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The final C-ountdown

Vielleicht ist das, wenn man Heilig Abend mit der Dreijährigen in der Notaufnahme sitzt, schon der Wink vom Universum: „Ja, du hast viel gelernt 2021, aber das Jahr hat noch einiges zu bieten. Kannste von ausgehen …“

Die Bescherung zuhause verspätete sich nur um etwa eine Stunde. Meine Tochter war unglücklich auf die Heizung gestürzt – Loch im Kopf. In der Notaufnahme der Uniklinik wurden wir freundlich empfangen und kamen – entgegen meiner Befürchtungen – schnell an die Reihe. Weihnachten war noch nicht verdorben. Und ich war so dankbar. Weil mir in der sterilen Umgebung des Krankenhauses mit blauen Lichterketten am Fenster doch bewusst wurde, dass die meisten hier weitaus größere Probleme hatten, als Platzwunden am Hinterkopf. …Dass die meisten hier nicht so schnell wieder raus konnten und garantiert nicht um den Tannenbaum tanzen würden.

Der C-Test

Und dann kam der 27. Dezember, der Tag nach Weihnachten also. Die Zeit, auf die ich mich in diesem Jahr wirklich gefreut habe. Dabei kann ich mich nicht immer mit der Leere der Tage zwischen den Jahren anfreunden. Denn Advent hat für mich eine besondere Bedeutung und das was danach kommt, ist irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes: Das Jahr ist so gut wie vorbei, aber das Neue hat noch nicht angefangen. Diesmal jedoch sehnte ich mich nach Langsamkeit und zäh fliessenden Stunden. Ich wollte nachdenken, lesen und mich mit aller Aufmerksamkeit den Kindern und meiner Familie widmen. Ich wollte ein wildes Jahr Revue passieren lassen, das (scheinbar) alles zu bieten hatte und ich wollte meine Visionen für 2022 manifestieren. Vom Einzug ins neue Haus träumen. Und dann mit voller Wucht im Januar die neuen Jobs starten. 

Sofort Symptome!

Aber dann – ich hatte noch keinen Kaffee getrunken und nicht gefrühstückt – rief mein Mann aus seinem Büro an und sagte, sein Corona-Test sei positiv.  Und von diesem Zeitpunkt an schenkte mir 2021 noch mal so richtig ein. Ich spürte alles und nichts. Vor allem konnte ich nichts essen und nichts trinken. Man hat sofort Symptome. Die Frau vom Gesundheitsamt lachte Tage später, als ich, auf ihre Frage nach Symptomen sagte: „Nachdem mein Mann mir von seinem positiven Schnelltest erzählte, hatte ich Kopfschmerzen. Zählt das?“ Besonders spürte ich aber Schwere. Schuld. Scham. Das habe ich selten so erlebt. Ich sah bereits am 27. so blass aus, als hätte ich seit sieben Tagen Corona. Ich war wütend auf meinen Mann und schaffte es gerade noch so, die Kurve zu kriegen. Was sollen diese verdammten Schuldzuweisungen in einer Pandemie? Es ist wahrscheinlich nicht möglich, sich nicht irgendwann irgendwo anzustecken. Es kann jedem passieren. Wir waren immer vorsichtig. Wir haben Geburtstage – außer die der Kinder – nicht gefeiert, uns letztes Jahr Silvester nur mit einem weiteren Paar getroffen. Wir verzichteten auf die Hochzeit meiner Kousine. Fahren seit zwei Jahren nur im Sommer zu meinen Eltern. Meinen noch nicht ganz einjährigen Neffen habe ich erst einmal gesehen. Covid kann jeden treffen. Und es tut mir leid aber ich befürchte, es wird fast jeden treffen. Ich tat das einzig Richtige: Ich verwandelte das Wutgefühl in Sorge um ihn. Das PCR-Ergebnis kam noch am selben Tag. Positiv.

Ingwer gegen Corona

Nachts lag ich wach. Ich fragte mich, wie lange das in der Quarantäne so sein würde? Wie lange man schlaflose Nächte haben würde, aus Sorge um andere und die Kinder oder ob das irgendwann weg gehen würde, wie alles, an das man sich so Schritt für Schritt gewöhnt. Da ist ständig die Frage: Wen haben wir angesteckt? Am nächsten Morgen presste ich Ingwersaft, trank Salbeitee, schob den Kindern löffelchenweise Tee in den Mund und Vitamine. Ich übte zwischendurch Pranayama. Dabei wechselte sich der Gedanke: „Ich rette mich mit allen Haustricks, die es nur so gibt“ mit dem „Das haben wohl auch schon andere alles versucht“ im Fünfminuten-Takt ab. 

Fiese Grippe, leichter Verlauf

Einen Tag später war auch mein PCR-Test positiv, meine Nase begann zu laufen und noch mal einen Tag später hatte ich dann das, was Virologen als einen leichten Verlauf bezeichnen: fiese Grippesymptome. Die Tage verliefen trotz dickem Kopf erstaunlich schnell. Noch nie stand nach Weihnachten so schnell Silvester vor der Tür. Ich hatte keine Sekunde Zeit gehabt, über mein Jahr nachzudenken. Stattdessen mehrmals mit der Kassenärztlichen Vereinigung, dem Gesundheitsamt, meiner Hausärztin, Arbeitskollegen, meiner Familie telefoniert. Ich schleppte mich durch Grippetage. Die Nächte wurden besser. Besser als die Tage. Ich konnte schlafen, und spürte, dass mein Körper die Erholung dringend nötig hatte. 

Kater ohne Party

Silvester verpennte ich. Das war auch nicht anders zu erwarten. Der 1. Januar fühlte sich an, als hätte ich den übelsten Kater meines Lebens. Nur hatte es vorher keine Party gegeben. Was für ein Jahresanfang, dachte ich und sah plötzlich in allem nur grau. Und dann kam der 2. Januar und mit ihm offenbar irgendein Hormoncocktail – keine Ahnung, aber alles wurde heller. Zu dem Zeitpunkt waren die Kinder immer noch negativ und mir wurde klar, dass sich die Quarantäne verlängern würde, aber was machte das schon? Ich hatte von Anfang an keine Angst vor der Quarantäne gehabt. Wir hatten ja auch schon diverse Lockdowns mitgemacht und nun verlängerte sich eben der Weihnachtsurlaub. In Schleswig-Holstein explodierten die Infektionszahlen. Omikron auf dem Vormarsch. Ich war irgendwie auf einmal froh, dass wir das offenbar jetzt, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir ohnehin zuhause waren, durchgemacht hatten. In der Zwischenzeit waren die Kinder positiv, sie blieben Gott sei Dank mehr oder weniger symptomfrei. 

Mein JA!hresmotto

Während ich noch Grippesymptome hatte, las ich das Buch von Michael Lehofer: „Die Welt sagt den ganzen Tag Ja zu uns. Aber wie oft habe ich das Ja des Lebens übersehen? Wir bilden uns ein, das Leben ist dann in Ordnung, wenn es den Bedingungen entspricht, die wir für ein glückliches Leben unabdingbar finden. Wenn das Wetter schön ist, ist der Urlaub schön. Solcherart entging mir in meinem Leben eine Fülle lebensspendender Ja. Das Ja ist der Sauerstoff für unseren Seelenfrieden. Wir dürfen nicht vergessen, diesen Sauerstoff einzuatmen, nur weil er nicht in der Weise an uns herangetragen wird, wie wir es erwarten.“ Das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt, würde ich sagen. Das „tägliche Ja des Lebens“ wurde plötzlich zu meinem Jahresmotto. Das Ja sehen, auch wenn Nein manchmal zu überwiegen scheint, das finde ich, ist ein schönes Bild. Und geht es nicht letztlich darum, die Jas des Lebens zu schmecken, zu fühlen, zu riechen? Nur so entdecken wir ja jeden Tag aufs Neue wie wertvoll dieses Leben ist. Und so hatte ich dann mein Jahresmotto: „JA(hr)!!“

Testen, testen, testen

Und dann wurde es besser. Ich bin froh, dass ich geimpft bin. Ich schreibe das nicht, um andere zu überzeugen, sondern das ist meine persönliche Meinung. Mein Mann ist geboostert und hatte deutlich geringere Symptome als ich – allerdings ging die Ansteckung innerhalb unserer Familie auch von ihm aus; das bedeutet, auch mit Booster überträgt sich die Krankheit. Deswegen darf ein Booster auch nicht der Freifahrtschein für alles sein. Regelmässige Schnelltestes sind meiner Erfahrung nach unabdingbar. Die haben übrigens auch bei meinen (kleinen) Kindern sehr gut funktioniert und Ergebnisse geliefert. Testen tut nicht weh. Mein Mann und ich waren so neugierig darauf, wie unsere Schnelltests in allen Stadien der Krankheit reagieren würden, dass wir uns ständig selbst testeten. Es sollte niemand als Affront empfinden, wenn vor einem Treffen nach Tests gefragt wird. Im Gegenteil. Ich kann es nur empfehlen. Es ist niemals persönlich gemeint, sondern schützt einfach.

„Die Krankheit verläuft bei jedem anders. Auch deshalb sollten wir umsichtig beim Kontakt mit unseren Mitmenschen sein“, schreibt der Fotograf Mathias Haltenhof auf seinem Blog, der dort auch einen Erfahrungsbericht zum Verlauf seiner Krankheit veröffentlicht hat. Und genauso ist es. Ich glaube immer noch, dass wir, dafür dass wir in einer weltweiten Pandemie stecken, viele Freiheiten haben. Dass die Pandemie nervt, steht ausser Frage. Aber gemeinsam einsam ist besser als einsam einsam, oder? Das habe ich nämlich auch gelernt, in diesen Tagen: Wir haben wahnsinnig liebe Nachbarn, ein tolles Netzwerk an Menschen um uns herum, die uns geholfen haben, für uns einkauften und die Kinder zwischendurch mit besonderen Kleinigkeiten überraschten. Andere zu schützen muss immer das oberste Gebot sein. Deswegen fährt man ja auch nicht besoffen Auto. Ich weiß, das ist ein dummer Vergleich, aber letztlich dann eben auch wieder nicht. 

Psychische Belastung

Im Sommer habe ich bereits diesen Artikel gelesen und empfohlen und deswegen hat mich die psychische Belastung, der ich mich von Anfang an ausgesetzt fühlte, vielleicht nicht so sehr überrascht. Im Übrigen hatte ich mit drei verschiedenen Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes Kontakt und kann hierzu nur sagen: Das waren durchweg sehr freundliche, unterstützende Telefonate. Während die 116117 sich zum Teil eher angestellt hat, als geholfen. Aber egal. Dafür hatten wir zum Glück sehr kompetente Haus- und Kinderärzte und brauchten die Kassenärztliche Vereinigung somit nicht. Uns geht es gut. Ich bin immer noch etwas erkältet. Ich starte ziemlich positiv gestimmt ins neue Jahr. Im wahrsten Sinne des Wortes 😉 Ob ich in acht Wochen ohne Probleme joggen gehen kann, werde ich dann irgendwann hier mal ergänzen. Noch gehe ich davon aus.

Euch allen: Ein Wunder im Chaos!

An einem Dezembermorgen hatte ich mich ertappt. Alle außer mir waren aus dem Haus. Die Adventskerze flackerte. Ich hatte morgens für die Kinder Rolf Zuckowskis CD „Mein allerschönster Weihnachtstraum“ aufgelegt. Tatsächlich. In unserer Küche steht noch ein CD-Player. Eine Loewe Soundbox. Irgendwann im letzten Lockdown hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die Familie harmonischer miteinander umging, wenn Zuckowski Weihnachtsstimmung verbreitete. Nun saß ich alleine in der Küche. Und liess die Musik laufen. Zuckowski sang: „Da war mit einem Mal der Himmel nicht mehr fern. Da sang ein Engelschor: Die Welt ist nicht verloren. Und über allem strahlte hell der Weihnachtsstern.“ Ich wählte die Wiederholungsschleife. Ein Kinderlied tröstete mich. Muss ich mich dafür schämen? 

Wie 2020. Nur noch schlimmer

Wer von uns hätte wohl letztes Jahr im Dezember gedacht, dass wir auch 2021 im Advent dieselben Nachrichten lesen, dieselben Diskussionen führen, dieselben Sorgen teilen würden? Nur noch schlimmer. Weil jetzt war ja auch noch: Afghanistan, militärische Aktivitäten an der Grenze zur Ukraine, überall Konflikte und ein neues Wort, das eigentlich gar nicht so fürchterlich klang, wie es sein sollte: OMIKRON. Die Weihnachtspläne werden wir wieder verschieben müssen. Zur dänischen Familie fahren bei einer Inzidenz von über 900? Möchte ich die 800 Kilometer in einem übervollen Zug zurücklegen, um zu meinen eigenen Eltern zu kommen?

Das Kostbare kostbar lassen

Ich hatte gerade einen Blogbeitrag für ein Schweizer Reiseunternehmen geschrieben. „Corona hat uns gelehrt, zu verstehen, dass Reisen keine Selbstverständlichkeit sind“, schrieb ich da. Wir hatten sie uns einfach erschaffen: Eine Welt, in der alles möglich sein sollte und musste. Dafür überrollten wir alles, was sich uns in den Weg stellte. Das Wohl der Natur, der Tiere, der Menschen. Reisen sind kostbar. Die Erfahrungen, die wir dabei machen, noch kostbarer. Und ist nicht alles, was uns kostbar ist, auch so zu behandeln? Wir müssen wieder lernen, dass wir nicht alles in der Hand haben. Aber trotzdem bedeutet das nicht, dass ich jetzt Trübsal blase, mich aufrege, Gräben grabe zwischen denen, die anderer Meinung sind und mir. Wenn Weihnachten vorbei ist, werde ich zwischen den Jahren, der einzigen Zeit, in der Langsamkeit erlaubt ist, darüber nachdenken wie 365 Tage verlaufen sind. Es werden auch dieses Jahr mehr schöne als schlechte Erinnerungen bleiben.

Chaos. Wunder. Das ist Weihnachten

Vergangenen Dezember hatte ich ein Interview im Süddeutsche Magazin mit dem Münchener Pfarrer Rainer Maria Schießler gelesen. Da sagte er: „Wissen Sie was, die Leute reden immer von einem harmonischen Weihnachtsfest. Warum eigentlich? Als Jesus geboren wurde, war nichts harmonisch: Volkszählung, Militärtruppen, Wucherpreise, Guerilla-Anschläge, das war ein riesiges Durcheinander, und dann wird in einem Stall dieses Kind geboren, ein Wunder im Chaos, das ist Weihnachten.“ 

Dieses Bild trägt mich nun schon zum zweiten Mal durch die Weihnachtszeit. Ich schiebe es mit einem Schmunzeln vor mir her: Ein Wunder im Chaos. Das ist Weihnachten. Deswegen dürfen wir uns auch ruhig über Weihnachten freuen. Über den Christbaumstollen und die leuchtenden Augen der Kinder. Über jede neue Kerze am Adventskranz, jedes Türchen am Adventskalender. Jede Umarmung, jedes „Frohes Fest“. Den Geruch von Frischgebackenem. Geschenke unterm Tannenbaum. Und natürlich: Rolf Zuckowski. Merry Christmas. 

Lauschangriff und Lesestoff vom 26. März 2021

Als es am Montagmorgen still in der Wohnung geworden war, dachte ich an den Frühling und daran, dass ein nächster Lockdown nur leichter werden könne … Weil ich ihn einfach zum größten Teil im Garten und draussen verbringen würde. Ich höre jedenfalls schon die Vögel singen. Das rettete mich über den Tag. Und ich fragte mich, ob ich so wie jetzt, während dieser Pandemie, in Krisenzeiten immer handeln würde? Ob der Mensch immer versucht, sein Leben möglichst normal weiterzuführen? Wie ist das, wenn man in einem Kriegsgebiet lebt, fragte ich mich. Bringt man auch dann die Kinder jeden Morgen zur Kita und in die Schule und die Hunde raus? Freut man sich über die Entwicklungsschritte des Babys, fährt man zur Arbeit, macht man einfach weiter? Wahrscheinlich schon. Ich weiß es nicht. Das besonders Verrückte an dieser Pandemie ist ja, dass wir nicht wissen, was danach ist. Bleibt das Leben „anders“? Ich finde gar nicht, dass es darum geht über richtig und falsch zu diskutieren, über zu wenig Impfstoff oder gar keine Impfung, über unsinnige, vernünftige oder nicht faire Beschlüsse der Regierung. Ich glaube, es geht darum, zu überlegen, was wir alle anders machen können, damit es überhaupt nicht mehr so weit kommt. „Man kann nicht alles haben“, ist ein blöder Spruch aber ich finde ihn je mehr ich darüber nachdenke, ziemlich gut. Irgendwann haben Menschen angefangen, zu glauben, sie könnten eben doch alles haben. Aber das stimmt nicht. Hier liegt das Problem. Irgendwas und somit auch wer bleibt immer auf der Strecke. Und so gilt es, für sich selbst festzulegen, was wirklich wichtig ist …

Auf der Internetseite https://www.zukunftsinstitut.de beschreiben Forscher vier mögliche verschiedene Szenarien, wie ein Leben nach der Pandemie aussehen könnte. Es ist interessant zu lesen und sich dann vielleicht ein Wunschszenario auszusuchen oder auch selbst auszumalen …

Pandemüde oder schlapp?

Das Süddeutsche Magazin hat ein Thema aufgegriffen, auf das ich vor zwei Wochen bereits hier in meiner Lauschangriff-und Lesestoff-Serie hingewiesen hatte. Da ging es um den Podcast mit Dr. Anne Fleck. Nun erzählt sie auch im Süddeutsche Magazin, ab wann wir bei Müdigkeit die Notbremse ziehen müssen. Sie sagt beispielsweise: „Wer sich pausenlos durch den Tag snackt, kommt nie in den wichtigen Prozess der Autophagie, in der der Körper Zellschrott recycelt. Wer dauernd isst, fordert Leber und Magen-Darm-Trakt zur ständigen Arbeit heraus. Der Körper kriegt keine Ruhe, es fehlt die Zeit der Regeneration.“ Das gilt übrigens auch für Kinder …

Unter Männern …

Dieser Podcast beinhaltet ein interessantes Gespräch unter Männern: Veit Lindau und Bestseller-Autor und Coach Lars Amend sprechen eineinhalb Stunden lang sehr offen und ehrlich über die Liebe, über Männer und darüber, wie die Liebe bleibt (vor allem was Veit Lindau dazu zu sagen hat, ist schön: Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber Liebe ist, wenn man das ehrliche Interesse daran nicht verliert, zu erfahren, warum die Meinung des anderen so ist, wie sie ist …) Lars Atmend stellt darüberhinaus die interessante Frage (ungefähr ab Minute 50), wie Männer in der heutigen Zeit eigentlich ihre männliche Energie beibehalten können, „ohne dass es gegen die Frau geht“. Ein aufschlussreiches Gespräch – bestimmt nicht nur für Männer. 

Auch dieses Gespräch ist eins unter Männern. Es geht um Rassismus. Die ehemaligen Nationalspieler Erwin Kostedde und Gerald Asamoah im Interview mit dem Zeit Magazin. Wichtig und berührend.

Exklusiv-Zeit

Jetzt kommt ein Bericht über zwei Mädels. Was Katja Kröger in ihrem aktuellen Artikel auf wasfürmich schreibt, kann ich gut nachvollziehen und diese Exklusiv-Zeit mit Mama ist für die Kinder wahnsinnig wichtig. Für meine Fünfjährige gibt es Exklusiv-Zeit in Nicht-Lockdown-Zeiten jeden Montag Mittag ab viertel nach eins. Da habe ich keine Termine, das Date mit ihr ist fest im Kalender eingetragen. Es tut ihr so gut. Und mir auch. Kürzlich war das Wetter mal besonders schlecht und wir haben einfach zusammen einen Film geschaut. Ich schaue kaum fern. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, dachte, das sei pädagogisch bestimmt jetzt totaler Mist – es war wunderbar. 

Wichtig aber nicht systemrelevant

Das hier ist nicht neu, sondern aus dem Februar, aber ich wollte es als kleine Erinnerung noch einmal hier erwähnen. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass manche Leute sich von dem Begriff „systemrelevant“ triggern lassen. Dabei heißt „nicht systemrelevant“ überhaupt nicht, dass der Job nicht wichtig oder gut ist. Kristin Rübesamen erklärt das sehr schön.

Ist Yoga systemrelevant? Nein, ist es nicht. Wir Yogalehrer können niemanden retten, bei dem die Lunge versagt.

Kristin Rübesamen, YogaEasy

Darum geht es bei diesem Begriff. Um nichts anderes. Und damit weiterhin Menschen gerettet werden können – übrigens nicht nur die, bei denen die Lunge versagt, sondern alle, die in ein Krankenhaus müssen, dort liegen oder Gefahr laufen, dort zu landen, sind auch beispielsweise Erzieher/innen systemrelavent, denn die Kinder der Menschen, die in der Gesundheitsbranche arbeiten, müssen schliesslich betreut werden. Dann brauchen wir auch noch was zu essen, sonst läuft gar nichts. Punkt. Das ist es eigentlich. Ziemlich simpel. Das heißt aber nicht, dass deine Arbeit oder du nicht wichtig (b)ist. 

Quinoa-Eier?!?

Und jetzt kommt das, worauf ich mich schon freue, wenn die Osterfeiertage, neudeutsch: Ruhetage, äh oder jetzt doch nicht, eintreten. Danke Lynn, das Rezept kommt wie gerufen und ist endlich mal was anderes als all die Rezepte über vegane Osterideen, die es sonst so gibt. Ich habe gepoppten Buchweizen zuhause, klappt damit bestimmt auch. 

https://de.heavenlynnhealthy.com/knusprige-ostereier-mit-quinoa/

In den nächsten Tagen werde ich viel aufschreiben, Yoga üben, Gewichte stemmen (weil mir das gerade so gut tut) und Over Night Oats vorbeireiten. Und das Rezept dazu verlinke ich dann nächste Woche.

Lauschangriff und Lesestoff vom 19. März 2021

In der vergangenen Woche habe ich das Interview gelesen, das Teresa Bücker mit der Psychologin Taniesha Burke für das SZ-Magazin geführt hat. Das Thema: Wie können wir unsere Kinder bestmöglich durch diese Pandemie begleiten? Das Gute im Schlechten suchen – das ist ein Gedanke, den ich mir Ende des vergangenen Jahres ganz bewusst vorgenommen habe. Ich hätte auch gut ohne Covid-19 leben können, na klar, aber es gibt ganz bestimmt auch Dinge, die ich ohne diese Pandemie nicht so intensiv erfahren hätte. Dazu zählt auch Nähe. Zeit für und mit meinen Kindern.

Immer wieder treffe ich (fremde) Menschen, die mir beim Anblick meiner (noch kleinen) Kinder sagen: »Ach, sie werden so schnell groß!« Und deswegen bin ich dankbar für die intensive gemeinsame Zeit. »Wenn wir uns jetzt auf die Beziehung zu unseren Kindern konzentrieren, werden sie in ein paar Jahren oder Jahrzehnten an die Pandemie zurückdenken und sich ganz besonders und gern an die Zeit erinnern, die sie mit ihren Eltern verbracht haben«, sagt Taniesha Burke in diesem Interview. Ach, sie spricht mir so aus der Seele …

Die Richtung ändern …

In dieser Woche bin ich über drei Blogartikel gestolpert. Der eine ist von Lisa, sie macht gerade eine Yogalehrer-Ausbildung und schreibt darin sehr schön und durchaus unterhaltsam von ihren Erfahrungen. Da kommen alte Erinnerungen an die erste Yogalehrer-Ausbildung tatsächlich wieder auf. Wie Lisa, Anfang 30, viel gearbeitet, Karriereträumen und -erwartungen hinterhergehetzt, geht es ja vielen, die plötzlich den tieferen Sinn des Lebens suchen und sich dann in einer Yogalehrer-Ausbildung wiederfinden. Wir ändern häufig die Richtung in unserem Leben und das ist auch gut so. Dass ich mit 24 andere Vorstellungen von meinem Leben hatte als jetzt mit fast 42 ist irgendwie logisch. Ich weiß nicht wieso, aber immer noch werden Kinder so erzogen, dass sie spätestens zum Ende ihrer Schulzeit wissen sollen, was sie mal werden wollen und wohin die Reise gehen soll. Ich habe schon häufig junge Menschen getroffen, die völlig zerrissen kurz vor Beginn ihres Berufslebens nach der richten Entscheidung lechzten: Doch lieber eine Ausbildung? Ein Studium? Erst mal reisen? Oder ist Geld verdienen doch wichtiger? Ich kann da nur empfehlen: höre einfach mal auf das Bauchgefühl. Wofür brennst du? Und wenn du jetzt in eine Richtung gehst und irgendwann in eine andere ist das völlig in Ordnung. Denn das bist dann DU.

Mama- und Montagmorgen-Liebe

Ich bin dankbar für jeden Schritt meines Lebens. Mit sechs Jahren dachte ich, ich würde Romane schreiben wenn ich groß bin – ich bin weder groß geworden, noch habe ich einen einzigen Roman geschrieben. Mit zwölf war ich dann bei Journalistin angekommen. Diesen Weg habe ich sogar verfolgt und dabei viele besonders schöne und einzigartige Erfahrungen gemacht. Mit Ende 20 wusste ich, dass ich, obwohl ich das gerne gewollt hätte, nicht die Eier in der Hose habe, um richtigen investigativen Journalismus zu betreiben, sprich dahin zu gehen, wo es wehtut, wo ich unangenehme Fragen stellen und unangenehme Antworten bekommen muss. Das war eine Erkenntnis, die ich ganz klar so treffen konnte. Es hat nicht mal besonders wehgetan. Ich wollte aber auch keinen Kuscheljournalismus und so ist jeder Schritt meines Lebenslaufs eigentlich nachvollziehbar. Ich verabschiedete mich mehr und mehr vom Journalismus und wurde zur Texterin und Autorin. Und eben auch zur Yogalehrerin. Und alles passt zusammen. Das absolvierte Studium der Sportwissenschaften hilft mir heute ungemein beim Yogaunterricht. Die journalistische Erfahrung hat mich zur Buchautorin gemacht. Und dann kamen die Kinder und der klare Gedanke: Karriere ist mir wirklich nicht so wichtig. Ich liebe es, Mama zu sein. Dabei liebe ich aber auch jeden Montagmorgen, wenn ich hier alle aus dem Haus schicken kann und endlich alleine bin. Zeit habe, kreativ zu sein …

Graue Haare

Ich habe einen weiteren Blogartikel gefunden, der sich mit einem ganz anderen Thema beschäftigt, aber mich dann wieder zu dem von Lisa hingeführt hat. Nämlich den von Iris. Sie beschäftigte sich mit der Frage: Killen graue Haare das Business von Frauen? Graue Haare habe ich auch schon. Ich kann sie fast noch zählen, es werden mehr und ich habe leider nicht so Lust auf Färben. Dafür bin ich schon zu sehr Ökotante. Vielleicht hast du einen Tipp für mich. Vielleicht färb ich irgendwann mal wieder. Egal. Gerade ist es nicht so wichtig, denn es sieht mich ja kaum jemand. Generell behaupte ich ja, dass ich in dem letzten Jahr gefühlt um fünf Jahre gealtert bin. Optisch trifft das doch garantiert zu. Diese Pandemüdigkeit hat jedenfalls nichts zu meiner Schönheit beigetragen. Ich bin dann aber natürlich sofort auf den Podcast von Greta Silver gehüpft. In der aktuellen Folge geht es nämlich darum: „Welche Arbeit passt zu dir?“ Und während ich dem Podcast lauschte, dachte ich, „Manno Mann, ich muss doch mal wieder Momo lesen. Da sind all die Weisheiten vereint, die wir uns heute mühselig aus dem Yoga Sutra raussuchen …“

Und dann war da natürlich noch der hier. In dem Beitrag „Happy Birthday, Corona“ schreibt Judith sehr persönlich und ehrlich, wie sie die letzten 365 Tage erlebt hat. Was gut war, was schlecht war und weshalb Rückzug und Abstand Dinge sind, die sie künftig gerne wieder freiwillig planen würde.

Und nun die Frage des Tages: Werde ich drumherum kommen, am Wochenende diese veganen und glutenfreien Brownies auszuprobieren …oder zumindest eine Variante davon? Hmmmm, lass mich mal raten …

Lauschangriff und Lesestoff vom 12. Februar 2021

Gerade übe ich wieder sehr viel Yoga in Form von Asanas, also Körperhaltungen. Das ist der Teil von Yoga, der bei uns im Westen ja auch am bekanntesten ist. In den vergangenen Jahren war das bei mir unterschiedlich. Manchmal übe ich viel auf der Matte, manchmal lese ich mehr, dann beschäftigt Yoga mich wieder fast ausschließlich im Kopf. Manchmal atme ich einfach besser und manchmal versuche ich zu lernen, Weisheiten einer Philosophie in meinen wilden Alltag mit zwei kleinen Kindern zu integrieren. Und dann stehe ich plötzlich wieder auf den Händen oder balanciere auf einem Bein. Im vergangenen November wollte ich am liebsten auf der Matte nur atmen. Und jetzt bin ich gerade wieder so richtig heiß auf Power Yoga. Vielleicht liegt es daran, dass die Asana-Praxis wirklich eine praktische Erfindung ist, wenn man viel Zeit auf wenig Raum verbringt. Und während ich noch im Herbst dachte, die Yoga-Praxis muss doch gerade nicht anstrengend sein, denk ich jetzt: Warum eigentlich nicht? Schließlich können wir noch so viele 7-Minuten-Workouts zuhause machen, wir bewegen uns trotzdem zu wenig. Yoga habe sich immer in das verwandelt, was die Menschen gerade brauchten, sagte der Yogahistoriker Mark Singleton einmal im Interview mit dem Magazin GEO ( Mark Singleton im Interview mit G. Gottschalk: Yoga? In: GEO Wissen Gesundheit. Yoga & Meditation. Nr. 13. Hamburg: Gruner & Jahr GmbH. S. 116). Deswegen: Warum also nicht in körperliches Training in einer Zeit, in der der menschliche Körper von 99 Prozent unserer Gesellschaft nicht mehr dafür genutzt wird, wofür er eigentlich mal konstruiert wurde, nämlich die Bewegung. 

Durchs Wohnzimmer turnen

In der Pandemie nehmen alle zu, vor allem die Kinder. Kein Wunder. Die dürfen ja auch nicht mehr Turnen gehen und Fußball spielen und wer will schon als Fünfjähriger im Park joggen? Da sind mal wieder die Eltern gefragt, aber die wollen ja gerne, dass die Politiker ihnen alles abnehmen. Aber auch Frau Merkel hat nun leider keine Zeit, meine Kinder an der Hand zu nehmen und mit ihnen durch mein Wohnzimmer zu turnen. Das muss ich schon selber tun. Mache ich auch. Heute habe ich sie als „böses Monster“ ungefähr 27 Runden durch die Wohnung gejagt. Sie juchzten und sind dabei fast an ihrem eigenen Lachen erstickt. Sie wären gerne noch 27 weitere Runden gerannt, aber ich musste (glücklicherweise) dann meinen Zoom-Yogakurs unterrichten. Als ich bei Google die Begriffe „Gewichtszunahme“ und „Pandemie“ eingab, spuckte die Suchmaschine reihenweise Texte aus. Vermutlich ist dieser hier der, den ich empfehlen kann. Traurig machte mich der Beitrag auf ndr.de am vergangenen Mittwoch. Auch das ist natürlich keine überraschende Entwicklung. Kinder kriegen es doppelt und dreifach ab, wenn niemand da ist, der das alles für sie auffangen kann. 

Momentan mache ich gerade eine Fortbildung zur Kinderyoga-Lehrerin. Ich glaube nämlich, dass man nicht früh genug damit anfangen kann, die Yogamatte zu entdecken. Und ich hoffe, dass ich irgendwann, wenn es dann wieder möglich ist, Kindern etwas geben kann, was sie wirklich brauchen. Nämlich ein stärkeres Selbstbewusstsein, den Spaß an der Bewegung und die Freude an diesem irre-schönen Leben. 

Den eigenen Weg gehen …

A propos schönes Leben – noch eine Leseempfehlung aus dem SZ-Magazin: Im Interview erzählt Trauerredner und Schauspieler Carl Achleitner was ein gutes und erfülltes Leben ausmacht. Unbedingt lesen. Von der SZ gibt es übrigens kostenlos jeden Montag den Newsletter „Einfach leben“. Der ist auch schon lesenswert. 

Falls du Lockdon-Langeweile hast und ziemlich genau 2 Stunden und 40 Minuten deiner Zeit für einen einzigen Podcast übrig hast, dann empfehle ich dir die aktuelle Folge von The Rich Roll Podcast mit Alexi Pappas, Olympiateilnehmerin über 10.000 Meter, preisgekrönte Autorin und Filmemacherin, die in diesem wahnsinnig tiefsinnigen Gespräch von ihren Talenten aber vor allem auch ihren Traumata erzählt und wie sie daraus die Kraft gezogen hat, ihre Träume zu verwirklichen und ihren ganz eigenen Weg zu gehen.

Und jetzt kommt ein Rezept, das angeblich einfach sein soll, gluten- und einfrei und natürlich vegan. Ich hab es noch nicht ausprobiert, aber das werde ich tun. Denn wenn das alles stimmt, klingt es wie ein Volltreffer. Ich wette, es schmeckt auch Kindern gut …

Mamas, Lust auf Abenteuer?

Vielleicht liegt es daran, dass Stefanie Seitz Chemikerin ist und ihren Forscherdrang einfach nicht zügeln kann. Und natürlich daran, dass sie einfach Bock auf Natur und Abenteuer hat. Auf jeden Fall hatte die Mutter eines achtjährigen Sohnes eine ziemlich coole Idee. Sie bat ihren Chef darum, ihre Kreativität noch mehr ausleben zu können und meldete dann ein Kleinunternehmen im Nebenerwerb an.  Es heißt „Mama macht Abenteuer“, und Stefanie Seitz bringt nebenberuflich Eltern bei, wie sie mit ihren Kindern die Natur entdecken können, denn Stefanie ist nicht nur Chemikerin, sondern auch angehende Umwelt- und Naturpädagogin. Ihr ist wichtig, dass Eltern locker und  leicht zu Helden für ihre Kinder werden. Kann man gebrauchen in Zeiten wie diesen. Denn Stefanie Seitz vermittelt auf sehr sympathische Weise, dass Kinder eigentlich keine Spielplätze brauchen. Im Interview reden wir darüber, warum so etwas wie ein Abenteuer-Kurs heutzutage überhaupt notwendig ist, wie wir unsere Kinder im Winter nach draussen kriegen und über Ideen für Pandemie-Tage. Auf ihrer Webseite gibt es sogar eine Online-Anleitung für die Mini-Schatzsuche im Winter. Kostenlos!

Liebe Stefanie, nun wissen wir ja alle, wir werden noch eine Weile 24 Stunden am Tag mit unseren Kindern beschäftigt sein. Jetzt ist Winter, meine Kids haben sich zuhause schön eingemümmelt um die Weihnachtszeit. Ich habe es also nicht so leicht, wenn ich sie nach draussen bewegen will. Was ist das Geheimnis?

Es gibt einen Trick und das ist die Sprache. Ich frage gar nicht erst, ob wir loswollen, sondern ich sage: Wir machen jetzt Detektivarbeit – Wer kommt mit?  Vorher habe ich mir natürlich dann etwas überlegt. Ich stelle kleine Aufgaben. Bei größeren Kindern kann man beispielsweise sagen: Fotografiere etwas Blaues. Damit wecke ich schon mal die Neugier. Wenn wir zurückkommen und die Aufgabe gelöst wurde, gibt es dann eine Kleinigkeit, das kann eine kleine Tüte Gummibärchen sein, einfach ein kleiner Preis dafür. Es ist sozusagen eine Schnitzeljagd im Kleinen. Mit jüngeren Kindern kann man zum Beispiel etwas sammeln. Eine Aufgabe könnte sein: Sammele zehn Tannenzapfen. Sobald die Kinder draussen sind, geht dann eigentlich ohnehin alles von allein. Dann gibt es ja immer etwas zu entdecken. Die meisten Kinder erkennen die unendlichen Spielmöglichkeiten. Man muss also gar nicht Dauermoderator sein.

Du bietest für Erwachsene Kurse an, bei denen sie lernen sollen, mit ihren Kindern die Natur zu entdecken. Wenn nicht Lockdown wäre, würdest du also wirklich mit deinen Kunden raus gehen und ihnen erklären, wie eine Schatzsuche abläuft?

Ja, wir gehen normalerweise raus. Mikroabenteuer nenne ich die Abenteuer, die wenig oder gar kein Geld kosten und einfach vor der eigenen Haustür erlebbar sind. Wir lernen dann in den Kursen, wie wir sie planen, welches Material benötigt wird, wie man etwas mit Steinen bauen kann oder auch ein Lagerfeuer macht.

Und jetzt hast du es auf online umgestellt? Wie kann man sich das vorstellen?

Das habe ich im letzten Jahr tatsächlich gemacht. Und es ist eigentlich ein Kurs für die Mamas. Ich habe gemerkt, viele Mütter haben die Einstellung: der Papa ist für Abenteuer zuständig. Und ich fragte mich: Wieso ist das eigentlich so? In Gesprächen merkte ich dann, dass die Mütter glaubten, sie hätten gar keine Ideen. Und zum Teil fehlte ihnen auch der Mut. So habe ich den ersten Onlinekurs in einer kostenlosen Beta-Version angeboten. Da haben sich 21 Frauen gefunden. Die Idee ist natürlich zunächst, die Leute rauszubringen. Wir sammeln erst einmal Ideen, es gibt viele Möglichkeiten: Sterne gucken, eine Nachtwanderung – das ist total spannend und man muss übrigens gar nichts machen – , ich zeige, wie man mit einer Sternkarte umgeht, und es geht dann hin bis zum draussen übernachten im Sommer. Das kann man ja auch in manchen Fällen zuhause, beispielsweise auf der Terrasse, wenn es eine gibt. Da habe ich übrigens eine nette Geschichte von einer Mutter, die das dann umsetzte und mir später erzählte, das Kind habe wunderbar draussen geschlafen, aber sie habe kein Auge zugemacht, weil sie einfach die vielen Geräusche wahrgenommen hat, die es zu jeder Uhrzeit gab. Sie hat sich gewundert, dass die Zeitung wirklich wahnsinnig früh am Morgen ausgetragen wird. Und sie fand das alles so gut, dass sie dann auch ihren Milchkaffee unbedingt noch draussen trinken wollte. 

Wenn der Kurs wieder draussen stattfinden kann, was passiert dann? 

Ich stelle zunächst Ideen vor, zeige also Möglichkeiten auf, was man alles machen kann und dann darf sich jeder ein Projekt aussuchen, das er gerne machen würde. Mein Ansatz ist es, die Verbindung der Eltern mit den Kindern im Grundschulbereich zu stärken, denn in der Pubertät ist es oft zu spät, dann wollen die Kinder die Eltern gar nicht mehr dabei haben. Einmal draußen mit den Kindern zu übernachten – das ist mein Ziel für die Eltern.   Denn das schafft die Erinnerungen! Und zwar vor allem die Dinge, die schief gegangen sind. Wenn man alles für das Essen vorbereitet, aber dann den Dosenöffner vergessen hat und so was – das sind Geschichten, an die sich die Kinder auch gerne erinnern.

Wie ist denn diese großartige Idee entstanden, von einem Blog der irgendwas mit nachhaltigem Reisen zu tun haben sollte, zur Abenteuer-Expertin zu werden? 

Ich wollte zunächst einfach meine Kreativität ausleben und das begann mit dem Reiseblog. Da sollte es um Urlaub und nachhaltiges Reisen gehen. Die Kurzversion ist, dass sich dann auch durch den Lockdown Entdeckungstouren vor der Haustür mit meinem Sohn zu einer regelmäßigen Wochenend-Aktivität entwickelt hatten. Wir griffen zum Fernglas und mal zum Taschenmikroskop. Ich kombinierte alles Mögliche miteinander und an Ideen mangelte es uns nicht. Die Verbundenheit mit meinem Sohn und innerhalb unserer gesamten Familie nahm deutlich zu und die Gelassenheit stieg. Ich begann Blogartikel zu schreiben, wie „5 gute Gründe für Mikroabenteuer mit Kindern“ und „How to übernachten im Wald“ und dann entwickelte sich immer mehr die Idee daraus, einen Kurs anzubieten.  Und ich habe mich gefragt: Warum finden andere Mütter das so schwierig? Das ist es doch gar nicht. Deswegen ist meine Zielgruppe jetzt auch die Eltern und nicht die Kinder.

Hinhören und hinsehen – das seien die Geheimnisse, wenn man mit Kindern draussen was erleben wolle. Vor allem im Winter.

Als sich im vergangenen März so viele Erwachsene darüber echauffierten, dass die Spielplätze geschlossen wurde, habe ich mich gefragt: Habe ich wirklich eine einzige Kindheitserinnerung an einen Spielplatz? Die Antwort war nein. Warum klettern wir nicht mit ihnen im Wald, suchen Tierspuren, schauen durch Ferngläser … ?

Ich glaube, die meisten haben es mittlerweile eben verlernt. Sogar unsere Generation. Man muss nicht nur die Jugendlichen heute anschauen, sondern wir waren da genauso. Wir hatten vielleicht noch keine Handys, aber dafür gab es RTL und Computerspiele und Nintendo und ich habe Schulfreunde, die saßen wirklich sonntags den ganzen Morgen vor dem Fernseher. Und das war einfach ein schleichender Prozess, der in den nachfolgenden Generationen noch mehr fortgeschritten ist. Wenn wir ehrlich sind und mal einen Spielplatz anschauen, dann spielen Eltern dort ja nicht mit ihren Kindern, sondern sie sitzen auf der Bank, quatschen oder beschäftigen sich mit ihrem Smartphone. Die Kinder werden also auf dem Spielplatz geparkt. Und diese Möglichkeit, immer abgelenkt sein zu können, die haben wir ja heute. Es gibt natürlich auch Eltern, die es sich erhalten haben, achtsam mit ihren Kindern etwas zu unternehmen. Das sind diejenigen, die einfach selber gerne noch in eine Pfütze reinspringen. Wenn man sich aber so anzieht, dass es ein Drama ist, wenn etwas schmutzig wird, dann trägt sich das an die Kinder natürlich auch weiter. Und so entsteht das, dass Menschen es verlernen, sich auch mal einfach so zu verhalten, wie Kinder das tun würden.

Ich habe manchmal das Gefühl, ich werde schräg angeschaut, weil ich zusammen mit meinen Kindern das Klettergerüst hochklettere oder die Rutsche mit ihnen runterrutsche. So als müsste ich mich dafür schämen, dass ich auch gerne mal der Entertainer bin. Bei dir hört es sich so nett an, wenn du sagst: Wir haben es einfach verlernt. Es ist also nicht die fehlende Lust und Bequemlichkeit derjenigen, die auf dem Spielplatz nur auf der Bank sitzen?

Nein, wir haben es tatsächlich verlernt. Es ist natürlich für Erwachsene schwierig, stundenlang Lego zu spielen. Wir müssen erst mal wieder in den Kontakt kommen, aber eigentlich wollen Kinder auch gar nicht stundenlang bespielt werden. Sondern mal 30 bis 40 Minuten am Stück alleine mit Mama oder Papa spielen und dann halt auch so, dass die Eltern nicht abgelenkt sind. Die Zeit geht wirklich so schnell vorbei, irgendwann brauchen die Kinder das nicht mehr. Aber für jüngere Kinder ist es einfach sehr schwierig, wenn sie das Gefühl bekommen, sie laufen immer nur so nebenher mit, aber stören eigentlich. Und dieses Gefühl entsteht, wenn Eltern ständig sagen: „Ja gleich machen wir das. Gleich.“ Das Gute ist: Draussen ist das tatsächlich nicht so einfach möglich, draussen genießt man die gemeinsame Zeit mehr. 

Jetzt ist Winter. Mit der Übernachtung draussen ist es etwas schwierig, wir hatten hier übrigens auch noch nicht einen Tag Schnee. Hast Du ein paar Ideen, wie wir den Lockdown überstehen können?

Hinhören und hinsehen, was gerade da ist. Kinder müssen draussen nicht leise sein aber das kann man manchmal bewusst steuern und sagen: Hey, wir lauschen mal jetzt. Gerade in der jetzigen Jahreszeit. Welche Tiere sind eigentlich da? Ja klar, im Winter ruht vieles aber da sind trotzdem Tiere, da gibt es Futterhäuser und Vögel. Bald hört man die auch schon wieder zwitschern. Die Sprache macht viel aus. Kleine Kinder entdecken draussen wahnsinnig viel und bleiben überall stehen. Das haben wir Erwachsene leider verlernt, aber das kann man einfach selbst auch mal wieder ausprobieren und genau hinschauen.

Warum ich nicht mehr auf bessere Zeiten warte

Noch mindestens zehn harte Woche stünden uns bevor, prophezeit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Das glaube ich aufs Wort. Vielleicht auch noch mehr. Wer weiß das schon. In zehn Wochen ist ein gutes Viertel des Jahres wieder vorbei. Anfang Januar habe auch ich noch auf bessere Zeiten gewartet. Mir vorgestellt, wen ich treffen will, wenn Treffen wieder möglich sind. Wo ich als erstes essen gehen will, wenn Restaurants wieder auf sind. Wohin wir als Familie fahren wollen, wenn wir wieder andere besuchen dürfen und wie meine Yogastunden wohl aussehen werden, wenn sie wieder im Yogastudio stattfinden mit Teilnehmern im Saal. Ich habe mir überlegt, was ich als erstes mache, nachdem ich meine Kinder in die Kita gebracht habe und mit was ich dann meinen ersten Kaffee alleine in der Küche genießen möchte. Vor allem habe ich mich auf Sport gefreut. Im Fitnessstudio, an der frischen Luft und mit ganz viel schweren Gewichten. 

Jahr des Lernens

Das mache ich jetzt nicht mehr. Denn mir ist plötzlich sehr klar und deutlich geworden, dass es nicht meiner Lebensphilosophie entspricht, auf bessere Zeiten zu warten. Stattdessen will ich doch das Leben genießen. Jeden Moment auskosten. Mich darüber freuen, dass meine Kinder genauso klein sind, wie sie jetzt klein sind und nicht darauf warten, dass sie größer werden. Werden sie nämlich. Ohne Zweifel. Ich habe mir überlegt, wie ich diesem Jahr etwas abgewinnen kann. Egal wie es in den nächsten zehn Wochen zu und hergehen wird. Wie dieses Jahr für mich wertvoll sein kann, auch wenn immer noch weniger Begegnungen stattfinden können als ich mir das wünsche. Und ich weniger Geld verdienen werde, als ich mir das wünsche. Ich bin selbständig. Ich war deswegen auch immer die Erste, die vor Corona-Zeiten von der Kitaleitung meiner ältesten Tochter angerufen und gefragt wurde, ob ich meine Kinder zuhause lassen könne, weil gerade viele Erzieher krank seien. Ich war diejenige, die bei Erzieher-Ausfällen gefragt wurde, ob ich nicht mal eben eine halbe Stunde Yoga mit den Kindern machen könne – umsonst natürlich. Was wenige verstanden haben: gerade weil ich selbständig bin brauche ich eine Kita. Ich verdiene nichts, wenn ich nicht arbeite. Demnach ist eines hier so ziemlich klar: so lange ich keine Betreuung habe, kann ich nicht vernünftig arbeiten. Ich kann auch nicht von einer Zweijährigen erwarten, dass sie den ganzen Tag Ausmalbilder macht, damit Mama ihre Texte schreiben kann. Ich kann nicht zwischen Wäschebergen, Rollenspielen, Füttern und Windel wechseln mal eben so ein Buch schreiben. Das wird jeder verstehen. Ich habe es trotzdem vor, aber das ist eine andere Geschichte. Und so habe ich mir etwas überlegt. Das Jahr 2021 wird ein Jahr des Lernens. Der Weiterentwicklung. Der Investition in mich. Und damit hatte ich meine Perspektive zurück und mit ihr die gute Laune. Das Hier und Jetzt. Das Leben im Moment. Gerade habe ich eine neue Yogalehrer-Ausbildung begonnen. Im April kommt eine weitere Ausbildung dazu, die eigentlich nicht sehr viel mit Yoga zu tun hat. Und dann mache ich Ende des Jahres vielleicht noch eine Ausbildung. Wenn dann noch etwas Geld übrig ist jedenfalls. Mal sehen. 

Was mir fehlt

Abgesehen von diesen Entscheidungen habe ich mich gefragt, was mir gerade – außer meinen Eltern und Geschwistern – am meisten fehlt. Und das ist Sport. Nicht Yoga, sondern richtiger Sport. Sport, der mich zum Schwitzen bringt. Also habe ich eine Nachbarin gefragt, ob sie sich vorstellen könne, mit mir abends um 21 Uhr joggen zu gehen. Wir haben beide kleine Kinder, bei meinen wird es momentan wirklich spät bis sie schlafen. Was für ein Glück: bei ihren auch. Sie schrieb mir, diese Nachricht käme wie gerufen. Und ob ich mich vielleicht mit ihrem Mann unterhalten hätte, denn der hätte gerade noch zu ihr gesagt, sie müsse wieder mehr Sport machen. „Ich brauche einen Schweinehunddompteur“, schrieb sie mir und ich schrie: „Da bin ich!“ Jetzt joggen wir durch die Nacht. Ich habe angefangen, HIT-Training in meinen Alltag einzubauen, manchmal dauert das nur zehn Minuten und die Kinder gucken dann Peppa Wutz. Oder sie machen mit. Manchmal kriege ich eine halbe Stunde in den Tag gequetscht. Wir richten uns gerade ein Homegym ein – wie der Rest der Nation. Und dann habe ich auch noch begonnen, eine weitere Yogastunde online zu unterrichten. Und jetzt merke ich so langsam, dass ich mich wirklich sehr lebendig fühle. Corona kann mich mal.

Wie macht man weiter ohne ein Ziel?

Vieles was uns zu Beginn eines neuen Jahres Mut macht, was wir mit Vorfreude erwarten und worauf wir hinarbeiten, ist uns durch Covid-19 abhanden gekommen. Wie also können wir weitermachen, wenn ein Ziel fehlt? Wie stehen wir auf, wenn es keine Struktur mehr gibt? Und wie finden wir Orientierungspunkte in einer unbeständigen Zeit? Darüber habe ich mit jemandem gesprochen, der darin ungewollt zur Expertin geworden ist: Die Stabhochspringerin Katharina Bauer (30) gilt als medizinisches Wunder. Sie trägt in ihrem Körper einen implantierbaren Defibrillator. Hätte sie auf andere gehört, wäre ihre sportliche Karriere schon mehr als einmal vorbei gewesen. Im vergangenen Jahr wollte sie zu den Olympischen Spielen in Tokio. Dann kam Corona. 

Es ist noch kein Jahr her, da hast du mitten in der Vorbereitung für die Olympischen Spiele gesteckt, die eigentlich im Sommer 2020 stattfinden sollten. Kannst du dich noch an das Silvester 2019 erinnern und deine Gedanken und Vorstellungen von diesem – für uns alle so ungewöhnlichen – Jahr 2020?

Katharina Bauer: Ich kann mich noch sehr gut an das Silvester erinnern. Das war in Düsseldorf bei meiner Freundin Yvonne und es war das Ende des Jahres, in dem ich einen schweren Bandscheibenvorfall erlitten hatte. Die Vorweihnachtszeit habe ich als sehr schmerzhafte Zeit in Erinnerung, ich konnte morgens kaum stehen, kaum laufen. Und gerade um Weihnachten herum besserte sich das. Ich war also sehr dankbar und habe mich auf das kommende Jahr gefreut. Ich habe das Gefühl gehabt, dass ich endlich komplett schmerzfrei werden könnte. Zudem standen natürlich große Dinge bevor: Die Olympischen Spiele sollten 2020 stattfinden, ich würde im Sommer meinen 30. Geburtstag feiern, wir beide würden an einem Buchprojekt arbeiten … So habe ich den Jahreswechsel natürlich sehr positiv wahrgenommen, aber ich war auch vorsichtig optimistisch aufgrund meiner Rückenschmerzen. Das Thema Gesundheit stand also für mich schon sehr im Vordergrund.

Im März 2020 warst du mit einer Gruppe Athleten im Trainingslager in Südafrika. Während in Deutschland der Lockdown beschlossen wurde, informierte euch die Verbandsleitung, dass euer Trainingslager abgebrochen werden muss. Was ging da in dir vor? Hast du zu dem Zeitpunkt schon geglaubt, dass die Olympischen Spiele verschoben werden müssen und dass das Jahr eine solche Wendung nehmen würde?

Mein Anker nach dem Bandscheibenvorfall und der langsamen Genesung im Winter war das bevorstehende Trainingslager in Südafrika im März. Dieser Ort hat für mich energetisch eine große Bedeutung. Ich liebe das Land und dort kann meine Seele auch immer heilen. Die Sonne, das Wetter, die Leute, das Team, die Trainingsbedingungen – all das macht den Ort sehr besonders und ich wusste, ab dann würde es Vollgas Richtung Olympische Spiele gehen. Wir waren genau eine Woche in Südafrika, dann wurde der Lockdown beschlossen. Wir wurden von einem auf den anderen Tag zurück nach Deutschland geholt. In Südafrika lebten wir wie in einer Blase, hatten kaum Nachrichten gehört und keine Panik mitbekommen. Das, was in Deutschland zu diesem Zeitpunkt passierte, war für uns nicht greifbar. Wir rätselten freitags noch darüber, ob es Sinn machen würde, länger in Südafrika zu bleiben. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass der Deutsche Leichtathletikverband uns auch schon Flüge für unsere Rückreise gebucht hatte. Das wurde kurz später Realität. Ein hartes Erwachen. Und dann war das für uns zunächst einmal sehr erschreckend. Weil wir als Sportler auch gar nicht wussten, was auf uns zukommen würde. Es war direkt auch im Gespräch, dass die Trainingsanlagen gesperrt werden müssten. Ich habe also sofort realisiert, dass die ganze Jahresplanung über den Haufen geworfen wird. Das war zunächst ein Schock. Das Jahr sollte mein viertes Comeback werden und nun stand ich wieder vor einer Zwangspause. Immer wieder an die Leistungsgrenze zu gehen, kostet sehr viel Energie. Als Sportler bist du in so einem Jahr im Feuermodus. Du brennst für ein Ziel und das Ziel war plötzlich weg.

Katharina in Südafrika, ihrem „Happy Place“. Kopfüber versteht sich.

Wie hast du das, was dich in diesem Moment so bedrückt hat, dann wieder – wie schon so oft in deinem Leben – in positive Energie umwandeln können?

Das hat tatsächlich erst einmal eine Zeit lang gedauert. Als wir zu Hause ankamen, war ja noch gar keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Olympischen Spiele stattfinden oder nicht. Wir hatten also entschieden, dass ich zunächst nicht in Leverkusen, wo ich lebe und trainiere, bleiben, sondern zu meiner Familie nach Wiesbaden fahren würde. Da die Trainingsanlagen ohnehin geschlossen waren, sollte ich mich dort fit halten. So wie das eben alle Leistungssportler während des Lockdowns machten. Und man muss natürlich klar sagen: das, was da zuhause möglich ist, was wir auch auf Instagram zeigten, das Hometraining, die Challenges und so weiter, ist kein Vergleich zum Spitzensport. 

Dann wurde glücklicherweise relativ schnell die Entscheidung getroffen, dass Olympia 2020 nicht stattfinden würde. Da war ich zum einen natürlich schockiert, weil der Fokus weg war, aber andererseits war es auch eine Erlösung. Ich weiß noch, dass ich zu Beginn des Jahres guter Dinge war, denn mein großes Ziel, schmerzfrei trainieren zu können für Olympia, war beinahe erreicht. Aber da war auch eine große Müdigkeit aufgrund all meiner Verletzungen und Rückschläge und so hatte ich eigentlich auch das Bedürfnis mich einfach mal hinzulegen und liegenzubleiben. Durch die Absage und die Verschiebung auf das nächste Jahr, wusste ich, dass ich mich neu orientieren kann. Eine neue Erfahrung war es aber auch für mich, dass wir über gewissen Situationen keine Kontrolle haben können. Nicht trainieren zu dürfen obwohl man schmerzfrei ist, war für mich ganz neu. Aber wie immer habe ich dann relativ schnell verstanden, dass ich auch aus dieser Situation das Beste machen muss. Ich konnte dann das wertschätzen, was ich hatte: Zeit mit meinen Eltern, die ich sonst zu dieser Zeit niemals so gehabt hätte. Das habe ich aufgesaugt. Und dann hat mein Körper mir das einfach gedankt. Eine Zwangspause – das war für meinen Körper ideal.

Wann hast du realisiert, dass das Jahr 2020 und damit die Verschiebung der Olympischen Spiele ein Geschenk sein kann?

Das ging sehr schnell. Am Anfang tut es weh und dann bin ich problemlösungsorientiert. Der erste Gedanke muss immer sein: Was ist daran jetzt positiv? Und ich habe natürlich sehr schnell gewusst, dass es für meinen Körper definitiv gut ist. Ich wusste: Ich kann neue Kräfte sammeln, und das kann ich tatsächlich bei meiner Familie immer am besten. 

Hast du einen Tipp, wie wir den Fokus auf die wesentlichen Dinge des Lebens legen und wie wir akzeptieren, dass Zwangspausen positiv genutzt werden können?

Es ist der dahingesagte Spruch: Im Hier und Jetzt leben, der aber einfach der Schlüssel dazu ist, wertzuschätzen, was wir eigentlich haben. In welch privilegierter Situation wir in einem Land wie Deutschland sind, das sollte man sich in so einer Lage als erstes klar machen. Ich sitze in einer warmen Wohnung und das mag banal klingen, aber andere haben das nicht. Ich kann immer noch in den Supermarkt gehen und dort alles einkaufen, was ich haben möchte. Und wenn ich gesund durch diese Pandemie komme, ist das auch ein Geschenk. Also Dinge wahrnehmen, die für uns selbstverständlich sind und die man dann noch mal neu wertzuschätzen lernt. Unabhängig von Corona mache ich das fast täglich: mir darüber bewusst werden, wofür ich dankbar bin. Was aber in so einer Phase auch sehr wichtig ist: Wir dürfen negative Dinge auch mal abschalten und den Fokus auf das Schöne legen. Also auch mal die Nachrichten auslassen und sich kleine Dinge vornehmen, die glücklich machen. Sich etwas suchen, was man vielleicht immer aufschiebt. Das kann man jetzt machen. Und anderen helfen ist natürlich immer auch sehr heilsam.

Hast du tatsächlich eine regelmäßige Praxis, ein festes Ritual, wie eine Dankbarkeitsmeditation am Abend?

Ich mache häufig Meditationen, gerade vorm Schlafengehen und ich habe eine Visualisierungstafel in meinem Schlafzimmer, da habe ich Ziele aufgeklebt, schöne Dinge. Alleine der Blick auf mein Visionboard gibt mir ein positives Gefühl. Das ist schon sehr bewusst in meinem Leben. 

Wenn du auf die Ärzte gehört hättest, wäre deine sportliche Karriere schon lange vorbei. Vertraust du dir selbst in schwierigen Situationen am besten und hast du eine Art Urvertrauen entwickelt, dass dich auch durch brenzlige Situationen trägt?

Das Wort Urvertrauen trifft es sehr schön. Meine Mutter ist Hypnose- und Mentalcoach und dadurch bin ich mit Themen wie Urvertrauen, Erdung und positives Denken früh in Berührung gekommen. Ich bin durch so viele sportliche und gesundheitliche Tiefs gegangen und wieder zurückgekommen, dass ich mir heute über meine mentale Stärke sehr bewusst bin. Dieses Urvertrauen habe ich also über Jahre entwickelt. Und so vertraue ich mir im Leben tatsächlich selbst sehr. Ich habe noch nie aufgegeben, und auf den Sport bezogen weiß ich, so lange ich einen inneren Antrieb habe, ein Feuer in mir brennt, so lange mache ich weiter. Das kann ich sicher auch auf andere Bereiche meines Lebens übertragen. Ich sammele kleine Erfolge und feiere sie wie einen Geburtstag. Ich habe mich nie daran gemessen, wo ich mal war, sondern mich immer an jedem Fortschritt erfreut. 

Wie hilft dir Yoga im Alltag und wie hat es dir speziell in diesem verrückten Jahr geholfen?

Das hat in diesem Jahr wirklich eine neue Dimension erreicht. Ich praktiziere ja schon lange Yoga, aber es gibt ja immer Phasen im Leben, da kommt es zu kurz. Ich habe in diesem Jahr so viel Yoga, so viel Atemübungen und Meditation gemacht, dass auch mein Trainer jetzt gemerkt hat, wie gut es mir tut, wie weit ich dadurch gekommen bin. Und ohne Yoga wäre ich bestimmt nicht so weit, wie ich jetzt bin. Ich habe durch meinen Bandscheibenvorfall enorm an Beweglichkeit eingebüßt, und die ist jetzt wieder da. Was Corona betrifft, hat Yoga mir natürlich mental auch sehr geholfen. Während dem ersten Lockdown hatte ich das Gefühl, ich gehe in einen Schildkröten-Modus, spare mir meine Energie und lasse sie nur für das Training raus und ansonsten warte ich ab, was sich tut. So hatte ich einfach wahnsinnig viel Ruhe in diesem Jahr – auch für den Kopf. 

Hohe Infektionszahlen, Ungewissheit in Sachen Impfung, wir wissen nun, auch 2021 wird nicht ‚normal‘. Und wir wissen auch: Wir haben nichts in der Hand. Wie stellst du dich als Leistungssportlerin darauf ein, dass es eventuell wieder nur ein paar wenige Wettkämpfe geben wird und Olympia ein Traum bleiben könnte?

Das ist mittlerweile keine gedankliche Belastung mehr für mich. Da habe ich mich sehr intensiv mit meinem Trainer ausgetauscht und wir wissen alle, wir können nichts voraussehen. Im Januar sollen noch Wettkämpfe stattfinden, die stehen jedoch jederzeit in der Schwebe. Vor Weihnachten habe ich die Information bekommen, dass alle Wettkämpfe im Januar ausfallen werden, aber dass im Februar Deutsche Meisterschaften stattfinden sollen. Sind wir mal ehrlich: Wir wissen es nicht. Also haben wir uns überlegt, was wir machen. Vom Prinzip her könnte ein Athlet in meinem Alter aufhören. Und so haben wir die Strategie entwickelt, dass wir alles was wir jetzt machen, für uns machen. Wenn ich im Training in diesem Jahr über 4,70 Meter springe, dann habe ich doch schon meine Bestleistung erreicht. Wer kann mir das wegnehmen? Dafür bin nur ich verantwortlich. Der Bezug zum Außen ist ja zunächst weg, und das kann einen Sportler schon verrückt machen. Aber wie ich an meine Leistungsgrenze gehen kann, wie hoch ich in meinem Leben springen kann, das kann ich selbst herausfinden. Und das ist eine Strategie, die mir sehr gut getan hat. Wir haben wahnsinnig hart trainiert aber haben auch wahnsinnig viel Spaß im Training. Ich bin momentan physisch und emotional wirklich stark, es wäre nahezu ideal, wenn jetzt Wettkämpfe mit Zuschauern stattfinden würden (lacht) – aber egal. Für einen Sportler ist auch klar: der Sport, den wir kennen, den gibt es nicht mehr so. Das Zusammensein, die Freude mit den Zuschauern, Olympische Spiele, so wie wir das kannten – von dem Gedanken mussten wir uns alle verabschieden. Wenn die Spiele stattfinden, werden sie ja anders organisiert werden müssen als wir es gewohnt waren. Das ist die Realität. Aber wenn ich mich qualifiziere, geht natürlich trotzdem ein Traum in Erfüllung. 

Deine Mutter Christine J. Bauer hat mal über dich gesagt, dass du ein neugieriges Kind warst. Neugier hat mich in vielen Situationen vor Angst beschützt. Beispielsweise bei der Geburt meiner Kinder. Glaubst du, dass Neugier einer deiner Antriebe ist? Also alleine die Neugier dich treibt, wie weit du mit deinem Körper gehen kannst?

Ich habe tatsächlich erst darüber nachgedacht, nachdem du mir diese Frage gestellt hast. Aber da ist definitiv eine Neugier, wie weit ich gehen kann, wie weit ich aus meiner Komfortzone ausbrechen kann und wo meine Leistungsgrenze liegt. Kann ich meine Grenzen übersteigen? Wie oft habe ich in meinem Leben schon gehört: Katharina, das wird nichts mehr. Ich hatte schon so oft in meinem Leben das Gefühl: Ich habe nichts zu verlieren. Ich kann nur gewinnen. Also will ich es rausfinden. Das war auch, nach der Implantation meines Defibrillators, für mich der spannende Teil der Reise: Wie weit kann ich meinen Arm heben mit diesem Defibrillator? Kann ich damit überhaupt Stabhochspringen? Welche Übungen kann ich eigentlich machen und wie muss ich sie neu erlernen? Das war spannend. Und grundsätzlich muss ich zugeben, ich bin generell ein neugieriger Mensch. Ich hinterfrage viel und will vieles herausfinden. Ja, auf jeden Fall: Neugierde ist mein Antrieb. Bleibe also neugierig!

Der Jahresrückblog – oder: Will eigentlich irgendjemand noch etwas über 2020 lesen?

Warum schreibe ich Anfang des Jahres 2021 einen Jahresrückblick auf das Jahr 2020? Dieses 2020. Ausgerechnet. Davon will doch niemand mehr was lesen, oder? Ich habe noch nie so viele Menschen über ein Jahr schimpfen hören. So viel Gemecker.

Nimmt das nicht viel mehr Energie als ’ne Covid-19-Pandemie (Kleiner Reim-Scherz, sorry!)?

2021 – massiv unter Druck

Und jetzt, nur weil plötzlich wieder Januar ist, jubeln alle. Ich bin immer für positives Denken. Daher sage ich: Sehr gut! Nur: Wir kennen das große Ganze nicht. Aber jetzt schreibe ich schnell noch etwas Schönes über das Jahr 2020. Über all das, was ich aus 2020 mit in das neue Jahr nehme, das von allen Seiten so massiv unter Druck gesetzt wird. Ich habe wenig Vorsätze (ein paar aber schon), vor allem aber Vorstellungen von Gefühlen, die ich mit in das neue Jahr nehme.

Am 24. Dezember des Jahres 2020 habe ich es wirklich fertiggebracht, kurz bevor ich ins Bett bin, noch mal darüber nachzudenken, wie dieses Jahr für mich verlaufen ist. Das Erstaunliche ist, während mir kurz zuvor auf Instagram Postings wie „Arschweihnachten“ ins Auge gesprungen waren, ist mir viel mehr Positives zu diesem Jahr eingefallen als Negatives. Dazu schiebe ich jetzt noch kurz eine kleine Bemerkung ein: Dieses Jahr habe ich vor Weihnachten viel mehr Post verschickt als in den vergangenen Jahren. Ich war wohl nicht die einzige, die auf diese Idee gekommen ist. Die Briefkästen waren in der Woche vor Weihnachten hier in unserem Kiez zum bersten voll. An einem Abend kam ich mit meinen beiden Kindern zeitgleich am Briefkasten an wie ein junger Vater mit zwei kleinen Jungs. „Da geht noch was!“ strahlte er mich an, steckte seine Hände in den Briefkastenschlitz und presste mit aller Kraft die Post zusammen, damit auch wir noch unsere Karten in den Briefkasten stecken konnten.

Dürfen wir das?

Eine andere schöne Begegnung mit einer Fremden hatten wir im Frühsommer. Die Kinder spielten im Vorgarten. Corona war in aller Munde. Mein Mann war gerade nach Hause gekommen und wir standen vorm Haus und sahen den Kindern dabei zu, wie sie Fangen um das Haus herum spielten. Vor uns auf dem Gehweg kam plötzlich eine Frau mit ihrem Fahrrad zum Stehen. Die Kette war gerissen. Mein Mann erklärte sich bereit, das Problem zumindest provisorisch zu lösen. Es war ja Pandemie-Zeit, die Frau zögerte, dann huschte ein dankbares Lächeln über ihr Gesicht. Sie war Ärztin, erzählte sie uns, jetzt auf dem Weg nach Hause, zu ihrem kleinen Sohn. Mein Mann machte sich an dem Fahrrad zu schaffen, es kam mir vor, als würde es noch eine Weile dauern und ich fragte, ob ich einen Kaffee machen sollte. Wieder dieses zaghafte Lächeln zwischen: „Dürfen wir das jetzt?“ und „Eigentlich wäre das schön.“ Ich bin hoch, wusch mir die Hände, machte den Kaffee, wusch mir wieder die Hände und brachte ihn nach unten. Etwa eine Woche später stand vor unserer Haustür ein Päckchen. Da standen die Vornamen von mir und meinem Mann drauf, eine kleine Karte klärte mich auf: „Danke für die schöne Begegnung, den Kaffee und die Hilfe mit dem Fahrrad.“ Eingepackt hatte sie uns eine Packung hochwertiger Kaffeebohnen …

Keine Begegnungsüberfrachtung

Dieses Jahr sind mir wirklich so einige Begegnungen mit Menschen in Erinnerung geblieben, die sehr schön waren. Vor allem natürlich Begegnungen mir Freunden. Und ich fragte mich natürlich, ob mir nur aufgefallen ist, wie besonders schön diese Begegnungen waren, weil es eben nicht so viele waren als sonst. Liegt es daran, dass wir uns in diesem Jahr auf so wenige Begegnungen konzentrieren konnten, dass sie uns als besonders schön in Erinnerung geblieben sind? Oder weil wir es einfach vermissten, andere zu treffen? Oder habe ich die Begegnungen nur so intensiv wahrgenommen, weil mein Jahr nicht so überfrachtet von Begegnungen war? Ich will damit nicht sagen, dass ich das immer so haben möchte. Nein, auch ich bin froh, wenn ich wieder ständig Leute treffen darf. Wenn meine Küche wieder voll ist und ich nicht nachkomme, Kaffee zu brühen und Milchhäubchen darauf zu verteilen. Aber ich kann diesem Jahr einfach etwas abgewinnen.

Mama – eine dankbare Aufgabe

Das erste Halbjahr des Jahres war ich vor allen Dingen eines: Mama. Wir hatten fast nur gute Tage. Meine Kinder waren nicht schlechter gelaunt als an Kitatagen. Irgendwann habe ich mich hingesetzt und zusammengerechnet, wie viel Zeit wir in Frühjahr und Sommer ausnahmslos miteinander verbracht hatten. Und ich dachte: „Lächerlich! Am Ende meines Lebens wird es mir vorkommen, als wäre das gar nichts gewesen!“ Wie dankbar werde ich dann auf das Jahr 2020 blicken! Ich weiß noch, dass der Frühling so dahinplätscherte, dass ich noch am Anfang zu einer meiner Freundinnen sagte: „Ich fühle mich um diesen Frühling betrogen“, obwohl in Kiel ausnahmslos die Sonne schien – wie skurril. Aber ich fühlte mich um ihn betrogen, weil ich normalerweise Ostern im Garten meiner Eltern feierte und das nicht möglich war, weil ich um Spielplätze einen Bogen machen musste und meine Freundinnen nicht zum Kaffee treffen durfte. Und dann, irgendwann, ich hatte fast vergessen, wie er sich anfühlte, kam der Sommer. Wir verliebten uns in einen Maulbeerbaum. Aßen schwarze Maulbeeren wie Himbeeren. Saßen an der Ostsee im Sand. Entdeckten Buchten, die so abgelegen waren, dass ich mich fragte, ob ich einen erneuten Lockdown verpasst hatte. Und verbrachten dann drei wahnsinnig schöne Wochen bei meinen Eltern in der alten Heimat. Ich habe diese drei Wochen ganz intensiv mit meiner Familie verbracht, denn ich wollte so lange ich bei meinen Eltern war, zu deren Schutz niemand anderen treffen. Das läuft sonst natürlich anders ab bei Heimatbesuchen. Und was ich mir zunächst noch ein bisschen schwierig vorgestellt hatte, wurde wunderbar. Es gab keinen Lagerkoller. Auf der Rückreise machten wir zwei Zwischenstopps bei Freunden. Das waren unter anderem die schönen Begegnungen des Jahres 2020. Zwei Übernachtungen bei anderen Familien. Zeit, die man intensiv miteinander verbringen konnte. Als die Kinder schliefen, sassen wir mit unseren Freunden im Garten bis in die Nacht hinein. 

Vergessene Pandemie in Kiel

Den Rest des Sommers verbrachte ich am Meer. Denn da wohnen wir. In diesem Jahr habe ich mich in die Ostseeküste verliebt. Für viele meiner Freunde klingt das erstaunlich, schließlich habe ich schon am Pazifik gelebt, bin in meiner Freizeit am Wochenende um die Channel Islands getaucht, hab beim Joggen Delfinen beim Baden zugesehen, feierte Weihnachten mit Spaziergängen am Ozean und 18 Grad. Nun aber liebe ich die Ostsee. Ich habe jeden Tag, an dem ich mit den Kindern im Sand saß, voller Dankbarkeit für dieses Leben auf das Wasser geschaut. Meine Töchter rannten mit mir durch die Wellen. Da war sie ziemlich in Vergessenheit geraten – die Pandemie. Meinen Rückblick auf den Sommer mit vielen Tipps für Aktivitäten mit Kindern in und um Kiel findest du hier.

Ich habe in diesem Jahr nicht viel vermisst. Außer meine Eltern. Die Möglichkeit, wann immer ich möchte, die Kinder in den Zug setzen zu können und die acht Stunden durch Deutschland zu rollen, um dann meine Eltern in die Arme schließen zu können. Und ich weiß auch heute nicht, wann exakt wir uns wiedersehen können. Und ob. Mein Vater wird in ein paar Wochen 81.

Das dritte Buch, Yoga Ups and Downs und ein Lockdown ohne Grenzen

Beruflich war das Jahr für mich kein schlechtes. Ich habe an meinem dritten Buch gearbeitet, das im April 2021 im riva Verlag veröffentlicht wird und meiner Meinung nach ein wichtiges Buch für unsere Gesellschaft ist. Die Arbeit daran hat viel Spaß gemacht, war aber auch kräftezehrend. Hier habe ich darüber berichtet. Ich durfte tolle Yogaklassen unterrichten und erlebte das Hin-und-Her zwischen Lockdown, Wiedereröffnung von Yoga- und Fitnessstudios, Teillockdown und Lockdown 2 wie eine Berg- und Talfahrt. Ende März hatte ich mich noch darüber geärgert, dass ich meinen Yogaretreat in Österreich nicht hatte durchführen können. Es dauerte nicht lange, da war mir das ziemlich egal. Online-Yoga hat auch für mich seine Berechtigung erhalten. Der direkte Kontakt mit den Schülern fehlt mir trotzdem. Eigentlich hatte ich dieses Jahr beruflich richtig durchstarten wollen, nachdem meine Kinder nun seit August beide einen Ganztagesplatz in der Kita beanspruchen dürfen. Aber na ja, wie wir alle wissen, war die Kita Mitte Dezember dann ja wieder zu. Wann sie wieder öffnet, weiß nun gerade niemand. Im vergangenen Jahr habe ich in dem Podcast Wandaful Yoga von Wanda Badwal das Interview mit Veit Lindau gehört. Das war eine schöne Inspirationsquelle und der Hinweis von Veit Lindau, dass man das, was man tut, mit Hingabe tun sollte, dass man sich genau an das, was man gerade tut, verschenken soll, hat mir sehr gut gefallen. Lindau sagt: „Es ist ein großes Missverständnis, zu denken, dass es in unserer Berufung darum geht, dass wir etwas bekommen.“

„Mama, der Mundschutz ist nicht blöd.“

Und dann war da der 24. Dezember, der so anders war als sonst. Weil wir wirklich niemanden getroffen haben. Es war ein schönes Weihnachten. Und ich ließ den Tag Revue passieren und dann das Jahr. Und wie gesagt, da fällt mir vor allem Positives ein. Ich habe wieder angefangen, zu bloggen und veröffentlichte seit Juni pro Woche mindestens einen, seit November mindestens zwei Artikel. Ich habe Dinge gemacht, die ich schon lange machen wollte. Zum Beispiel eine Lehrerin bezahlt, die mit mir nichts anderes als Pranayama, also Atemtechnik, übt. Ich war im Systemischen Coaching und in einer Therapiestunde. Ich habe mich für ein Kinderyoga-Lehrer-Training angemeldet. Ich habe mich 365 Tage an einer Zweijährigen erfreut und über eine Fünfjährige gestaunt. Vor zwei Wochen war mir draussen in der Kälte die Brille über dem Mundschutz angelaufen. „Blöder Mundschmutz“, sagte ich und meine Tochter sagte: „Mama, der Mundschutz ist nicht blöd.“ Auch darüber habe ich übrigens schon einen Text geschrieben.

Demut, Dankbarkeit, Rücksicht

Für mich stehen in diesem Jahr drei große Worte ganz weit oben. Demut. Dankbarkeit. Rücksicht. Und während ich so über alles nachdachte, fragte ich mich, ob wir Deutschen wirklich krisenfest sind. Ich höre und sehe so viel Gejammer. Aber wie würden wir uns verhalten, wenn eine wirkliche Tragödie uns erfassen würde? Wie zum Beispiel 2011 die Menschen in Fukushima. Oder die Menschen in Thailand, die im selben Jahr eine dramatische Flutkatastrophe erleben mussten. Oder die Menschen, denen 2005 Hurrikan Katrina einfach so die Häuser weggeweht hatte. Diese Liste ist beliebig lang weiterzuführen. Wir beanspruchen für uns selbst, das uns so etwas nicht widerfährt. Und das finde ich wahnsinnig hochmütig. In den letzten Wochen des Jahres sollte ich eine Reportage über kleine Unternehmer im Tourismus an anderen Orten der Welt schreiben und darüber, wie sie die Covid-19-Pandemie in diesem Jahr erlebt hatten. Und da war der Tourguide aus Kuba, der mir schrieb, dass seit Beginn der Pandemie nur zwei Touristen seine Tour gebucht hatten und dass er nun darauf wartete, dass alles wieder besser werde. Dass er nun als seine Aufgabe sehe, andere Menschen davor zu bewahren, krank zu werden. Er jammerte nicht.

Ich habe 2020 endlich auch mal wieder viel gelesen. Wo ich die Zeit hergenommen habe? Keine Ahnung. Und so habe ich viel gelernt in diesem Jahr. Das alles nehme ich mit ins neue Jahr. Auch, dass Egoismus out ist. Das ist eigentlich mit die schönste Erkenntnis des Jahres. Eine Frau, die ich auch erst in diesem Jahr kennenlernen durfte, schickte mir im Dezember eine schöne Geschichte. Sie passt auf das letzte Jahr. Als wäre sie dafür geschrieben worden. Und sicher auch auf das neue.

Der Chinesische Bauer
Autor unbekannt
Im alten China lebte ein Bauer, dessen einziger Besitz ein wundervoller schwarzer Hengst war. Dazu muss man wissen, dass das zur damaligen Zeit ein sehr wertvoller Besitz war. Selbst der Kaiser träumte von so einem Pferd! Die Dorfbewohner kamen eines Tages und sagten: »Mein Gott du hast ein ein Glück, so einen tollen Hengst zu besitzen, der dir auf deinen Feldern so fein zur Arbeit geht!« »Ja« sagt der Bauer, »das ist richtig! Es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Eines Tages lief er fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: »Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!«. Aber der Bauer antwortete: »Ja, das ist richtig! Es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. »So viel Glück! Mein Gott, was du für Glück hast! Jetzt hast du statt einem Pferd so viele!« riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte: »Ja, jetzt hab ich so viele! Schön. Aber es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, eines der wilden Pferde zu reiten, aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. »Oh, so ein Pech! Jetzt ist dein einziger Sohn vielleicht ein Krüppel und kann dir nie wieder richtig zur Hand gehen!« Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder: »Ja, darüber bin ich sehr traurig! Aber es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: »Was für ein Glück, daß dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss! So viele junge Burschen verlieren dort täglich ihr Leben!« freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: »Könnte ich euch nur helfen, weiter und tiefer zu sehen, als ihr es bisher vermögt. Wie durch ein Schlüsselloch betrachtet ihr euer Leben, und doch glaubt ihr, das Ganze zu sehen. Niemand von uns weiß, wie sich das große Bild zusammensetzt. Was eben noch ein großes Unglück scheint, mag sich im nächsten Moment in Glück erweisen. Anderseits erweist sich scheinbares Unglück auf längere Sicht oft als Glück und umgekehrt gilt das gleiche. Was daraus wird, weiß keiner von uns. Und jetzt geht nach Hause, und teilt die Zeit miteinander, die euch bleibt.«

Frohes neues Jahr.

Lauschangriff und Lesestoff vom 20.11.2020

Diese Woche startete für mich mit dem Geburtstag unserer Tochter. Dem fünften. Das heißt, egal, wieviel Mühe man sich gibt, solche Geburtstage können so oder so ausgehen. Weil Geburtstage für Kinder ja immer mit besonders hohen Erwartungen verknüpft sind und mit Überfluss an Emotionen. Daher musste ich ein bisschen schmunzeln, als mir am Abend bewusst wurde, dass niemand aus unserer Familie an diesem Tag geweint hatte. Check! Alle waren froh. Irgendwann am frühen Abend hatte das Geburtstagskind allerdings leise gefragt: „Warum ist gar niemand gekommen, Mama?“ Ich habe es ihr erklärt. Für Kinder im Kindergartenalter ist ein Lockdown light schwer zu begreifen. Im Frühling hatte das besser geklappt. Wenn Kitas für die meisten Kinder unzugänglich, Spielplätze mit Absperrband dekoriert und Tische und Stühle von Cafés draussen mit schweren Ketten gesichert sind, ist „Corona“ auch für Kinder greifbar. Jetzt ist das etwas schwierig. Für meine Kinder ist Corona gerade sehr weit weg, für uns Erwachsene nicht so …

Ich habe diesen Artikel in der vergangenen Woche gefunden und bin nicht besonders überrascht. Ich kann mir wage vorstellen, wie es sich anfühlen könnte, wenn man Covid-19-positiv getestet wäre und sich schuldig fühlen würde, weil man potenziell Menschen angesteckt hat, die dann ernsthaft krank oder sogar sterben werden. Bereits aus dem Sommer ist der Bericht von Lara Keuthen vom Peppermyntha Magazin und vor kurzem gab es ein Update dazu, das ich besonders interessant finde.

Ich zelebriere meine wöchentlichen Gänge zum Wochenmarkt, wo wir den Großteil der Lebensmittel kaufen, die wir verbrauchen. Wir haben Glück; unser Wochenmarkt ist besonders attraktiv und dort gibt es auch einen landwirtschaftlichen Bio-Betrieb, den ich schon mehrfach besuchen konnte und von dessen Arbeit ich überzeugt bin. Dass ich für die Lebensmittel vielleicht etwas mehr Geld ausgebe, stört mich nicht, ich mache gerne anderswo Abstriche und investiere in das, was ich in mich reinstecke, also gesundes Obst und Gemüse. Dieser Bericht zeigt eines von vielen Problemen, die die Landwirtschaft heute hat. Und wenn es irgendwie geht, sollten wir versuchen, ökologisch und nachhaltig arbeitende landwirtschaftliche Betriebe zu retten. 

Sehr berührt hat mich diese Geschichte aus dem RosaMag. Es zählt jetzt zu meiner Pflichtlektüre.

Und dann, tja, wie so oft: wasfürmich. Diese Geschichte von Katharina Weck hat mir für einen kurzen Moment die Luft zum Atmen genommen: Dankbarkeit hat für mich in den vergangenen Jahren ohnehin schon eine neue Dimension erreicht – in diesem Jahr (wie für viele von uns) ist mir noch klarer geworden, wofür ich dankbar sein kann. Und dass mein Leben bislang ein Leben in Überfluss war. Und dann dieser Text. Er ist am 17. November erschienen, ich habe mir das Buch von Katharina Weck direkt bestellt und schon diese Woche angefangen zu lesen. In einer Rezension dazu habe ich gelesen: „…Sie besinnt sich auf das Wesentliche und gibt so allen Hoffnung, die sich ebenfalls in misslichen Situationen befinden. Alle anderen erinnert sie daran, wie belanglos die meisten Ärgernisse im Alltag sind.“ Das Buch muss also jeder lesen. 

Zum Schluss noch was Aufheiterndes. Auch dieses Interview hat mich beschäftigt und berührt. Ralph Caspers kennen Mütter und Väter vielleicht von der Sendung mit der Maus. Er hat jetzt auch ein Buch geschrieben, es heißt „99 harmlose Fragen für überraschende Unterhaltungen zwischen Eltern und Kindern“ und im Interview mit dem Süddeutsche Magazin erzählt er davon. Es ist wahnsinnig spannend und hat dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, ob ich mich eigentlich achtsam mit meinen Kindern unterhalte. Belanglosigkeiten und Floskeln, oberflächlichen Smalltalk und Fragen nur um gefragt zu haben, können wir uns wohl gerade in der Konversation mit unseren Kinder sparen, oder?

Und zum Lauschen? Da kann es diese Woche nur eine Empfehlung geben: Stefanie Luxat im Endlich Om-Podcast interviewt Bestseller-Autorin und Aktivistin Glennon Doyle. Da muss man nicht viel zu sagen. Einfach zuhören. 

Hab ein schönes Wochenende.