Vor einigen Jahren habe ich die Entscheidung getroffen, zu Jahresbeginn auf gute Vorsätze zu verzichten. Die Erfahrung zeigt, dass wir häufig an Vorsätzen scheitern, weil wir am 1. Januar von Null auf Hundert schiessen wollen. Damit muten wir uns zu viel zu. Gegen Ende des letzten Jahres, das für alle von uns große Herausforderungen mit sich brachte, habe ich mir die Frage gestellt, was mir im neuen Jahr wirklich wichtig sei. Unter anderem war da der Gedanke, dass ich mit der Umwelt schonender umgehen wolle. Klimaschutz liegt mir am Herzen. Auch weil ich kleine Kinder habe, deren Zukunft auf diesem Planeten nicht gerade rosig aussieht, wenn sich in Sachen Klimaschutz nicht massiv etwas ändert. Ich habe mich gefragt, was ich besser machen kann. Und mir vorgenommen, am Ende des Jahres 2021 einen kleineren ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, als im Jahr zuvor. Dabei bin ich seit vielen Jahren Veganerin und weiß daher, dass ich sowieso einen gewaltigen Beitrag leiste. Doch das reicht mir nicht. Ich habe eine Freundin von mir um Rat gefragt, wie wir alle Umweltschutz Stück für Stück in unseren Alltag integrieren können. Realistisch und umsetzbar. Ich habe genau diese Freundin von mir unter anderem daher ausgewählt, weil ich sie von früher kenne und wir beide in einer Zeit erwachsen geworden sind, in der wir glaubten, man müsse Weichspüler in Waschmaschinen kippen, nur weil es die eigenen Eltern nicht getan haben. Wir waren nicht informiert genug, zu wissen, was das bedeutete und dass es unheimlich überflüssig ist. Wir sind beide in einer Zeit erwachsen geworden, in der wir glaubten, unser erstes selbst verdientes Geld vor allem für Klamotten und Schuhe ausgeben zu müssen. Heike Ulrich hat nach ihrem Studium eine steile Konzernkarriere hingelegt. Dann hat sie sich gegen Geld und für ihr Herz entschieden. Sie arbeitet heute für die bio verlag gmbh, die das Bio-Kundenmagazin Schrot&Korn herausgibt, lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern im Spessart und liebt die Natur.
Dein Instagram-Profil hat einen Namen, der dich gleich in eine Schublade steckt: Oekofamily_Unterfranken nennst du dich da. Wie bist du denn darauf gekommen?
Wir waren in unserem Umfeld schon eine Art Vorreiter in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Viele meiner Freunde haben diesen Wandel bei mir wahrgenommen – genau wie du auch. Das Label „Ökotante“ wurde immer häufiger spaßeshalber von meinen Freunden verwendet. Und ich muss sagen: Ich bin natürlich froh, wenn mich jemand so wahrnimmt. Das ist nichts, wofür ich mich verstecken möchte. Für mich ist der Begriff absolut positiv besetzt. Wenn man sich um Ökologie schert, kann das nur gut sein. Daher habe ich gerne – aber natürlich auch mit einem zwinkernden Auge – diesen Namen gewählt. Es ist aber in der Tat auch das, was ich auf Instagram von unserem Familienleben zeige: Wir sind vor allem viel draussen. Wir lieben die Natur. Das ist authentisch.
Gab es ein spezielles Ereignis, einen Aha-Moment in deinem Leben, der dich zu dem Punkt gebracht hat, umdenken zu müssen?
Vor rund 15 Jahren habe ich während meines Studiums der Internationalen Betriebswirtschaftslehre eine Seminararbeit zum Thema Bananenhandel geschrieben. Ich habe mich sehr intensiv mit fairem Handel auseinandergesetzt und das hat mich in meinem Kaufverhalten nachhaltig beeinflusst. Es hat einen Stein ins Rollen gebracht, der vor Herausforderungen stellte, denn dieses Rad lässt sich ja ewig weiterdrehen. Ich habe aber ziemlich schnell dann gemerkt: Klar kaufe ich mir nur das, was ich mir auch leisten kann, aber meistens kann man eben diesen einen Euro mehr ausgeben, der den Unterschied macht, also das Bioprodukt ist oder das Produkt, das fair gehandelt wurde.
Ihr seid eine vierköpfige Familie, deine Kinder sind im Grundschul- und Vorschulalter. Wie vermittelst du ihnen, dass ihr euren ökologischen Fußabdruck möglichst gering halten möchtet?

Unsere Kinder sind mit dem Biothema aufgewachsen. Es ist für sie normal. Wir sprechen eben auch darüber, warum wir beispielsweise kein abgepacktes Fleisch kaufen und so weiter. Als meine Tochter drei Jahre alt war, sagte sie von sich aus zu mir, wenn Fleisch auf dem Tisch stand: „Mama, ist da ein Tier drin? Musste es dafür sterben? Wollte es das?“ Ich mache aus diesen Themen aber kein Dogma. Ich glaube, dass Überzeugung nur entsteht, wenn man sich frei entscheiden kann, die Wahl hat.
Ich habe diesen Winter mein Badezimmer auf den Kopf gestellt, Produkte weggeworfen, die ich kaum bis gar nicht nutze – da kam so einiges zusammen –, meine Pflegeprodukte komplett auf Bio umgestellt, Trockenshampoo statt aus der Flasche, Menstruationscup statt Tampons, und so weiter. Das war ehrlich gesagt, ziemlich leicht. Hast du ein Beispiel aus der Praxis, wie kann man damit beginnen, einen kleinen Schritt zu machen, der unter Umständen große Wirkung hat?
Ein Tipp von mir ist: Da anfangen, wo es leicht fällt. Wir dürfen uns sagen, dass wir nicht die ganze Welt retten können. Also genauso wie du es mit dem Badezimmer gemacht hast. Wer sich mit den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit beschäftigt, fühlt sich häufig erst mal wie gelähmt. Denn da ist ein Riesenberg an Herausforderungen, es fängt beim Tierleid an und hört noch lange nicht bei der Fashion-Industrie auf. Ich habe es also so gemacht, dass ich mir die Frage stellte: Worauf kann ich verzichten? Ich erinnere mich noch an mein Konzernleben. Da standen bestimmt 70 Paar Pumps in meinem Schrank. Heute weiß ich: Das braucht kein Mensch. Vor zwei Jahren ging unser Trockner kaputt. Da fragten wir uns dann: Brauchen wir einen Trockner? Am Anfang fand ich es etwas nervig, Wäsche immer raushängen zu müssen, heute denke ich: Wo ist das Problem? Das Leben mit Trockner ist längst vergessen … Wir haben eins von zwei Autos abgeschafft, haben mit den Kindern über Wege, Energie zu sparen, gesprochen. Da gibt es kleine Dinge, wie beispielsweise Licht nicht brennen zu lassen, Wasser zuerst im Wasserkocher vorzukochen, bevor wir Nudeln damit kochen, das Wasser im Badezimmer nicht lange laufen zu lassen, die Rückseiten von Papier bemalen, und so weiter. Solche Sachen verstehen Kinder sehr gut. Ich nähe viel selbst für die Kinder, auch aus Kleidern, die ich vorher getragen habe. Wir kaufen Kleidung für die Kinder gerne gebraucht. Bei Schuhen mache ich eine Ausnahme.

Wie erklärst du den Kindern, dass das geliebte Plastikspielzeug eigentlich Mist ist …?
Ich sage manchmal tatsächlich: Wir können uns nicht sicher sein, dass andere Kinder vielleicht arbeiten mussten, damit dieses Spielzeug entstehen konnte. Ich erkläre es ihnen immer so, dass es mit ihrer Lebenswelt zu tun hat. Ich bin auch der Ansicht, dass man Kinder vor solchen Sachen nicht hundertprozentig schützen kann und deshalb offen, aber altersgerecht mit ihnen darüber reden soll. Es macht keinen Sinn, ihnen Angst zu machen, aber ihr Bewusstsein schärfen kann man schon. Wir machen bei Baumpflanzaktionen mit, laufen viel im Wald herum und sammeln auch Müll ein. Plastikmüll im Meer ist ein großes Thema – das verstehen Kinder auch gut. Wir haben zwar vergleichsweise wenig Plastikspielzeug, aber das was wir haben ist zumindest langlebig und teils sogar Second Hand.
Du hast das ja eben schön beschrieben, mit diesem Berg, der sich ins Unermessliche erhebt: Viele meiner Freundinnen sind überfordert mit dem Thema, weil sie, sobald sie sich mit Klimaschutz beschäftigen, das Gefühl haben, alles sei aussichtslos. Irgendwo scheint immer ein Haken zu sein. Wie ermutigst du solche Menschen, den ersten Schritt trotzdem zu gehen?
Jede Kleinigkeit hilft. Das klingt vielleicht wie ein blöder Werbespruch, ist aber wahr. Stell dir vor, jeder*jede leistet einen kleinen Beitrag in einem Feld, was ihm*ihr leicht fällt – dann wären wir schon wahnsinnig weit. Ich finde, es muss klar sein, dass man nicht alles gleichzeitig machen kann. Manchmal schließt es sich eben auch aus regional, fair, bio und dann auch noch plastikfrei zu kaufenn. Da muss man sich locker machen. Unsere Kinder lieben Avocado – also bin ich froh, dass sie etwas so gesundes so gerne essen und kaufe auch mal ab und zu eine. Aber Potenzial hat man immer. Auch in Sachen Verpackungsmüll hat meine Familie noch welches. Das größte Verbesserungspotenzial haben wir definitiv bei Mobilität – wir benutzen nie den ÖPNV. Ich finde, wenn man sich in dem Dreieck bio, fair oder regional bewegt, dann macht man schon mal vieles richtig.