„Namaské“ – Und wenn es nur ein Zeichen ist?

Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung, und zwar Werbung für das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, im Besonderen für den von Armedangels.

Ich schreibe diesen Text ohne Fakten auf den Tisch zu legen. Ich könnte recherchieren, warum Wissenschaftler das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes empfehlen, gleichzeitig würde ich irgendwo jede Menge darüber finden, warum die Atemschutzmasken-Gegner das Gegenteil beweisen werden. Mache ich alles nicht. Warum ich Masken trage, steht weiter unten im Text. Mich beschäftigt viel mehr die Frage, warum wir eigentlich ein Problem damit haben, diese Masken zu tragen. Warum das Thema Atemschutzmaske die Gesellschaft spaltet. Warum wir uns über ein kleines Stück Stoff so sehr aufregen, obwohl es unser Leben doch gar nicht so sehr beeinträchtigt. Das interessiert mich. Und während ich mich damit beschäftigte, wurde mir klar, dass das Tragen von Atemschutzmasken eigentlich sehr yogisch ist.

Ein Oberflächenproblem

Das Individuum wird in unserer Kultur gefeiert. Wir erzählen schon unseren kleinsten Kindern, dass sie einzigartig und wunderbar sind. Wir versuchen krampfhaft, so zu erziehen, dass sie ja auch spüren, dass jede Facette ihres Seins ihre Berechtigung hat und uns als Menschen ausmacht. Das ist gut und soll auch so bleiben. Aber vielleicht ist es das, was dazu führt, dass wir ein Problem damit haben, einen Mundschutz zu tragen. Warum regen wir uns so sehr darüber auf, dass wir Mund und Nase  – beim Einkaufen beispielsweise – mit einem Stück Stoff bedecken sollen? Vielleicht glauben wir, wenn das Gesicht unsichtbar sei, dann seien auch wir nicht mehr individuell, einzigartig, unverkennbar. Das ist aber Quatsch. Denn wir bleiben wer wir sind. Nur eben nicht an der Oberfläche. Das Mundschutz-Problem könnte also auch ein Oberflächenproblem sein. 

Nur Höflichkeit

Ich gebe zu, meine Meinung im Bezug auf den Mundschutz hat sich in den vergangenen acht Monaten verändert. Noch vor einem Jahr habe ich Menschen verwundert wahrgenommen, die am Flughafen, am Bahnhof oder in der Innenstadt mit einer Atemschutz-Maske herumgelaufen sind. Heute weiß ich, dass das Unwissenheit von mit war. Nahezu Dummheit. Denn diese Menschen wollten nichts anderes, als mich schützen. Darauf gekommen bin ich erst durch das Gespräch mit einer Japanerin. Die engste Freundin meiner Tochter ist Halb-Japanerin. Als wir Mütter uns – aufatmend, dass es endlich wieder erlaubt war – nach Pfingsten mit unseren Kindern draußen verabredet hatten, sprachen wir natürlich auch über Covid-19, über unsere unterschiedlichen Kulturen und wie wir mit der neuen Situation umgingen. In Japan ist Mundschutz tragen nicht erst seit Corona en vogue und was für uns alle bislang vielleicht wie eine übertriebene Vorsichtsmassnahme aussah, ist für die Japaner nichts anderes als ein Stück Höflichkeit. „Wir sind so aufgewachsen“, sagte Etsu zu mir. „Sobald wir husten oder niesen müssen, ziehen wir uns einen Mundschutz an. Es ist Höflichkeit gegenüber den anderen Menschen.“ Deswegen hatte sich für die Japaner diesbezüglich nicht viel geändert. Dort hat sowieso jeder einen Mundschutz dabei. Diese Erklärung hat mir ausgereicht. Und in ihr liegt natürlich auch die Krux, denn ich bin mir sicher, würde ein Mundschutz vor allem den Träger schützen, würden weniger Leute sich beim Tragen so anstellen. Er schützt aber – vermutlich – vordergründig die anderen und das scheint das Problem zu sein. Warum eigentlich? Ist das nicht schade? 

Ich verbeuge mich vor dir – aber ich niese dich auch gerne an

Im Yoga geht es nicht nur um Asanas, also darum, wie weit ich meinen Körper in besondere Haltungen bringen kann. In der ursprünglichen Philosophie ist Yoga ein Weg, genauer ein achtgliedriger Pfad, der am Ende zur Erleuchtung – was immer das auch bedeuten mag – führen soll. Noch vor dem Üben von Asanas, nämlich an allererster Stelle des achtgliedrigen Pfades, stehen die Yamas, fünf ethische Prinzipien der Enthaltung. Die Yamas sind eine Anleitung, wie man sich gegenüber seiner Umwelt verhalten sollte. Jedes Yama-Prinzip ist gleichzeitig eine Übung im Glauben und dessen Umsetzung in eine Handlung. Das erste Prinzip der Yamas heißt Ahimsa und bedeutet so etwas wie Gewaltlosigkeit. Viele Yogis schreien das gerne besonders laut heraus und erzählen dann anderen, dass sie kein Fleisch essen dürfen und keine Ameisen umbringen sollen. Kann man so machen. Aber Ahimsa bedeutet auch: niemanden mündlich zu verletzen, niemandem zu schaden auf der Ebene des Sprechens, des Handelns und des Denkens. Das ist nicht einfach, ich behaupte nicht, dass ich das zur Perfektion beherrsche. Natürlich nicht. Immer sanftmütig zu denken und zu handeln, das ist kaum möglich. Ich nehme es gleich vorweg: Ich bin gut darin, mit den Augen zu rollen. Niemand von uns schafft es, von oben bis unten Gutmensch zu sein. Bestimmt hat jeder von uns schon mal etwas gekauft, weil es billig war und wir haben nicht darüber nachgedacht, warum es billig ist und dass diejenigen, die es herstellen mussten, ganz bestimmt ausgebeutet wurden oder dass Tiere dafür sterben mussten. Passiert. Ist nicht schlimm, so lange wir uns mehr und mehr darüber bewusst werden und versuchen, es besser zu machen. Wie gesagt, es geht uns ja allen so. Ahimsa bedeutet zum Glück ja auch, dass wir sogar mit uns selbst nachsichtig sein dürfen. 

Aber was Ahimsa für mich am allermeisten bedeutet, ist, mit seiner Umwelt und dazu zählen nun mal auch Menschen, rücksichtsvoll umzugehen. Und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wenn ich mich in den Supermarkt, auf die Bank oder in sonst ein Gebäude oder Verkehrsmittel begebe, in dem sich viele andere Menschen befinden, ist nichts anderes, als rücksichtsvoll. Ganz abgesehen von Corona, wäre es ja auch schön, wenn man auf die eine oder andere Erkältung verzichten könnte. Und wenn der Mund-Nasen-Schutz, den ich beispielsweise am Tag bestimmt nicht länger als 20 Minuten tragen muss, meinen Gegenüber vor einer Erkältung schützt, dann ist das schon ziemlich grandios. Zu Beginn der Corona-Krise, ich glaube, es war gerade Anfang April, schrieb Sven Stockrahm in der Zeit einen Bericht zur Maske. Da war sie noch nicht Pflicht. „Vielleicht sind Masken nur ein bisschen mehr als ein Zeichen. Na und?“, schrieb er da. Der Mundschutz symbolisiere auf jeden Fall eines: „Ich kann nicht wissen, ob ich infiziert bin, aber ich versuche, euch nicht anzustecken.“ Mal ehrlich, ist das nicht eigentlich das Mindeste, was jemand, der versucht, Ahimsa zu leben, in der Corona-Pandemie machen kann?

Nicht ohne meinen Speichel

Namasté, der Gruß der Yogis, heißt „Ich verbeuge mich vor dir“. Das ist die simple Übersetzung. In Wahrheit heißt es viel mehr als das. Aber im Grunde genommen geht es darum, dass wir denjenigen, die uns begegnen, mit Respekt gegenüber treten sollten. Eine Maske zu tragen, bedeutet nichts anderes, als respektvoll zu handeln. Sie schützt nämlich auch davor, dem anderen eine ordentliche Portion unseres Speichels zu verabreichen – egal ob wir krank sind oder nicht.

3 Kommentare

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