline sagt: „Im Yoga dürfen die Jugendlichen mal durchatmen.“ Aber bis sie an diesen Punkt kommen, dauert es meistens ein bisschen. Deswegen, sagt Jacqueline, selbst Mutter von Jugendlichen, dürfe Yoga für junge Menschen zunächst ruhig einem Fitness-Konzept ähneln. „Am Anfang muss eigentlich die Asana-Praxis im Vordergrund stehen. Ich mache dann so eine Art „Yoga meets bodywork“. Die Jugendlichen wollen sich bewegen, die Mädchen wollen Bauch-Beine-Po. Als Yogalehrer kann man dann entweder aufschreien oder man sagt: ‚Okay, komm, das ist gut; die müssen erst mal in ihren Körper kommen.‘ Ich habe es nicht gewertet, wenn die Jugendlichen gesagt haben: ‚Ich will den Sixpack.‘ Irgendwann später kann man das dann mal thematisieren und fragen: ‚Oder ist es die starke Mitte, die eigentlich wichtig ist?‘ Aber am Anfang wollen Jugendliche nicht zum Yoga kommen, um zu meditieren.“

Jugendliche wollen kein Kinderyoga

Die Realität ist: Für Jugendliche gibt es wenig Yogaangebote. Oder besser: wenig gute. Dabei brauchen gerade die Heranwachsenden einen Herzenskompass. „Wir müssen Jugendliche stärken. Ihnen Selbstwertgefühl geben. Alles, was in dieser Zeit nicht gut läuft, hat einen wahnsinnig starken Einfluss. Und hier kann Yoga so viel bewirken“, sagt Jacqueline. Sie unterrichtet seit vielen Jahren bei Spirit Yoga in Berlin. Kürzlich habe sie gelesen, dass ein Viertel aller Jugendlichen psychische Störungen habe. „Wie heftig ist das denn?“, sagt sie schockiert. 

Das Soziale Dilemma

Wir kommen natürlich schnell auf Social Media zu sprechen. Weil ich schon lange beobachte, was das mit einem macht. „Jugendliche haben heute eine ganz andere Aufgabe als wir noch damals. Sie müssen nicht nur eine Identität in ihrer Klasse entwickeln, in ihrem Freundeskreis, sondern auch eine digitale Identität. ‚Hast du Insta?‘, das ist heute die erste Frage, die Jugendliche einander stellen, wenn sie sich kennenlernen. Und dann ist da sofort ein enormer Druck.“ 

Zum Beispiel der Druck, sich so zu schminken, wie die Kardashians. Das Schwierige an der ganzen Sache ist: Schon Erwachsene haben oft kein Selbstwertgefühl. Und Selbstwertgefühl ist so wichtig, wenn wir uns in die Sozialen Medien begeben. Wie sollen Erwachsene es also Jugendlichen und Kindern vermitteln? Das ist ein bisschen so, wie dem gestressten Gymnasiallehrer zu erzählen, er müsse jetzt auch Achtsamkeit mit in den Lehrplan nehmen. „Instagram ist wie eine Bewerbungsmappe“, sagt Jacqueline. Und Instagram bedeutet, den ganzen Tag über Vergleiche zu ziehen. Und so kommt man automatisch ins Leiden. Gibt es einen Weg dort hinaus? „Alle löschen, die einem nicht gut tun“, sagt Jacqueline, „dann kann Instagram natürlich auch gute Seiten haben. Aber wer hat schon so viel Selbstwert, dass du immer damit umgehen kannst und es verstehst, im Moment zu leben?“ In ihren Yogastunden lehrt sie ihre Schüler/innen Achtsamkeit. „Kümmere dich um den Mensch der vor dir steht und nicht um irgendeinen schönen Bauch auf Instagram“, sagt sie. 

Sei dir selbst ein Freund

Als Eltern habe man die Aufgabe, den Kindern immer wieder zu zeigen, dass sie gut sind, wie sie sind. „Das ist unser Erziehungsauftrag“, sagt sie bestimmt. Den Jugendlichen zeigt sie, wie sie sich selbst ein eigener Freund, eine eigene Freundin sein können. „Das haben viele verlernt.“ 

In „Online mit mir selbst“ geht es um Felicy, ein Mädchen, das auf dem Weg ist, erwachsen zu werden. Und das ist manchmal ganz schön anstrengend – vor allem, wenn man mit seiner durchgeknallten Ökomama in Berlin-Mitte lebt und sich unglücklich verliebt. Die Geschichte von Felicy ist aber nicht nur eine Geschichte, sondern zeitgleich ein Ratgeber für die Pubertät. Promis, Mediziner, Psychotherapeuten, Influencer, Sportler, Yogalehrer, Unternehmer und die Jugendlichen selbst geben Tipps, Erkenntnisse und zumeist Antworten auf die Frage: Was hättest du deinem jüngeren Ich gesagt? Das Buch ist ein Werkzeugkoffer mit Tools für das Selbstwertgefühl.

Yogalehrer/in für Jugendliche

Jacqueline Draheim bietet übrigens bei Spirit Yoga auch eine Ausbildung als Yogalehrer für Jugendliche an. Denn Yoga für Jugendliche muss sich unbedingt von Kinderyoga unterscheiden. In dem Kurs vom 1. bis 3. April in Berlin lernst du unter anderem, welche Themen besonders relevant für die Unterrichtsgestaltung sind, warum nur wenige Jugendliche zum Yoga finden und wie wir das ändern können, auf welche Schwierigkeiten bei dieser Arbeit du vorbereitet sein solltest und vieles mehr. 

Berührung, Berührung

Endlich beginnt meine Thai Yoga Körperarbeit Ausbildung. Darauf warte ich schon lange. Als ich schwanger war mit meiner jüngsten Tochter wollte ich diese Ausbildung unbedingt machen. Da durfte ich nicht. Thai Yoga ist zwar für Schwangere besonders wohltuend, aber meine Ausbilderin fürchtete, dass ich als Gebende eventuell zu schwer heben müsse. Und dann, als ich mich bereit fühlte, die Ausbildung erneut anzugehen, kam Corona. Thai Yoga. Corona. Vielleicht klingelt es. Es geht um Berührung.

War da nicht was?

Berührung? Hä? War da nicht was? Ja genau. Eigentlich war da gar nichts. Jedenfalls nicht beim Yoga in den letzten 500 oder so Tagen. Weiß eigentlich irgendjemand was das überhaupt ist? Und nun wird also genau das stattfinden: Berührung on masse. Vier Tage lang. Ich freue mich wirklich. Ich werde so tief eintauchen, kannste glauben!

Entspannung auf einer tiefen Ebene kennenlernen – das bedeutet Thai Yoga. Achtsame Berührung üben und die Magie, die darin steckt, zu erfahren: Thai Yoga. Fühlen, Loslassen und stille Kommunikation. Ach, wie gut das klingt! Und ich freue mich auf eine tiefe Art von Verbindung, die, wie ich finde, in den letzten Jahren irgendwie verloren gegangen ist, weil wir alle glauben, wir müssten immer und überall mit anderen einer Meinung sein. Ich nehme mich da nicht aus. Ich kann mich sehr gut aufregen über andere Meinungen. Aber jetzt geht es vier Tage lang um Verbindung. Was für ein Glück!

Plädoyer für die Schusseligkeit

Ich freue mich auch darauf, wieder so tief in ein Thema einzutauchen, mich stundenlang mit nur einer Sache zu beschäftigen, viel zu meditieren und zuzuhören. Dass der Alltag wahnsinnig anstrengend für unser Gehirn ist, ist nichts Neues. Trotzdem war auch ich ganz dankbar, als ich Claudia Schaumanns neuesten Beitrag auf wasfuermich.de lesen konnte. „Ach guck mal“, dachte ich. Ich bin so gut darin, achtsam im Unachtsamen zu sein, hihi. Ich habe auch schon viele Sachen verloren und verlegt. Schaumann schreibt da eine Art Plädoyer für die Schusseligkeit. Das ist eine schöne Erinnerung daran, dass wir nicht mehrere Dinge gleichzeitig machen sollen. Und ich darf mich vier volle Tage lang ganz auf diese eine Sache konzentrieren.

In den Flow …

Per Zufall – und ein bisschen auch aus gutem Grund – bin ich übrigens über diesen Text gestolpert. Sehr sympathisch fand ich den Hinweis zur Morgenroutine. Denn wer hat schon im normalen Alltag die Möglichkeit stundenlang zu meditieren? „Eine Runde Dankbarkeit, zehn Minuten Meditation und eine Atemübung – dann der Kaffee“ – das klingt, als lasse es sich einrichten, oder? Ist meiner neuesten Start-in-den-Workflow-Routine nicht unähnlich. Zwischen zehn und 16 Minuten Meditation bedeuten am Ende des Tages nämlich nicht, dass ich für irgendetwas anderes tatsächlich weniger Zeit gehabt hätte. Im Gegenteil. Ich mache das meistens gerade bevor ich mich an den Schreibtisch setzen möchte. Klingt klischeehaft, aber mir ist in den letzten Tagen vieles gelungen, was ich schon lange mal fertigbringen wollte …

Lauschangriff und Lesestoff vom 8. Juli 2021

Ich sitze in der Küche meiner Mutter. Draußen regnet es. Genauer: es schüttet. Die Kinder spielen seit zwei Stunden friedlich im Zimmer nebenan, eine Art Ankleideraum. Da steht auch noch eine Bügelmaschine aus dem letzten Jahrtausend. Eine Bügelmaschine!?! Außer meiner Mama kenne ich niemanden, der so ein Gerät zuhause hat. Sie bügelt damit die Tischdecken. Die Kinder finden alle möglichen Sachen, das meiste ist altes Spielzeug von uns, meinen Brüdern und mir. Spielsachen, die für meine Töchter wie Relikte aus einer anderen Epoche erscheinen. „Mama, gibt es hier kein Glitzer?“, fragte mich meine Tochter im letzten Sommer, als wir auf dem Dachboden nach alten Playmobilfiguren und Spielzeug suchten. Glitzer? Ich musste lachen. Sie lieben es trotzdem hier.

Regen, kein Glitzer

Bislang hatten wir immer Glück. Wenn wir aus dem Norden hier runter in den Süden kamen, schien die Sonne. Wir verbrachten die meiste Zeit im Garten meiner Eltern, der für mich ein bisschen was vom „Garden Eden“ hat. Einen Pool gibt es auch. Diesmal ist der Sommer irgendwie ins Wasser gefallen. Egal. An den Kindern sehe ich jeden Tag wie irrelevant das Wetter ist. Sie würden am liebsten noch länger hier bleiben. Und ich habe gar kein schlechtes Gewissen, obwohl ich kaum zum Arbeiten komme. Vielleicht liegt es daran, dass ich am Wochenende den Artikel in der Süddeutschen Zeitung gelesen hatte: „Ab in die Pause“ – oder in der Onlineversion „Das erschöpfte Ego“. Werner Bartens hat einen schönen Beitrag geschrieben, darüber, dass Pause machen in Deutschland erschreckender Weise verpönt ist. Denn wir leben heute in einer Zeit, in der die Menschheit noch nie so gesund und gleichzeitig noch nie so ausgebrannt war. Dabei ist die Pause – und auch die Stille – so unfassbar kraftvoll. Das erfährt Bartens unter anderem auch von Künstlern, wie dem Schauspieler Ulrich Matthes, der erklären kann, weshalb von der Pause eine große Macht bei Theater und Film ausgeht. „Statt die Magie des Moments zu genießen, die Stille zwischen einem noch nicht vereinten Liebespaar oder auch nur im Meeting nicht gleich dazwischenzuplärren, wenn ein Kollege mal eine Idee von sich gibt, hebt sofort das große Palaver an, wenn einer noch nicht mal ausgeredet hat“, schreibt Bartens. Wie herrlich. Ja, oder? Der perfekte Ton sei die Stille, sagte einmal Keith Richards. Bartens schreibt, dass wir heute glauben, nicht zur Ruhe kommen zu dürfen, denn „da geht noch was“.

Absichtslose Pause

Mir stoßen Sprüche wie „Ausruhen kann ich auch wenn ich tot bin“ schon lange übel auf. Weiß ich doch, dass Schlaf und regenerative Pausen unabdingbar für gute Performance sind. Zumindest dann, wenn ich gleichzeitig auch noch gesund bleiben möchte. Den Vollgasmodus kenne ich übrigens auch. In meinen Zwanzigern war ich pausenlos rastlos. Das ist auch verständlich. Der Sinn für Ruhe kam zum Glück schon vor dem Ende meiner 30er. Bartens hat (nicht nur) einen schönen Satz geschrieben, der mich besonders zum Denken gebracht hat: „Die Pause als Quell schöpferische Gedanken zu instrumentalisieren, oder als Ladestation für das erschöpfte Ego, ist übrigens nicht Sinn der Sache, sondern wäre nur ein weiteres Unterkapitel im Optimierungsaleitfaden der Bilanzbuchhalter für das Ego.“ Die Pause soll absichtslos sein. Ach, herrlich. 

Gerne gehört habe ich in der letzten Woche den Podcast Depression – Der Talk der Robert-Enke-Stfifung mit Sängerin Lotte als Gast.

Darin spricht Lotte auch darüber, wie sich die sozialen Netzwerke, also beispielsweise Instagram, auf ihre Psyche auswirken. Sie habe dazu ein Experiment gemacht und festgstellt, dass es ihr eigentlich immer wenn sie durch die Profile scrollte, schlechter ging als vorher. Wir sehen das vermeintlich perfekte Leben der anderen auf dieser Plattform immerzu in der vollen Perfektion. Kein Wunder, dass wir selbst da ein schlechtes Gewissen kriegen müssen. Ich finde es spannend, dass jemand wie Lotte – deren Profil von über 80.000 Menschen verfolgt wird – diese Erfahrung macht. Es ist ein Alarmzeichen. Und steht in einem engen Zusammenhang mit meinem persönlichen Zwiespalt zum Nutzen dieser App. Darüber schreibe ich hier mal an anderer Stelle in einem größeren Beitrag. 

Money, money, food, food

Wenn du dich dafür interessierst, was ein/e Yogalehrer/in so verdienen kann, empfehle ich den aktuellen Beitrag von Thomas Meinhof aka yogadude auf Yogaword.de. Um dieses Thema dreht sich auch dieser Beitrag auf eversportsmanager.com.

Was mich sonst noch beschäftigt hat diese Woche: Natürlich dieser unfaire Elfmeter der Engländer gegen die Dänen bei der EURO 20. Nein. Gar nicht. Eher: Das unschöne Verhalten der englischen Fans. Gegen den dänischen Torhüter aber auch generell. Das Verhalten der Fans aller Nationen in Bezug auf die Vorbildfunktion für unsere Kinder in Pandemie-Zeiten … aber egal. Ist ja nur Fußball 😉

Eine noch in Deutschland wenig bekannte Seite für vollwertige und gesunde Rezepte findest du hier

Und das gibt es bei mir. Danach geht es dann auch noch mal in „Extra-Ferien“. Wir verschwinden noch für eine Woche in den Bergen. Hier lesen wir uns wieder am 24. Juli.

Illustration: Mona C. Kramss

Tadasana in jedem Asana – wie wir Haltung üben

„Tadasana in jedem Asana“, sagte meine Yogalehrerin in Kalifornien immer. Damit machte sie vermeintlich Widersprüchliches klar: Der Berg, oder auch „Tadasana“ ist gar keine einfache Yogahaltung. Doch: gelingt es uns, Haltung anzunehmen, werden auch komplizierte Asanas einfacher …

Beziehung zur Erde

Asana – das bedeutet eigentlich „Beziehung zur Erde“. Es heißt auch „Sitz“ und das verdeutlicht, dass Yoga ursprünglich, also so ungefähr vor 2000 Jahren oder so – wer weiß es schon genau? –, vor allem im Sitzen praktiziert wurde. Die Asanas, die wir heute kennen und auf der Matte als Yogahaltungen üben, sind zum Teil keine 100 Jahre alt. Früher wollten Yogaübende den Körper mobilisieren, um länger im Meditationssitz verweilen zu können. Sie wollten die Wirbelsäule dabei mühelos aufgerichtet halten, um Energie durch alle Chakren fließen lassen zu können.

Stabil und leicht – klingt umwerfend!

Asana kann aber auch so etwas wie der Sitz, auf den ich mich setze, bedeuten. Und nicht zuletzt hat es etwas mit der eigenen Haltung zu tun. Damit ist nicht nur die körperliche, sondern die innere gemeint. Die Haltung, die wir zum Leben einnehmen oder die, die wir anderen Menschen und auch Dingen gegenüber einnehmen. Wie die Beziehung zur Erde auch, sollte unsere Haltung – gerade beim Yoga üben – stabil und leicht sein. Klingt das nicht umwerfend? Davon, gerade stabil und leicht durchs Leben gehen zu können, wünsche ich mir jetzt so viel, wo hier drinnen wie draussen alles chaotischer nicht sein könnte. Sogar das Wetter macht was es will.

Und deswegen: Tadasana

Damit uns Leichtigkeit und Stabilität während der Asana-Praxis gelingt, brauchen wir ein stabiles Fundament. Das kann fast jeder mit der Berghaltung üben. Berg bedeutet auf Sanskrit „Tada“. Während viele Schüler/innen glauben, es handele sich dabei um eine sehr simple Haltung, ist das doch eigentlich gar nicht so einfach: Aufrecht zu stehen, ohne die Schultern hochzuziehen, die Bauchmuskeln etwas anzuspannen ohne den Bauch panisch einzuziehen, die Füße so zu positionieren und das Gewicht optimal zu verteilen, damit sich unser Fußgewölbe richtig ausbilden kann, die Oberschenkel und die Schienbeine leicht nach innen zu ziehen, während die inneren Knöcheln eher nach hinten ausgerichtet sind und die äußeren Knöcheln nach unten. Hä? Und dann weiter: Das Becken neutral halten, das Schienbein Richtung Steißbein ziehen, den Rücken lang lassen und die vorderen Rippen zusammenziehen? Und dann sagt der Lehrer: Entspanne die Wirbelsäule. Geht’s noch? Ja.

Körperbewusstsein, wie geht das eigentlich?

Körperbewusstsein zu schulen – auch darum geht es bei der Asanapraxis. Und gleichzeitig immer die Frage: Wie ist meine Beziehung zur Erde nun? Stabil und leicht? Yoga sollte keine Schmerzen verursachen. Das wird in der heutigen Zeit, in der wir doch alle auf Leistung ausgerichtet sind, häufig vergessen. Doch noch lieber eine Position einnehmen, die Instagram-like in Szene gesetzt werden kann. Ich gebe aber zu: Die Grenze zu finden, zwischen dem Üben in komplizierten Haltungen eine stabile und leichte Haltung einnehmen zu können, und dem übertriebenen Üben von imposanten Posen und tiefen Stretches, ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft die Schulung des Körperbewusstseins. Wie geht es mir in dieser Haltung? Soll ich weitergehen oder ist das zu viel für mich? Wenn wir diese Fragen in unserer Asana-Praxis betrachten, sie ernst nehmen und lernen zu beantworten, dann können wir das auch auf unseren Alltag übertragen, lernen Stopp zu sagen oder zu verstehen, wenn etwas nicht stimmt. Damit wir das spüren, sind ruhige und einfache Posen, bei denen wir zur Ruhe und in die Stille kommen, im Yoga unabdingbar. Ich komme nur darauf, weil mir kürzlich jemand die Frage stellte, ob Yoga und Meditation denn nun zwei verschiedene Sachen wären. Sie sind untrennbar miteinander verbunden.

Finde deine eigene Haltung

Tadasana korrigiert Fehlstellungen unseres Körpers, die wir im Alltag kaum wahrnehmen. „Die Kunst des fehlerlosen Stehens“, nannte B.K.S. Iyengar die Übung einst. Energetisch lehrt uns die Berghaltung, uns zu erden, Balance zu finden und Klarheit. Die „richtige“ Haltung einzunehmen, ist auch im übertragenen Sinne nicht leicht. Das wird in Zeiten wie diesen besonders deutlich. Mir hilft die Matte und damit die Asana-Praxis zusammen mit Pranayama – also der Atemübung – zu meiner eigenen Haltung zurückzufinden. Manchmal macht es mir einfach auch nur gute Laune. Das ist dann wiederum gut für die Menschen, gegenüber denen ich eine Haltung einnehmen muss.

Yoga und der christliche Glaube – wie passt das zusammen?

Meine erste journalistische Ausbildung – wenn ich das so nennen darf – absolvierte ich bei der Kirche. Das Film Funk Fernseh Zentrum der Evangelischen Kirche im Rheinland suchte Jugendliche für ein Journalistentraining. Das war kurz vor meinem Abitur und eine besondere Zeit. Wir waren noch nicht volljährig und durften schon mit einem Fernsehteam vom WDR arbeiten, von Redakteuren bei Radio Eins Live und der Rheinischen Post lernen und bekamen Sprechtraining von Reinhard Pede. Meine Kindheit ist durch und durch gespickt mit guten Erinnerungen an Kirche. Zu dem Pfarrer, der mich konfirmiert hat, habe ich noch heute einen freundschaftlichen Kontakt. Der Glaube begleitete mich unaufgeregt, zwanglos. Nichts war Pflicht. Nachdem ich kurz vor Weihnachten dieses Interview mit dem Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler gelesen habe, konnte ich wieder guten Gewissens sagen: Ich fühle mich als Christin. Obwohl ich schon lange nicht mehr in einer Kirche war – na ja, das stimmt so auch nicht: Meine jüngste Tochter wurde im Juni 2019 getauft – von meiner Tante. An Weihnachten im selben Jahr war ich in der Kirche. Und dann kam ja auch schon Corona. Aber das ist eine fadenscheinige Entschuldigung. Ich sage es mal so: Ich glaube, das evangelische Christentum gibt mir Halt. Yoga gibt mir auch Halt. Ist das nun in Ordnung oder nicht? Mein erster Impuls wäre immer: Na klar! Was soll daran falsch sein? Ich erinnere mich aber daran, dass ich vor vielen Jahren ein Interview mit der Theologin Margot Käßmann gelesen hatte. Da sagte sie gegenüber dem Evangelischen Magazin chrismon, sie sehe es kritisch, dass in fast jeder evangelischen Akademie auch Tai-Chi, Qigong und Yoga angeboten würde. Sie sagte: „Ich wünsche mir eine Besinnung auf die eigenen Quellen. Ich bin dagegen, uns aus anderen Religionen dies und das zu holen. Spiritualität wächst mitten unter uns.“ Diese Aussage hatte mich zuerst fast ein wenig verärgert. Dann machte sie mich nachdenklich. 

Viele unterschiedliche Menschen, viele unterschiedliche Meinungen

Seit dem suche ich nach Antworten auf die Frage, ob Yoga und das Christentum – und damit auch gleichzeitig jede andere Religion – miteinander zu vereinbaren sind. Tanja Wälzholz arbeitet als selbständige Unternehmensberaterin in verschiedenen Unternehmen und ist Yogalehrerin. Zusätzlich dazu absolvierte sie eine Ausbildung zur Prädikantin und ist in ihrem Dekanat als ehrenamtliche Pfarrer-Vertretung tätig. Sie ist auch ausgebildete Seelsorgerin und Trauerbegleiterin. „Viele Theologen sind extrem stark darin geprägt, das was in der Bibel über Jesus steht, so zu interpretieren, wie es ihre Kirche ihnen vorgibt. Aber wie unterschiedlich man das auslegen kann, lässt sich ja alleine schon daran erkennen, dass es so viele unterschiedliche Glaubensausrichtungen innerhalb der Evangelischen Kirche gibt. Das habe ich tatsächlich erst richtig wahrgenommen, nachdem ich mich intensiver mit Yoga beschäftigt habe – und machen wir uns nichts vor, unter den Yogis gibt es solche Gruppierungen ja auch. Wir sind alle Menschen und darunter sind immer welche, die glauben, nur sie könnten recht haben“, sagt sie. Tanja Wälzholz’ Weg zum Yoga ist in der Tat sehr eng mit ihrem christlichen Glauben verbunden. „Ich hatte Yoga zunächst ganz klassisch im Fitnessstudio kennengelernt und später ein Yogastudio gefunden, in dem ich mich sehr wohl fühlte, die Yogapraxis war ein Ausgleich zu meinem Berufsleben. Dann fand ich es immer interessanter und wollte eine intensivere Gebetsdisziplin gewinnen. Ich fragte mich, ob ich über Meditation meine Gottesbeziehung intensivieren könne. Yoga hat mich motiviert und interessiert. Während meiner Yogalehrer-Ausbildung war ich immer der Meinung, dass es stimmig mit meinem christlichen Glauben sei. Dann habe ich erste Erfahrungen gemacht, dass christlicher Glaube und Yoga offensichtlich doch nicht immer zueinander passen – zumindest aus der Sichtweise der anderen.“ 

Ist Yoga nun Religion oder nicht?

In dem Buch „Yoga ist ein Arschloch. Warum es uns trotzdem so gut tut“ habe ich geschrieben: „Yoga ist keine Religion.“ Ist er auch nicht. Der Yoga ist eine philosophische Lehre. Dennoch würde ich das heute etwas anders und vorsichtiger formulieren. Oder besser gesagt: Wahrscheinlich würde ich mich ausführlicher mit dem ganzen Thema auseinandersetzen. Nicht an der Oberfläche bleiben wollen … Ganz so einfach ist es nämlich nicht. Im Gespräch mit dem efo-magazin sagte die Pfarrerin Irene Derwein, die selbst Yoga praktiziert und sich mit der Philosophie stark auseinandergesetzt hat: „Weltanschaulich betrachtet passen Yoga und Christentum nicht gut zusammen. So muss der Mensch im Buddhismus beispielsweise Geburt und Tod durchbrechen, um selbst göttlich zu werden. Im Christentum hingegen sind die Menschen von Gott ohne jede Vorbedingung angenommen. Das Heil ist nach christlicher Überzeugung eine Sache des Glaubens, man muss dafür keine spirituelle Technik erlernen.“ Irgendwie erscheint es mir so, als fänden immer mehr Christen gerade die spirituelle Technik ansprechender, als passe es nicht mehr zu unserer Zeit, so etwas wie Heil als Geschenk annehmen zu dürfen. 2019, so schreibt die ZEIT, sind 540.000 Menschen in Deutschland aus einer der beiden großen Kirchen ausgetreten – das kann ja wohl nicht nur an Missbrauchsskandalen liegen – die gibt es im immer mehr Zuwachs findenden Yoga schließlich auch. Tanja Wälzholz sagt: „Dass heute viele Christen Buddhismus attraktiv finden, hat meines Erachtens nach nichts mit dem Kreislauf von Geburt und Tod zu tun. Ich glaube, es liegt eher daran: Der Dalai Lama verbreitet positive Stimmung, Fröhlichkeit. Das Image der christlichen Kirchen ist immer noch eng an Schuld und Buße geknüpft, es wird von Sündern gesprochen. Dabei hat Martin Luther doch gesagt: ‚Die Aufgabe eines Christen ist es, Freude unter die Menschen zu bringen.‘ Das ist leider in Vergessenheit geraten. Dem Dalai Lama hingegen, gelingt es, das zu vermitteln.“

Einheit in Vielfalt – Hinduismus

Tanja Wälzholz hat sich auch sehr umfangreich mit dem Hinduismus auseinandergesetzt. „Das Schöne am Hinduismus ist eigentlich, dass man andere Meinungen zulässt. Das haben wir im Christlichen eigentlich nicht so.“ Hinduismus bedeutet so viel wie Einheit in der Vielfalt – das passt: Hinduismus ist eine ganze Sammlung von Religionen. Sie sind alle in Indien entstanden und haben ihre eigenen Traditionen, Lehren, Schriften und Glaubensvorstellungen. Daher gestalten viele Hindus ihre Feste, Gebetszeiten und  andere Rituale auf sehr unterschiedliche Art und Weise.1) „Yoga ist eine Philosophie. Das Wort Philosophie trifft es meiner Meinung am besten. Man könnte aber auch sagen, dass es eine Praxis ist, die einen in der eigenen religiösen Ausrichtung unterstützen kann“, sagt Wälzholz. Und demnach müsste es doch in Ordnung sein, wenn Menschen gleich welcher Glaubensrichtung sie angehören, gemeinsam Yoga praktizierten …

Yoga als Mittel zur Begegnung mit Gott?

Der katholischen Pater Markus Thomm sagte gegenüber dem Internetportal der Katholischen Kirche in Deutschland: „Yoga soll zur Begegnung mit Jesus im Gebet dienen und dafür öffnen. Hinduistische Mantras könnten hierbei durch Bibelverse, Taizé-Gesänge oder einfache Elemente des orthodoxen Jesus-Gebets ersetzt werden.“ Der Pater empfiehlt, Yoga im christlichen Sinn auszuprobieren und zu überprüfen, ob es der eigenen Beziehung zu Gott und dem Gebet dient. Ich finde das ist ein schöner Ansatz. Es ist auch die Erfahrung, die Tanja Wälzholz gemacht hat: „Durch Yoga bin ich viel öfter in das innere Gebet gekommen. Das wollte ich auch mit Yoga erreichen. ‚Kriege ich Gehör für das, was Gott mir sagen möchte?‘, war meine Frage, als ich begann, mich intensiv mit Yoga und Meditation auseinanderzusetzen. Wir sind der Resonanzkörper – aber wie kommt es in uns?“, sagt Wälzholz. Demgegenüber steht die Befürchtung mancher Christen, dass durch Praktiken wie Yoga auch dämonische Gedanken ins uns aufkommen. Wälzholz sagt dazu: „Jeder hat negative Aspekte in sich. Ich muss auch mal die bösen Anteile in mir anhören. Das ist in Ordnung. Der Widersacher ist immer auch in jedem von uns. Meditation schult uns all diese Aspekte wahrzunehmen. Wir sollten das nicht verdrängen. Deswegen geisseln sich Menschen heute noch. Dabei gehört das Schlechte auch zu uns. Wenn eine negative Stimme kommt, dann brauchen wir einen guten Seelsorger, einen guten Coach oder Therapeuten.“

Om und die Schöpfung

Was spricht also dagegen, dass das Erleben einer tiefen Gotteserfahrung, von der ja diverse Yogis sprechen, auch eine christliche sein kann? Wieso steht das in einem Widerspruch? „Es steht in keinem Widerspruch“, sagt Wälzholz. Wälzholz glaubt, dass es kein Zufall sei, dass sich „Om“ und „Amen“ so ähnelten. Yogis gehen davon aus, dass „Om“ den Urlaut der Schöpfung darstellt. „Das Wort, die schöpferische Kraft und der Laut der Kosmischen Schwingung, brach – gleich den Schallwellen eines unvorstellbar starken Erdbebens – aus dem Schöpfer hervor und schuf das Universum“, schreibt Paramahansa Yogananda in dem Buch „Der Yoga Jesu“.2) „Wenn wir durch Singen des Om Schwingung entstehen lassen und darüber eine bessere Beziehung zu Gott funktioniert – dann habe ich mit Om kein Problem“, sagt Tanja Wälzholz. 

Beliebigkeit, Bekenntnis, Wahrheit?

Die Diskussionen darüber, wie Yoga und der christliche Glaube miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, führe sie im Übrigen auch mit ihrem Sohn, der Theologie studiert hat. „Mein Sohn sagt immer: „Der Glaube ist kein Supermarktregal, aus dem ich mir raussuchen kann, was ich will. In dem Moment, in dem ich mich bekenne, muss ich die Konsequenzen auch annehmen.“ Wälzholz steht dem aber kritisch gegenüber: „Beliebigkeit wird von der Kirche abgelehnt. Das ist aus der Sicht der Kirche das Gegenteil von Bekenntnis. Jeder für sich glaubt, dass er recht hat, und der andere falsch liegt.“ Aber das ist menschlich. Das gibt es – wie bereits erwähnt – auch unter Yogalehrenden. Wäre es also nicht schön, statt dem „Griff ins Supermarktregal“ die tiefe innere Auseinandersetzung zu suchen und dadurch auch mit anders Denkenden zu diskutieren, welche Mittel einen ins Vertrauen bringen und zur Selbsterkenntnis führen?

Vor einigen Jahren hat der bekannte Yogalehrer Patrick Broome in einem Interview auf die Frage, was Yoga mit uns machen könne, wie wir mit Hilfe von Yoga über uns hinauswachsen könnten, gesagt: „Menschen wie Jesus, Martin Luther King, Gandhi oder Mutter Theresa sind Beispiele dafür, wie man über seine eigene Bequemlichkeit hinausgehen kann und sein Leben komplett dem Dienste am Mitmenschen widmet.“ In dem Buch „Der Yoga Jesu“ schreibt Paramahansa Yogananda auch über die Zeit in Jesus’ Leben, die in der Bibel eigentlich nicht stattfindet. Das ist die Zeit zwischen Jesus’ 14. und etwa 30. Lebensjahr. Der Autor Paramahansa Yogananda schreibt, dass es Nachweise darüber gäbe, dass Jesus während dieser Zeit in Indien war und durchaus seine eigenen Schlüsse und Erfahrungen aus den Lehrern diverser Yogis gezogen habe. Ob das stimmt? Yogananda schreibt: „In Indien gibt es eine tief verwurzelte Tradition, die von bedeutenden Metaphysikern als richtig anerkannt wird: In alten Manuskripten finden sich glaubwürdige Erzählungen, dass die Weisen, die den Weg zum Jesuskind in Bethlehem fanden, in Wirklichkeit große Weisen Indiens waren. Und nicht nur, dass diese indischen Meister zu Jesus kamen – er erwiderte auch ihren Besuch.“3) Für mich trägt Jesus ziemlich viele „yogische“ Züge in sich; die Frage ist, ob yogische Züge eben doch letztlich nicht auch einfach „christlich“ sind und umgekehrt?

Wenn ich also davon ausgehe, dass Jesus lebte, dass er vielleicht nicht tatsächlich über das Wasser gegangen ist, aber Menschen geheilt, ihnen geholfen hat, sie achtsam und rücksichtsvoll behandelte, ihnen das Gefühl gegeben hat, sie seien gut genug und dadurch „Wunder vollbrachte“, habe ich doch einen schönen Glauben, oder? Und wenn mir Yoga dabei helfen kann, auch nur annähernd solche Kräfte in mir zu entdecken (wovon ich übrigens noch nicht überzeugt bin), dann kann Yoga doch für einen Christen auch nur gut sein.

Quellen

1)religionen-entdecken.de, „Hindiusmus ist mehr als eine einzige Religion“, Zugriff am 30. März 2021 unter https://www.religionen-entdecken.de/religionen/hinduismus

2)Yogananda Paramahansa: Der Yoga Jesu, Self-Realization Fellowship, 2009: USA, S. 27

3)Yogananda P.: Der Yoga Jesu: Self-Realization Fellowship, 2009: USA, S. 12

„Gesegnet sind die Unbeweglichen“

Richard Freeman, der Ashtanga-Yogalehrer des Westens, prägte diesen Satz: „Blessed are the tight people“, sagte er. Ich zitiere das gerne. Ich kenne so viele, die glauben, sie wären zu unbeweglich, um mit Yoga zu beginnen. Ich habe das schon öfter gehört: „Eigentlich sollte ich Yoga mal probieren. Aber …“ Komischerweise ist das beim Joggen ganz anders. Die wenigstens Menschen, die joggen, sind besonders schnelle Läufer. Niemand käme auf den Gedanken, nur weil er nicht schnell ist, erst gar nicht mit dem Laufen anzufangen. Dabei ist Joggen definitiv nicht der richtige Sport für jeden … Und wer schlapp ist, macht zwar auch (häufig) leider kein Krafttraining, weiß aber sehr wohl, dass es Sinn machen würde, damit zu beginnen. Das medial gezeichnete Bild von Yoga gibt uns aber leider vor, gelenkig sein zu müssen, um überhaupt damit anfangen zu können. Schwachsinn. Stattdessen sollten eher überbewegliche Menschen bei Dehnübungen vorsichtig sein.

Ungelenkig zu sein ist der beste Grund, mit Yoga anzufangen. Aber erst mal gibt es vielleicht etwas zu klären: Gelenkigkeit und Dehnbarkeit sind zwei unterschiedliche Begriffe. Gelenkigkeit ist die Fähigkeit, eines Knochensegments zur Ausführung des weitestmöglichen Bewegungsauschlags durch das dazugehörige Gelenk. Die Dehnbarkeit hingegen ist die Fähigkeit eines Muskels, seine optimale Länge zu erreichen, um den größtmöglichen Bewegungsausschlag auszuführen, und somit sein Kraftpotenzial voll zu nutzen. Aus beiden zusammen, Dehnbarkeit und Gelenkigkeit, ergibt sich unsere Beweglichkeit. Die Dehnbarkeit lässt sich dabei am einfachsten trainieren. Und das ist auch der Grund, weshalb fast jeder den Spagat lernen könnte. Deswegen erfreuen sich Deep Stretching Kurse gerade so großer Beliebtheit (aber: Yoga ist eben mehr als Deep Stretching 😉 ).

Es ist wichtig, unsere Beweglichkeit zu trainieren, da sie gerade mit zunehmendem Alter abnimmt. Wie wertvoll es ist, sich uneingeschränkt bücken, strecken, den Oberkörper drehen zu können, das merken wir meistens erst dann, wenn es schon zu spät ist … Sich die Fußnägel selbst schneiden zu können, rückwärts einparken – auch dabei ist Beweglichkeit von Nutzen. Beweglich zu sein bedeutet, dass wir unsere Gelenke mit größtmöglichem Radius mühelos und schmerzfrei bewegen können. Mit der Abnahme unserer Beweglichkeit steigt das Risiko, sich zu verletzen. Unsere Körperhaltung wird schlechter, unsere Wirbelsäule lässt sich nicht mehr so gut aufrichten, wir bewegen uns unsicherer …

Wer regelmäßig Dehnübung durchführt, wirkt diesem Prozess entgegen. Die Asanas haben in unserer westlichen Welt mit gutem Grund das Ziel erhalten, unsere Beweglichkeit, die Ausrichtung des Körpers und unsere Balance, also unser Gleichgewicht, zu verbessern. ´Sie dehnen und lockern die Muskulatur. Gleichzeitig stärken sie aber auch immer den Gegenspieler des Muskels, der gerade gedehnt wird. Yoga macht uns also nicht nur beweglicher, sondern auch stärker, ausdauernder. Wir lernen, uns besser konzentrieren zu können und wir lernen, zu entspannen. Auch das hängt ja letztlich mit unserer Muskulatur zusammen.

Warum übrigens auch Kraftsportler Dehnübungen machen sollten, erklärt hier in diesem Video Prof. Dr. Stephan Geisler, den ich selbst noch aus meiner Zeit an der Deutschen Sporthochschule in Köln kenne, sehr gut. Und dessen kleine Videosequenzen ich generell empfehlen kann, wenn du dir bei Fragen, die das Thema Training betreffen, mal gerade unsicher bist.

Yoga für alle? Echt jetzt?

Als ich in der vergangenen Woche einen Artikel zum Thema Sprache als Yogalehrer/in veröffentlicht habe, hatte ich nicht damit gerechnet, dass mich das Thema weiterhin so beschäftigen würde. Ich habe nämlich Zuschriften von Leserinnen bekommen, die mir schrieben, wie sie sich Yogaunterricht wünschten und mit welcher Realität sie im Yogastudio konfrontiert seien. Ich habe Schilderungen erhalten, die ich im ersten Moment für eine Parodie hielt. Doch es ist wohl die Realität: Das viel propagierte „Yoga für alle“ ist für die meisten unauffindbar. Und so komme ich zu der Frage: Wie können wir es schaffen, dass alle sich in unserem Unterricht willkommen fühlen (vorausgesetzt natürlich, dass wir das wollen …)?

Versteh mich nicht falsch. Am 27. Dezember, dem Sonntag nach Weihnachten, unterrichtete ich einen kraftvollen Flow mit vielen kräftigenden Körperhaltungen, ich platzierte Crunches, ließ meine Schüler/innen das Boot machen und wir absolvierten viele Planks. Das hatte ich aber im Vorfeld auch so beworben. Ich wollte einen Unterricht anbieten, der meine Schüler/innen nach den Feiertagen zu sich selbst brachte, sie erdete aber andererseits auch etwas mit einem Workout gemeinsam hatte. Du weißt schon: Das schlechte Gewissen wegen der Unmengen an Kalorien, den Plätzchen und der Lebkuchen … Das passte so für mich.

Anfänger: herzlich willkommen!

Wenn ein Anfänger unbedarft in eine Level-3-Stunde geht, darf er sich nicht wundern. Es wäre genauso als würde ich im Chinesisch-Sprachkurs mit der dritten Stufe starten. Macht kein Mensch. Aber was mir eine Leserin mitteilte, war etwas anderes: Sie fand sich in Stunden wieder, die als Anfänger-Stunden beworben wurden und dann wurde sie dennoch als Yogaanfänger vor den anderen bloßgestellt. Kam sie im Flow nicht hinterher, weil sie nicht wusste, wovon der Lehrer sprach, bekam sie müde lächelnde Blicke, statt Unterstützung. Müssten wir nicht gerade Anfänger herzlich willkommen heißen?

„Yoga ist kein Wettkampf“ – hm…

Es gibt einen gerne zitierten Spruch im Yoga: „Yoga ist kein Wettkampf.“ Genau. Das soll es auch nicht sein. Aber damit Yoga auch wirklich nicht zum Wettkampf wird,  muss sich jeder Lehrende in seiner Ausdrucksweise hinterfragen. Wenn ich immer nur diejenigen lobe, die jede Woche kommen und die sich bretzelartig verbiegen können, was macht das eigentlich mit denen, die nicht gelobt werden? Überlege dir, ob es wirklich so viel Sinn macht, einzelne Schüler/innen zu loben. Auch ich habe in meiner Yogalehrer-Ausbilung gelernt, dass wir viel loben sollen. Besonders die Amerikaner sind ja ein sehr „loborientiertes“ Volk, aber vielleicht führt das nur dazu, dass wir sehr massiv darauf bedacht sind, von anderen gelobt zu werden, statt unserer eigenen Intuition zu vertrauen, uns selbst schön zu finden, auch wenn wir das nicht ständig von anderen hören …? Worauf ich aber vor allem hinaus will: Warum wird eine biegsame langjährige Yogapraktizierende gelobt und ein muskulöser aber unbeweglicher Yogaanfänger belächelt? Ist es nicht so, dass die biegsame Yogapraktizierende sowieso schon von Yoga überzeugt ist, und es viel wichtiger wäre, diejenigen zu überzeugen, die noch schwanken, ob Yoga eigentlich das Richtige ist? Diejenigen, die immer wieder damit zu kämpfen haben, weil es für sie so hart ist. Ich will, dass die Yoga machen, die es am allermeisten brauchen. Und was macht es mit den Schülern, deren Namen wir uns nicht gemerkt haben, wenn wir die einen mit Namen ansprechen und die anderen nicht? Was macht es mit Anfängern, wenn die Fortgeschrittenen sie kritisch beäugen, ihnen bemitleidende Blicke zuwerfen, sich vor und nach der Stunde in waghalsige Asanas begeben ….?

Hilfsmittel sind vor allen Dingen clever

Was können wir als Lehrer tun, um zu erreichen, dass sich alle in unserem Unterricht wohlfühlen? Spreche mit deinen Schülern/innen. Lade sie zu Beginn der Stunde herzlich ein, heiße sie willkommen, frag sie nach ihrem Namen und – wenn du sie noch nicht kennst – nach ihren Yogaerfahrungen. Ermutige sie, während der Stunde auf ihren Körper zu hören. Und sage deinen Teilnehmenden, dass sie sich auf sich selbst konzentrieren sollten. Es ist nicht wichtig, was der Nebenmann/die Nebenfrau gerade macht. Lasse immer wieder deutlich werden, weshalb du was unterrichtest. Warum machen wir den Sonnengruß? Warum atmen wir durch die Nase? Und gib deinen Schülern/innen den Hinweis, dass Hilfsmittel zu nutzen, nichts Verwerfliches ist, im Gegenteil: es ist clever. Zeige ihnen, wie sie Hilfsmittel einsetzen können und dadurch ihre Arme und Beine künstlich verlängern. Ermutige Anfänger dazu, sich ihre Matte in der Nähe einer Wand auszurollen, und die Wand als Hilfsmittel bei Balancehaltungen nutzen zu dürfen. Erkläre, dass niemand gut oder schlecht im Yoga sein kann. Stattdessen können wir im Yoga üben und lernen, die Muskeln dehnfähiger werden zu lassen oder sie zu stärken. Wir können üben, die Atmung als Tool einzusetzen, auf das wir auch in unserem Alltag zurückgreifen können, … Beschreibe Variationen verschiedener Asanas und gib immer wieder die Möglichkeit, in ruhende Positionen wie den Herabschauenden Hund oder die Stellung des Kindes zu kommen. Es ist schön, ab und zu mal Sanskrit-Begriffe einfließen zu lassen, aber bedenke, dass die wenigsten Yogalehrenden ein Sanskrit-Studium absolviert haben, warum sollten es die Schüler/innen getan haben?!? Beispiel: Welcher Mensch kann schon etwas mit dem Begriff „Vrikshasana“ anfangen, dabei kommt diese Asana in nahezu jeder Anfänger-Stunde vor. Benutze die deutschen Bezeichnungen, es sei denn, deine Klasse wird von vielen Menschen besucht, die kein Deutsch verstehen. Aber dann macht es vielleicht eher Sinn, englische Begriffe zu verwenden …

Was will ich geben?

Zunächst einmal ist es das Wichtigste, dass wir für uns selbst definieren, was wir unseren Schülern/innen geben möchten. Und ich habe für mich da eine klare Definition gefunden: Ich möchte sie stark machen (nicht immer und unbedingt auf physischer Ebene) und ich will ihnen etwas mehr Ruhe schenken. Und das geht nicht, in dem ich sie vor anderen bloßstelle oder ihnen erläutere, dass ihre Version von Chaturanga nicht die Richtige ist. In einem Interview mit der Mentaltrainerin Christine J. Bauer, das ich für mein neues Buch geführt habe, erzählte sie mir, dass in ihren Trainings häufig Menschen sitzen, die ihr sagen, dass sie gerne ihre wahnsinnige Angst vorm Sprechen vor Menschengruppen besiegen würden. Meistens kommt heraus, dass diese Angst aus der Schulzeit kommt. Irgendein Lehrer hatte sie vor der Klasse bloßgestellt. Und ich frage mich, woher kommt das eigentlich, dass wir/Pädagogen glaub(t)en, wir müssten andere schwächen, um sie stärker zu machen?

Weißt du, was du lehrst?

Und deswegen also die Frage: Was willst du als Yogalehrer deinen Schülern/innen geben? Als Sportwissenschaftlerin lege ich viel Wert auf die Ausrichtung in den Asanas. Vor allen Dingen, damit sich meine Schüler/innen nicht verletzen und damit sie die Effekte der Übung auf beste Möglichkeit spüren können. Aber Körper sind verschieden und das muss man als Lehrer/in immer im Blick behalten. Als Yogalehrende haben wir vieles über Ausrichtung gelernt, ohne es zu hinterfragen. „Spanne in der Schulterbrücke die Oberschenkelmuskulatur an, aber entspanne dein Gesäß“, ist ein Hinweis, den ich häufig höre. Aber warum? Macht das Sinn? Wenn wir genau hinschauen, brauchen wir den Glutens Maximus um unsere Hüfte dahin zu bringen, wo wir sie in der Schulterbrücke haben wollen. Und ist es überhaupt in irgendeiner Form schlecht, den Glutens Maximus zu stärken – ich denke nur mal an die immer wieder kommende Sommersaison? 😉 Also, sei dir stets bewusst, wenn du etwas unterrichtest, warum du das unterrichtest.

Und wenn ich zum Yoga gehe, brauche ich kein Boot Camp. Wobei ich auch Boot Camps keinesfalls ihre Berechtigung abschreiben möchte. Aber im Yoga? In dem Studio, in dem ich meine erste Ausbildung absolviert habe, gab es eine Unterrichtsstunde, die hieß Yoga Sculpt. Es gab einen Korb, in dem sich ein bis drei Kilogramm schwere Kurzhanteln befanden, und man durfte sich seine Kurzhanteln heraussuchen, bevor es auf die Matte ging. Dann wurden Yogahaltungen im Flow mit Kurzhanteln absolviert. Ich habe gar nichts gegen solche Yoga-Spielarten. Denn im Grunde war das eine gute Idee. Es ging nämlich darum, denjenigen, die nur Lust auf Yoga hatten, ein bisschen Krafttraining unterzujubeln. Es hat also so ziemlich alles seine Berechtigung (außer vielleicht Bier-Yoga …). Ich finde nur, es muss immer vorher klar sein, was der Sinn der Praxis ist. Andere stark machen. Auf psychischer Ebene mag Boot Camp Style im Yogaunterricht da nicht das Richtige sein, auch wenn es sich im ersten Moment vielleicht passend anhört. Aber ohnehin stellt sich die Frage, warum der Mensch manchmal gemein sein möchte? Wir meinen vielleicht, dass wir uns dadurch stärker machen, aber in Wahrheit sind wir in solchen Momenten doch nur selber schwach, oder?

Yogalehrer/innen – Wie wir sprechen

Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung für Weiterbildungen für Yogalehrende. Alle genannten Fortbildungen empfehle ich hier guten Gewissens und ohne dafür bezahlt zu werden.

Als ich begann, über diesen Blog nachzudenken und mir einen Namen für meine Webseite überlegte, stand dem Coffee Drinking Yogi zunächst noch ein anderer Begriff gegenüber. Chakra Number Five. Ich weiß nicht warum, aber ich habe eine besondere Beziehung zum fünften Chakra, dem Kehlkopfchakra oder auch Vishuddha Chakra. Nicht dass ich denke, dass es immer ausgeglichen ist – im Gegenteil. Aber es ist das Chakra, dessen Optimierung ein besonderes Ziel meiner Yogapraxis ist. Vielleicht weil mein erster Beruf Journalistin war und ich immer noch mit dem Schreiben, also Worten, Geld verdiene. Worte sind für mich etwas Besonderes, auch wenn ich mir bewusst darüber bin, dass es viele verschiedene Arten der Kommunikation gibt. Ich weiß aber auch über die Macht der Worte, ich weiß, was Worte anrichten können und ich glaube, dass ich häufig merke, wenn ich meine Worte fälschlich eingesetzt habe. Das fünfte Chakra hat aber auch etwas mit Zuhören zu tun, auch darin übe ich mich noch. Das fünfte Chakra in Einklang zu bringen, finde ich erstrebenswerter als das siebte. Sie bedingen ja auch einander. Aber trotzdem: Für mein „irdisches“ Sein macht es mehr Sinn, die Optimierung des fünften Chakras anzustreben, als so ein hohes Ziel, wie das eines ausgeglichenen Kronenchakras überhaupt für mich in Anspruch zu nehmen. So sehe ich das. Den Namen Chakra Number Five fand ich dann deswegen lustig, weil ich mich dabei an den Song „Mambo No. 5“ von Lou Bega erinnert fühlte. Dieses verrückte Lied, das nicht mit meinem Musikgeschmack zu vereinbaren ist, avancierte einen Sommer lang zum Gute-Laune-Hit der Nation. Es war 1999, ausgerechnet auch der Sommer, als ich mein Abitur gemacht hatte … Also, wenn du noch auf der Suche nach einem guten Namen für deinen Yogablog bist: bitteschön, gern geschehen.

Wie wir als Yogalehrer Sprache einsetzen

Und als Yogalehrer? Wie sollen, dürfen wir Sprache eigentlich einsetzen? Für mich hat es sehr viel mit dem Vishuddha Chakra zu tun. Das Thema kommt in der Yogalehrer-Ausbildung häufig zu kurz, die Zeit ist ja auch viel zu knapp. Deswegen macht es Sinn, sich nach Abschluss der Ausbildung mit diesem so wichtigen Bereich unserer Arbeit auseinanderzusetzen. Es gibt dazu auch tolle Ausbildungen und Workshops, beispielsweise „Articulate“ von Annika Isterling oder das Sprech-, Ausdruck- und Rhetoriktraining mit Johanna von Löchtern bei Pureyoga Ludwigsburg (übrigens vermutlich das letzte Sprachtraining für Yogalehrer, das sie auf diese Art anbieten wird!). Evelyn Schneider von yoga:yes bietet mit „Didaktik als Yogalehrer – Die Macht der Worte“ einen interaktiven Online-Kurs mit freier Zeiteinteilung an.   

Die Sprache ist beim Yogaunterricht nahezu das wichtigste Tool. Nur über sie können wir transportieren, was unsere Schüler tun sollen, sie in eine Haltung bringen aber vor allem doch auch in einen Zustand: nämlich den Zustand des Eins-mit-sich-Seins. Das transportieren wir über Worte, Gesten, unsere Haltung. Wir wollen als Yogalehrende nicht, dass unsere Schüler/innen uns permanent beobachten müssen, denn dann können sie sich kaum auf den eigenen Körper einlassen. Demnach ist das gesprochene Wort also auch sehr wichtig für Yogalehrer/innen.

Die Beziehung „Sender und Empfänger“

Es ist wichtig, was der Empfänger versteht und als Sender – und das ist der/die Yogalehrer/in  – hat man die Verantwortung dafür. Natürlich liegt es dann auch wieder am Empfänger, also den Schülern/innen, was verstanden wird. Aber das können wir deutlich beeinflussen, egal, in welchem Zustand unsere Teilnehmenden zur Stunde erschienen sind. Niemand kann wissen, mit welchen Sorgen oder Freuden unsere Teilnehmenden gerade in unsere Stunde kommen, aber es liegt an uns, wie sie den Raum wieder verlassen. Wenn du dich fragst, wie du deinem Yogaunterricht mehr Tiefe geben kannst, dann stell dir die Frage, was du eigentlich wirklich deinen Schülern/innen mitgeben möchtest. Wie sollen sie den Unterrichtsraum verlassen?

Fünf Tipps für deine Kommunikation im Yogaunterricht

Hier kommen fünf Tipps, wie deine Kommunikation im Yogaunterricht klarer werden kann und deine Stunden durch die Macht der Worte einen tieferen Sinn bekommen können. 

  1. Sei dir bewusst, dass Beziehung immer vor Inhalt geht. Manche Menschen passen einfach nicht zusammen, egal wie toll die Inhalte sind, die sie transportieren. Das hast du sicher auch schon selbst während einer Yogastunde gespürt. Ein toller Lehrer, eine gut geplante und durchdachte Sequenz – und trotzdem, irgendwie konnte der Lehrer dich nicht überzeugen. Das ist in Ordnung und ganz normal. Und deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn du gewisse Schüler/innen nicht überzeugen kannst. Bleibe authentisch. Vertraue auf deine Wahrnehmung. Am wichtigsten ist, dass du weißt, was du deinen Schülern/in geben möchtest. Und dann beginne, auf deine Wortwahl zu achten. Wähle deine Worte achtsam und sei dir bewusst, dass du Menschen verschiedenster Herkunft, Kultur, Geschlechter, Körper und Stimmungen vor dir hast.
  2. Achte nicht nur auf das gesprochene Wort sondern auch auf deine Körpersprache. Wichtig ist, dass wir uns mit dem, was wir unseren Schülern/innen weitergeben möchten, assoziieren können. Das heißt, ich muss selbst verkörpern, was ich weitergeben möchte. Stell dir vor, dein Lehrer oder deine Lehrerin steht mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und kaut auch noch lässig auf einem Kaugummi herum. Damit würde er oder sie sich aus der Situation herausziehen, eine teilnahmslose Haltung assoziieren und den Teilnehmenden wohl kaum helfen, sich in die richtige Stimmung zu begeben. Stattdessen kannst du als Lehrer/in mit den Schülern/innen mitatmen, die Hände mit dem Einatmen heben und dem Ausatmen senken, dich mit der Einatmung aufrichten und beim Unterrichten nicht die Schultern hängen lassen, sondern bewusst deine Präsenz zeigen.
  3. Achte auf deine Stimme. Eine hohe Stimme vermittelt häufig Panik, Kurzatmigkeit. Eine tiefe Stimme strahlt Erdung, Gelassenheit und Ruhe aus. Das ist besonders für Frauen eine Herausforderung, aber sei dir bewusst: Stimmtraining kann vieles bewirken. Jeder Mensch kann sein volles Stimmpotenzial erfahren, erlernen und ausnutzen. 
  4. Sei positiv! Sprich davon, was deine Teilnehmenden dürfen und können, statt darüber, was sie nicht dürfen, nicht können oder müssen …
  5. Zuletzt möchte ich dir diesen Text von Ulrike Schäfer von Fuck Lucky Go Happy ans Herz legen. Ich habe daraus sehr viel gelernt und meine Lehrer-Sprache komplett hinterfragt. Mich auch gefragt, welche Menschen ich mit meinem Stil wohl anspreche und welche nicht. Und ob ich daran etwas ändern will und wenn ja, was.

Ich freue mich auf die Zeit, in der ich nicht weiterhin während ich Asanas „vorturne“, ins Mikro hecheln muss, sondern wieder durch den Raum wandern, meine Schüler berühren darf, sie sehen kann und ihre Atmung höre. Du auch?