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Tadasana in jedem Asana – wie wir Haltung üben

„Tadasana in jedem Asana“, sagte meine Yogalehrerin in Kalifornien immer. Damit machte sie vermeintlich Widersprüchliches klar: Der Berg, oder auch „Tadasana“ ist gar keine einfache Yogahaltung. Doch: gelingt es uns, Haltung anzunehmen, werden auch komplizierte Asanas einfacher …

Beziehung zur Erde

Asana – das bedeutet eigentlich „Beziehung zur Erde“. Es heißt auch „Sitz“ und das verdeutlicht, dass Yoga ursprünglich, also so ungefähr vor 2000 Jahren oder so – wer weiß es schon genau? –, vor allem im Sitzen praktiziert wurde. Die Asanas, die wir heute kennen und auf der Matte als Yogahaltungen üben, sind zum Teil keine 100 Jahre alt. Früher wollten Yogaübende den Körper mobilisieren, um länger im Meditationssitz verweilen zu können. Sie wollten die Wirbelsäule dabei mühelos aufgerichtet halten, um Energie durch alle Chakren fließen lassen zu können.

Stabil und leicht – klingt umwerfend!

Asana kann aber auch so etwas wie der Sitz, auf den ich mich setze, bedeuten. Und nicht zuletzt hat es etwas mit der eigenen Haltung zu tun. Damit ist nicht nur die körperliche, sondern die innere gemeint. Die Haltung, die wir zum Leben einnehmen oder die, die wir anderen Menschen und auch Dingen gegenüber einnehmen. Wie die Beziehung zur Erde auch, sollte unsere Haltung – gerade beim Yoga üben – stabil und leicht sein. Klingt das nicht umwerfend? Davon, gerade stabil und leicht durchs Leben gehen zu können, wünsche ich mir jetzt so viel, wo hier drinnen wie draussen alles chaotischer nicht sein könnte. Sogar das Wetter macht was es will.

Und deswegen: Tadasana

Damit uns Leichtigkeit und Stabilität während der Asana-Praxis gelingt, brauchen wir ein stabiles Fundament. Das kann fast jeder mit der Berghaltung üben. Berg bedeutet auf Sanskrit „Tada“. Während viele Schüler/innen glauben, es handele sich dabei um eine sehr simple Haltung, ist das doch eigentlich gar nicht so einfach: Aufrecht zu stehen, ohne die Schultern hochzuziehen, die Bauchmuskeln etwas anzuspannen ohne den Bauch panisch einzuziehen, die Füße so zu positionieren und das Gewicht optimal zu verteilen, damit sich unser Fußgewölbe richtig ausbilden kann, die Oberschenkel und die Schienbeine leicht nach innen zu ziehen, während die inneren Knöcheln eher nach hinten ausgerichtet sind und die äußeren Knöcheln nach unten. Hä? Und dann weiter: Das Becken neutral halten, das Schienbein Richtung Steißbein ziehen, den Rücken lang lassen und die vorderen Rippen zusammenziehen? Und dann sagt der Lehrer: Entspanne die Wirbelsäule. Geht’s noch? Ja.

Körperbewusstsein, wie geht das eigentlich?

Körperbewusstsein zu schulen – auch darum geht es bei der Asanapraxis. Und gleichzeitig immer die Frage: Wie ist meine Beziehung zur Erde nun? Stabil und leicht? Yoga sollte keine Schmerzen verursachen. Das wird in der heutigen Zeit, in der wir doch alle auf Leistung ausgerichtet sind, häufig vergessen. Doch noch lieber eine Position einnehmen, die Instagram-like in Szene gesetzt werden kann. Ich gebe aber zu: Die Grenze zu finden, zwischen dem Üben in komplizierten Haltungen eine stabile und leichte Haltung einnehmen zu können, und dem übertriebenen Üben von imposanten Posen und tiefen Stretches, ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft die Schulung des Körperbewusstseins. Wie geht es mir in dieser Haltung? Soll ich weitergehen oder ist das zu viel für mich? Wenn wir diese Fragen in unserer Asana-Praxis betrachten, sie ernst nehmen und lernen zu beantworten, dann können wir das auch auf unseren Alltag übertragen, lernen Stopp zu sagen oder zu verstehen, wenn etwas nicht stimmt. Damit wir das spüren, sind ruhige und einfache Posen, bei denen wir zur Ruhe und in die Stille kommen, im Yoga unabdingbar. Ich komme nur darauf, weil mir kürzlich jemand die Frage stellte, ob Yoga und Meditation denn nun zwei verschiedene Sachen wären. Sie sind untrennbar miteinander verbunden.

Finde deine eigene Haltung

Tadasana korrigiert Fehlstellungen unseres Körpers, die wir im Alltag kaum wahrnehmen. „Die Kunst des fehlerlosen Stehens“, nannte B.K.S. Iyengar die Übung einst. Energetisch lehrt uns die Berghaltung, uns zu erden, Balance zu finden und Klarheit. Die „richtige“ Haltung einzunehmen, ist auch im übertragenen Sinne nicht leicht. Das wird in Zeiten wie diesen besonders deutlich. Mir hilft die Matte und damit die Asana-Praxis zusammen mit Pranayama – also der Atemübung – zu meiner eigenen Haltung zurückzufinden. Manchmal macht es mir einfach auch nur gute Laune. Das ist dann wiederum gut für die Menschen, gegenüber denen ich eine Haltung einnehmen muss.