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The final C-ountdown

Vielleicht ist das, wenn man Heilig Abend mit der Dreijährigen in der Notaufnahme sitzt, schon der Wink vom Universum: „Ja, du hast viel gelernt 2021, aber das Jahr hat noch einiges zu bieten. Kannste von ausgehen …“

Die Bescherung zuhause verspätete sich nur um etwa eine Stunde. Meine Tochter war unglücklich auf die Heizung gestürzt – Loch im Kopf. In der Notaufnahme der Uniklinik wurden wir freundlich empfangen und kamen – entgegen meiner Befürchtungen – schnell an die Reihe. Weihnachten war noch nicht verdorben. Und ich war so dankbar. Weil mir in der sterilen Umgebung des Krankenhauses mit blauen Lichterketten am Fenster doch bewusst wurde, dass die meisten hier weitaus größere Probleme hatten, als Platzwunden am Hinterkopf. …Dass die meisten hier nicht so schnell wieder raus konnten und garantiert nicht um den Tannenbaum tanzen würden.

Der C-Test

Und dann kam der 27. Dezember, der Tag nach Weihnachten also. Die Zeit, auf die ich mich in diesem Jahr wirklich gefreut habe. Dabei kann ich mich nicht immer mit der Leere der Tage zwischen den Jahren anfreunden. Denn Advent hat für mich eine besondere Bedeutung und das was danach kommt, ist irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes: Das Jahr ist so gut wie vorbei, aber das Neue hat noch nicht angefangen. Diesmal jedoch sehnte ich mich nach Langsamkeit und zäh fliessenden Stunden. Ich wollte nachdenken, lesen und mich mit aller Aufmerksamkeit den Kindern und meiner Familie widmen. Ich wollte ein wildes Jahr Revue passieren lassen, das (scheinbar) alles zu bieten hatte und ich wollte meine Visionen für 2022 manifestieren. Vom Einzug ins neue Haus träumen. Und dann mit voller Wucht im Januar die neuen Jobs starten. 

Sofort Symptome!

Aber dann – ich hatte noch keinen Kaffee getrunken und nicht gefrühstückt – rief mein Mann aus seinem Büro an und sagte, sein Corona-Test sei positiv.  Und von diesem Zeitpunkt an schenkte mir 2021 noch mal so richtig ein. Ich spürte alles und nichts. Vor allem konnte ich nichts essen und nichts trinken. Man hat sofort Symptome. Die Frau vom Gesundheitsamt lachte Tage später, als ich, auf ihre Frage nach Symptomen sagte: „Nachdem mein Mann mir von seinem positiven Schnelltest erzählte, hatte ich Kopfschmerzen. Zählt das?“ Besonders spürte ich aber Schwere. Schuld. Scham. Das habe ich selten so erlebt. Ich sah bereits am 27. so blass aus, als hätte ich seit sieben Tagen Corona. Ich war wütend auf meinen Mann und schaffte es gerade noch so, die Kurve zu kriegen. Was sollen diese verdammten Schuldzuweisungen in einer Pandemie? Es ist wahrscheinlich nicht möglich, sich nicht irgendwann irgendwo anzustecken. Es kann jedem passieren. Wir waren immer vorsichtig. Wir haben Geburtstage – außer die der Kinder – nicht gefeiert, uns letztes Jahr Silvester nur mit einem weiteren Paar getroffen. Wir verzichteten auf die Hochzeit meiner Kousine. Fahren seit zwei Jahren nur im Sommer zu meinen Eltern. Meinen noch nicht ganz einjährigen Neffen habe ich erst einmal gesehen. Covid kann jeden treffen. Und es tut mir leid aber ich befürchte, es wird fast jeden treffen. Ich tat das einzig Richtige: Ich verwandelte das Wutgefühl in Sorge um ihn. Das PCR-Ergebnis kam noch am selben Tag. Positiv.

Ingwer gegen Corona

Nachts lag ich wach. Ich fragte mich, wie lange das in der Quarantäne so sein würde? Wie lange man schlaflose Nächte haben würde, aus Sorge um andere und die Kinder oder ob das irgendwann weg gehen würde, wie alles, an das man sich so Schritt für Schritt gewöhnt. Da ist ständig die Frage: Wen haben wir angesteckt? Am nächsten Morgen presste ich Ingwersaft, trank Salbeitee, schob den Kindern löffelchenweise Tee in den Mund und Vitamine. Ich übte zwischendurch Pranayama. Dabei wechselte sich der Gedanke: „Ich rette mich mit allen Haustricks, die es nur so gibt“ mit dem „Das haben wohl auch schon andere alles versucht“ im Fünfminuten-Takt ab. 

Fiese Grippe, leichter Verlauf

Einen Tag später war auch mein PCR-Test positiv, meine Nase begann zu laufen und noch mal einen Tag später hatte ich dann das, was Virologen als einen leichten Verlauf bezeichnen: fiese Grippesymptome. Die Tage verliefen trotz dickem Kopf erstaunlich schnell. Noch nie stand nach Weihnachten so schnell Silvester vor der Tür. Ich hatte keine Sekunde Zeit gehabt, über mein Jahr nachzudenken. Stattdessen mehrmals mit der Kassenärztlichen Vereinigung, dem Gesundheitsamt, meiner Hausärztin, Arbeitskollegen, meiner Familie telefoniert. Ich schleppte mich durch Grippetage. Die Nächte wurden besser. Besser als die Tage. Ich konnte schlafen, und spürte, dass mein Körper die Erholung dringend nötig hatte. 

Kater ohne Party

Silvester verpennte ich. Das war auch nicht anders zu erwarten. Der 1. Januar fühlte sich an, als hätte ich den übelsten Kater meines Lebens. Nur hatte es vorher keine Party gegeben. Was für ein Jahresanfang, dachte ich und sah plötzlich in allem nur grau. Und dann kam der 2. Januar und mit ihm offenbar irgendein Hormoncocktail – keine Ahnung, aber alles wurde heller. Zu dem Zeitpunkt waren die Kinder immer noch negativ und mir wurde klar, dass sich die Quarantäne verlängern würde, aber was machte das schon? Ich hatte von Anfang an keine Angst vor der Quarantäne gehabt. Wir hatten ja auch schon diverse Lockdowns mitgemacht und nun verlängerte sich eben der Weihnachtsurlaub. In Schleswig-Holstein explodierten die Infektionszahlen. Omikron auf dem Vormarsch. Ich war irgendwie auf einmal froh, dass wir das offenbar jetzt, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir ohnehin zuhause waren, durchgemacht hatten. In der Zwischenzeit waren die Kinder positiv, sie blieben Gott sei Dank mehr oder weniger symptomfrei. 

Mein JA!hresmotto

Während ich noch Grippesymptome hatte, las ich das Buch von Michael Lehofer: „Die Welt sagt den ganzen Tag Ja zu uns. Aber wie oft habe ich das Ja des Lebens übersehen? Wir bilden uns ein, das Leben ist dann in Ordnung, wenn es den Bedingungen entspricht, die wir für ein glückliches Leben unabdingbar finden. Wenn das Wetter schön ist, ist der Urlaub schön. Solcherart entging mir in meinem Leben eine Fülle lebensspendender Ja. Das Ja ist der Sauerstoff für unseren Seelenfrieden. Wir dürfen nicht vergessen, diesen Sauerstoff einzuatmen, nur weil er nicht in der Weise an uns herangetragen wird, wie wir es erwarten.“ Das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt, würde ich sagen. Das „tägliche Ja des Lebens“ wurde plötzlich zu meinem Jahresmotto. Das Ja sehen, auch wenn Nein manchmal zu überwiegen scheint, das finde ich, ist ein schönes Bild. Und geht es nicht letztlich darum, die Jas des Lebens zu schmecken, zu fühlen, zu riechen? Nur so entdecken wir ja jeden Tag aufs Neue wie wertvoll dieses Leben ist. Und so hatte ich dann mein Jahresmotto: „JA(hr)!!“

Testen, testen, testen

Und dann wurde es besser. Ich bin froh, dass ich geimpft bin. Ich schreibe das nicht, um andere zu überzeugen, sondern das ist meine persönliche Meinung. Mein Mann ist geboostert und hatte deutlich geringere Symptome als ich – allerdings ging die Ansteckung innerhalb unserer Familie auch von ihm aus; das bedeutet, auch mit Booster überträgt sich die Krankheit. Deswegen darf ein Booster auch nicht der Freifahrtschein für alles sein. Regelmässige Schnelltestes sind meiner Erfahrung nach unabdingbar. Die haben übrigens auch bei meinen (kleinen) Kindern sehr gut funktioniert und Ergebnisse geliefert. Testen tut nicht weh. Mein Mann und ich waren so neugierig darauf, wie unsere Schnelltests in allen Stadien der Krankheit reagieren würden, dass wir uns ständig selbst testeten. Es sollte niemand als Affront empfinden, wenn vor einem Treffen nach Tests gefragt wird. Im Gegenteil. Ich kann es nur empfehlen. Es ist niemals persönlich gemeint, sondern schützt einfach.

„Die Krankheit verläuft bei jedem anders. Auch deshalb sollten wir umsichtig beim Kontakt mit unseren Mitmenschen sein“, schreibt der Fotograf Mathias Haltenhof auf seinem Blog, der dort auch einen Erfahrungsbericht zum Verlauf seiner Krankheit veröffentlicht hat. Und genauso ist es. Ich glaube immer noch, dass wir, dafür dass wir in einer weltweiten Pandemie stecken, viele Freiheiten haben. Dass die Pandemie nervt, steht ausser Frage. Aber gemeinsam einsam ist besser als einsam einsam, oder? Das habe ich nämlich auch gelernt, in diesen Tagen: Wir haben wahnsinnig liebe Nachbarn, ein tolles Netzwerk an Menschen um uns herum, die uns geholfen haben, für uns einkauften und die Kinder zwischendurch mit besonderen Kleinigkeiten überraschten. Andere zu schützen muss immer das oberste Gebot sein. Deswegen fährt man ja auch nicht besoffen Auto. Ich weiß, das ist ein dummer Vergleich, aber letztlich dann eben auch wieder nicht. 

Psychische Belastung

Im Sommer habe ich bereits diesen Artikel gelesen und empfohlen und deswegen hat mich die psychische Belastung, der ich mich von Anfang an ausgesetzt fühlte, vielleicht nicht so sehr überrascht. Im Übrigen hatte ich mit drei verschiedenen Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes Kontakt und kann hierzu nur sagen: Das waren durchweg sehr freundliche, unterstützende Telefonate. Während die 116117 sich zum Teil eher angestellt hat, als geholfen. Aber egal. Dafür hatten wir zum Glück sehr kompetente Haus- und Kinderärzte und brauchten die Kassenärztliche Vereinigung somit nicht. Uns geht es gut. Ich bin immer noch etwas erkältet. Ich starte ziemlich positiv gestimmt ins neue Jahr. Im wahrsten Sinne des Wortes 😉 Ob ich in acht Wochen ohne Probleme joggen gehen kann, werde ich dann irgendwann hier mal ergänzen. Noch gehe ich davon aus.

Euch allen: Ein Wunder im Chaos!

An einem Dezembermorgen hatte ich mich ertappt. Alle außer mir waren aus dem Haus. Die Adventskerze flackerte. Ich hatte morgens für die Kinder Rolf Zuckowskis CD „Mein allerschönster Weihnachtstraum“ aufgelegt. Tatsächlich. In unserer Küche steht noch ein CD-Player. Eine Loewe Soundbox. Irgendwann im letzten Lockdown hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die Familie harmonischer miteinander umging, wenn Zuckowski Weihnachtsstimmung verbreitete. Nun saß ich alleine in der Küche. Und liess die Musik laufen. Zuckowski sang: „Da war mit einem Mal der Himmel nicht mehr fern. Da sang ein Engelschor: Die Welt ist nicht verloren. Und über allem strahlte hell der Weihnachtsstern.“ Ich wählte die Wiederholungsschleife. Ein Kinderlied tröstete mich. Muss ich mich dafür schämen? 

Wie 2020. Nur noch schlimmer

Wer von uns hätte wohl letztes Jahr im Dezember gedacht, dass wir auch 2021 im Advent dieselben Nachrichten lesen, dieselben Diskussionen führen, dieselben Sorgen teilen würden? Nur noch schlimmer. Weil jetzt war ja auch noch: Afghanistan, militärische Aktivitäten an der Grenze zur Ukraine, überall Konflikte und ein neues Wort, das eigentlich gar nicht so fürchterlich klang, wie es sein sollte: OMIKRON. Die Weihnachtspläne werden wir wieder verschieben müssen. Zur dänischen Familie fahren bei einer Inzidenz von über 900? Möchte ich die 800 Kilometer in einem übervollen Zug zurücklegen, um zu meinen eigenen Eltern zu kommen?

Das Kostbare kostbar lassen

Ich hatte gerade einen Blogbeitrag für ein Schweizer Reiseunternehmen geschrieben. „Corona hat uns gelehrt, zu verstehen, dass Reisen keine Selbstverständlichkeit sind“, schrieb ich da. Wir hatten sie uns einfach erschaffen: Eine Welt, in der alles möglich sein sollte und musste. Dafür überrollten wir alles, was sich uns in den Weg stellte. Das Wohl der Natur, der Tiere, der Menschen. Reisen sind kostbar. Die Erfahrungen, die wir dabei machen, noch kostbarer. Und ist nicht alles, was uns kostbar ist, auch so zu behandeln? Wir müssen wieder lernen, dass wir nicht alles in der Hand haben. Aber trotzdem bedeutet das nicht, dass ich jetzt Trübsal blase, mich aufrege, Gräben grabe zwischen denen, die anderer Meinung sind und mir. Wenn Weihnachten vorbei ist, werde ich zwischen den Jahren, der einzigen Zeit, in der Langsamkeit erlaubt ist, darüber nachdenken wie 365 Tage verlaufen sind. Es werden auch dieses Jahr mehr schöne als schlechte Erinnerungen bleiben.

Chaos. Wunder. Das ist Weihnachten

Vergangenen Dezember hatte ich ein Interview im Süddeutsche Magazin mit dem Münchener Pfarrer Rainer Maria Schießler gelesen. Da sagte er: „Wissen Sie was, die Leute reden immer von einem harmonischen Weihnachtsfest. Warum eigentlich? Als Jesus geboren wurde, war nichts harmonisch: Volkszählung, Militärtruppen, Wucherpreise, Guerilla-Anschläge, das war ein riesiges Durcheinander, und dann wird in einem Stall dieses Kind geboren, ein Wunder im Chaos, das ist Weihnachten.“ 

Dieses Bild trägt mich nun schon zum zweiten Mal durch die Weihnachtszeit. Ich schiebe es mit einem Schmunzeln vor mir her: Ein Wunder im Chaos. Das ist Weihnachten. Deswegen dürfen wir uns auch ruhig über Weihnachten freuen. Über den Christbaumstollen und die leuchtenden Augen der Kinder. Über jede neue Kerze am Adventskranz, jedes Türchen am Adventskalender. Jede Umarmung, jedes „Frohes Fest“. Den Geruch von Frischgebackenem. Geschenke unterm Tannenbaum. Und natürlich: Rolf Zuckowski. Merry Christmas. 

Mamas, Lust auf Abenteuer?

Vielleicht liegt es daran, dass Stefanie Seitz Chemikerin ist und ihren Forscherdrang einfach nicht zügeln kann. Und natürlich daran, dass sie einfach Bock auf Natur und Abenteuer hat. Auf jeden Fall hatte die Mutter eines achtjährigen Sohnes eine ziemlich coole Idee. Sie bat ihren Chef darum, ihre Kreativität noch mehr ausleben zu können und meldete dann ein Kleinunternehmen im Nebenerwerb an.  Es heißt „Mama macht Abenteuer“, und Stefanie Seitz bringt nebenberuflich Eltern bei, wie sie mit ihren Kindern die Natur entdecken können, denn Stefanie ist nicht nur Chemikerin, sondern auch angehende Umwelt- und Naturpädagogin. Ihr ist wichtig, dass Eltern locker und  leicht zu Helden für ihre Kinder werden. Kann man gebrauchen in Zeiten wie diesen. Denn Stefanie Seitz vermittelt auf sehr sympathische Weise, dass Kinder eigentlich keine Spielplätze brauchen. Im Interview reden wir darüber, warum so etwas wie ein Abenteuer-Kurs heutzutage überhaupt notwendig ist, wie wir unsere Kinder im Winter nach draussen kriegen und über Ideen für Pandemie-Tage. Auf ihrer Webseite gibt es sogar eine Online-Anleitung für die Mini-Schatzsuche im Winter. Kostenlos!

Liebe Stefanie, nun wissen wir ja alle, wir werden noch eine Weile 24 Stunden am Tag mit unseren Kindern beschäftigt sein. Jetzt ist Winter, meine Kids haben sich zuhause schön eingemümmelt um die Weihnachtszeit. Ich habe es also nicht so leicht, wenn ich sie nach draussen bewegen will. Was ist das Geheimnis?

Es gibt einen Trick und das ist die Sprache. Ich frage gar nicht erst, ob wir loswollen, sondern ich sage: Wir machen jetzt Detektivarbeit – Wer kommt mit?  Vorher habe ich mir natürlich dann etwas überlegt. Ich stelle kleine Aufgaben. Bei größeren Kindern kann man beispielsweise sagen: Fotografiere etwas Blaues. Damit wecke ich schon mal die Neugier. Wenn wir zurückkommen und die Aufgabe gelöst wurde, gibt es dann eine Kleinigkeit, das kann eine kleine Tüte Gummibärchen sein, einfach ein kleiner Preis dafür. Es ist sozusagen eine Schnitzeljagd im Kleinen. Mit jüngeren Kindern kann man zum Beispiel etwas sammeln. Eine Aufgabe könnte sein: Sammele zehn Tannenzapfen. Sobald die Kinder draussen sind, geht dann eigentlich ohnehin alles von allein. Dann gibt es ja immer etwas zu entdecken. Die meisten Kinder erkennen die unendlichen Spielmöglichkeiten. Man muss also gar nicht Dauermoderator sein.

Du bietest für Erwachsene Kurse an, bei denen sie lernen sollen, mit ihren Kindern die Natur zu entdecken. Wenn nicht Lockdown wäre, würdest du also wirklich mit deinen Kunden raus gehen und ihnen erklären, wie eine Schatzsuche abläuft?

Ja, wir gehen normalerweise raus. Mikroabenteuer nenne ich die Abenteuer, die wenig oder gar kein Geld kosten und einfach vor der eigenen Haustür erlebbar sind. Wir lernen dann in den Kursen, wie wir sie planen, welches Material benötigt wird, wie man etwas mit Steinen bauen kann oder auch ein Lagerfeuer macht.

Und jetzt hast du es auf online umgestellt? Wie kann man sich das vorstellen?

Das habe ich im letzten Jahr tatsächlich gemacht. Und es ist eigentlich ein Kurs für die Mamas. Ich habe gemerkt, viele Mütter haben die Einstellung: der Papa ist für Abenteuer zuständig. Und ich fragte mich: Wieso ist das eigentlich so? In Gesprächen merkte ich dann, dass die Mütter glaubten, sie hätten gar keine Ideen. Und zum Teil fehlte ihnen auch der Mut. So habe ich den ersten Onlinekurs in einer kostenlosen Beta-Version angeboten. Da haben sich 21 Frauen gefunden. Die Idee ist natürlich zunächst, die Leute rauszubringen. Wir sammeln erst einmal Ideen, es gibt viele Möglichkeiten: Sterne gucken, eine Nachtwanderung – das ist total spannend und man muss übrigens gar nichts machen – , ich zeige, wie man mit einer Sternkarte umgeht, und es geht dann hin bis zum draussen übernachten im Sommer. Das kann man ja auch in manchen Fällen zuhause, beispielsweise auf der Terrasse, wenn es eine gibt. Da habe ich übrigens eine nette Geschichte von einer Mutter, die das dann umsetzte und mir später erzählte, das Kind habe wunderbar draussen geschlafen, aber sie habe kein Auge zugemacht, weil sie einfach die vielen Geräusche wahrgenommen hat, die es zu jeder Uhrzeit gab. Sie hat sich gewundert, dass die Zeitung wirklich wahnsinnig früh am Morgen ausgetragen wird. Und sie fand das alles so gut, dass sie dann auch ihren Milchkaffee unbedingt noch draussen trinken wollte. 

Wenn der Kurs wieder draussen stattfinden kann, was passiert dann? 

Ich stelle zunächst Ideen vor, zeige also Möglichkeiten auf, was man alles machen kann und dann darf sich jeder ein Projekt aussuchen, das er gerne machen würde. Mein Ansatz ist es, die Verbindung der Eltern mit den Kindern im Grundschulbereich zu stärken, denn in der Pubertät ist es oft zu spät, dann wollen die Kinder die Eltern gar nicht mehr dabei haben. Einmal draußen mit den Kindern zu übernachten – das ist mein Ziel für die Eltern.   Denn das schafft die Erinnerungen! Und zwar vor allem die Dinge, die schief gegangen sind. Wenn man alles für das Essen vorbereitet, aber dann den Dosenöffner vergessen hat und so was – das sind Geschichten, an die sich die Kinder auch gerne erinnern.

Wie ist denn diese großartige Idee entstanden, von einem Blog der irgendwas mit nachhaltigem Reisen zu tun haben sollte, zur Abenteuer-Expertin zu werden? 

Ich wollte zunächst einfach meine Kreativität ausleben und das begann mit dem Reiseblog. Da sollte es um Urlaub und nachhaltiges Reisen gehen. Die Kurzversion ist, dass sich dann auch durch den Lockdown Entdeckungstouren vor der Haustür mit meinem Sohn zu einer regelmäßigen Wochenend-Aktivität entwickelt hatten. Wir griffen zum Fernglas und mal zum Taschenmikroskop. Ich kombinierte alles Mögliche miteinander und an Ideen mangelte es uns nicht. Die Verbundenheit mit meinem Sohn und innerhalb unserer gesamten Familie nahm deutlich zu und die Gelassenheit stieg. Ich begann Blogartikel zu schreiben, wie „5 gute Gründe für Mikroabenteuer mit Kindern“ und „How to übernachten im Wald“ und dann entwickelte sich immer mehr die Idee daraus, einen Kurs anzubieten.  Und ich habe mich gefragt: Warum finden andere Mütter das so schwierig? Das ist es doch gar nicht. Deswegen ist meine Zielgruppe jetzt auch die Eltern und nicht die Kinder.

Hinhören und hinsehen – das seien die Geheimnisse, wenn man mit Kindern draussen was erleben wolle. Vor allem im Winter.

Als sich im vergangenen März so viele Erwachsene darüber echauffierten, dass die Spielplätze geschlossen wurde, habe ich mich gefragt: Habe ich wirklich eine einzige Kindheitserinnerung an einen Spielplatz? Die Antwort war nein. Warum klettern wir nicht mit ihnen im Wald, suchen Tierspuren, schauen durch Ferngläser … ?

Ich glaube, die meisten haben es mittlerweile eben verlernt. Sogar unsere Generation. Man muss nicht nur die Jugendlichen heute anschauen, sondern wir waren da genauso. Wir hatten vielleicht noch keine Handys, aber dafür gab es RTL und Computerspiele und Nintendo und ich habe Schulfreunde, die saßen wirklich sonntags den ganzen Morgen vor dem Fernseher. Und das war einfach ein schleichender Prozess, der in den nachfolgenden Generationen noch mehr fortgeschritten ist. Wenn wir ehrlich sind und mal einen Spielplatz anschauen, dann spielen Eltern dort ja nicht mit ihren Kindern, sondern sie sitzen auf der Bank, quatschen oder beschäftigen sich mit ihrem Smartphone. Die Kinder werden also auf dem Spielplatz geparkt. Und diese Möglichkeit, immer abgelenkt sein zu können, die haben wir ja heute. Es gibt natürlich auch Eltern, die es sich erhalten haben, achtsam mit ihren Kindern etwas zu unternehmen. Das sind diejenigen, die einfach selber gerne noch in eine Pfütze reinspringen. Wenn man sich aber so anzieht, dass es ein Drama ist, wenn etwas schmutzig wird, dann trägt sich das an die Kinder natürlich auch weiter. Und so entsteht das, dass Menschen es verlernen, sich auch mal einfach so zu verhalten, wie Kinder das tun würden.

Ich habe manchmal das Gefühl, ich werde schräg angeschaut, weil ich zusammen mit meinen Kindern das Klettergerüst hochklettere oder die Rutsche mit ihnen runterrutsche. So als müsste ich mich dafür schämen, dass ich auch gerne mal der Entertainer bin. Bei dir hört es sich so nett an, wenn du sagst: Wir haben es einfach verlernt. Es ist also nicht die fehlende Lust und Bequemlichkeit derjenigen, die auf dem Spielplatz nur auf der Bank sitzen?

Nein, wir haben es tatsächlich verlernt. Es ist natürlich für Erwachsene schwierig, stundenlang Lego zu spielen. Wir müssen erst mal wieder in den Kontakt kommen, aber eigentlich wollen Kinder auch gar nicht stundenlang bespielt werden. Sondern mal 30 bis 40 Minuten am Stück alleine mit Mama oder Papa spielen und dann halt auch so, dass die Eltern nicht abgelenkt sind. Die Zeit geht wirklich so schnell vorbei, irgendwann brauchen die Kinder das nicht mehr. Aber für jüngere Kinder ist es einfach sehr schwierig, wenn sie das Gefühl bekommen, sie laufen immer nur so nebenher mit, aber stören eigentlich. Und dieses Gefühl entsteht, wenn Eltern ständig sagen: „Ja gleich machen wir das. Gleich.“ Das Gute ist: Draussen ist das tatsächlich nicht so einfach möglich, draussen genießt man die gemeinsame Zeit mehr. 

Jetzt ist Winter. Mit der Übernachtung draussen ist es etwas schwierig, wir hatten hier übrigens auch noch nicht einen Tag Schnee. Hast Du ein paar Ideen, wie wir den Lockdown überstehen können?

Hinhören und hinsehen, was gerade da ist. Kinder müssen draussen nicht leise sein aber das kann man manchmal bewusst steuern und sagen: Hey, wir lauschen mal jetzt. Gerade in der jetzigen Jahreszeit. Welche Tiere sind eigentlich da? Ja klar, im Winter ruht vieles aber da sind trotzdem Tiere, da gibt es Futterhäuser und Vögel. Bald hört man die auch schon wieder zwitschern. Die Sprache macht viel aus. Kleine Kinder entdecken draussen wahnsinnig viel und bleiben überall stehen. Das haben wir Erwachsene leider verlernt, aber das kann man einfach selbst auch mal wieder ausprobieren und genau hinschauen.

Der Jahresrückblog – oder: Will eigentlich irgendjemand noch etwas über 2020 lesen?

Warum schreibe ich Anfang des Jahres 2021 einen Jahresrückblick auf das Jahr 2020? Dieses 2020. Ausgerechnet. Davon will doch niemand mehr was lesen, oder? Ich habe noch nie so viele Menschen über ein Jahr schimpfen hören. So viel Gemecker.

Nimmt das nicht viel mehr Energie als ’ne Covid-19-Pandemie (Kleiner Reim-Scherz, sorry!)?

2021 – massiv unter Druck

Und jetzt, nur weil plötzlich wieder Januar ist, jubeln alle. Ich bin immer für positives Denken. Daher sage ich: Sehr gut! Nur: Wir kennen das große Ganze nicht. Aber jetzt schreibe ich schnell noch etwas Schönes über das Jahr 2020. Über all das, was ich aus 2020 mit in das neue Jahr nehme, das von allen Seiten so massiv unter Druck gesetzt wird. Ich habe wenig Vorsätze (ein paar aber schon), vor allem aber Vorstellungen von Gefühlen, die ich mit in das neue Jahr nehme.

Am 24. Dezember des Jahres 2020 habe ich es wirklich fertiggebracht, kurz bevor ich ins Bett bin, noch mal darüber nachzudenken, wie dieses Jahr für mich verlaufen ist. Das Erstaunliche ist, während mir kurz zuvor auf Instagram Postings wie „Arschweihnachten“ ins Auge gesprungen waren, ist mir viel mehr Positives zu diesem Jahr eingefallen als Negatives. Dazu schiebe ich jetzt noch kurz eine kleine Bemerkung ein: Dieses Jahr habe ich vor Weihnachten viel mehr Post verschickt als in den vergangenen Jahren. Ich war wohl nicht die einzige, die auf diese Idee gekommen ist. Die Briefkästen waren in der Woche vor Weihnachten hier in unserem Kiez zum bersten voll. An einem Abend kam ich mit meinen beiden Kindern zeitgleich am Briefkasten an wie ein junger Vater mit zwei kleinen Jungs. „Da geht noch was!“ strahlte er mich an, steckte seine Hände in den Briefkastenschlitz und presste mit aller Kraft die Post zusammen, damit auch wir noch unsere Karten in den Briefkasten stecken konnten.

Dürfen wir das?

Eine andere schöne Begegnung mit einer Fremden hatten wir im Frühsommer. Die Kinder spielten im Vorgarten. Corona war in aller Munde. Mein Mann war gerade nach Hause gekommen und wir standen vorm Haus und sahen den Kindern dabei zu, wie sie Fangen um das Haus herum spielten. Vor uns auf dem Gehweg kam plötzlich eine Frau mit ihrem Fahrrad zum Stehen. Die Kette war gerissen. Mein Mann erklärte sich bereit, das Problem zumindest provisorisch zu lösen. Es war ja Pandemie-Zeit, die Frau zögerte, dann huschte ein dankbares Lächeln über ihr Gesicht. Sie war Ärztin, erzählte sie uns, jetzt auf dem Weg nach Hause, zu ihrem kleinen Sohn. Mein Mann machte sich an dem Fahrrad zu schaffen, es kam mir vor, als würde es noch eine Weile dauern und ich fragte, ob ich einen Kaffee machen sollte. Wieder dieses zaghafte Lächeln zwischen: „Dürfen wir das jetzt?“ und „Eigentlich wäre das schön.“ Ich bin hoch, wusch mir die Hände, machte den Kaffee, wusch mir wieder die Hände und brachte ihn nach unten. Etwa eine Woche später stand vor unserer Haustür ein Päckchen. Da standen die Vornamen von mir und meinem Mann drauf, eine kleine Karte klärte mich auf: „Danke für die schöne Begegnung, den Kaffee und die Hilfe mit dem Fahrrad.“ Eingepackt hatte sie uns eine Packung hochwertiger Kaffeebohnen …

Keine Begegnungsüberfrachtung

Dieses Jahr sind mir wirklich so einige Begegnungen mit Menschen in Erinnerung geblieben, die sehr schön waren. Vor allem natürlich Begegnungen mir Freunden. Und ich fragte mich natürlich, ob mir nur aufgefallen ist, wie besonders schön diese Begegnungen waren, weil es eben nicht so viele waren als sonst. Liegt es daran, dass wir uns in diesem Jahr auf so wenige Begegnungen konzentrieren konnten, dass sie uns als besonders schön in Erinnerung geblieben sind? Oder weil wir es einfach vermissten, andere zu treffen? Oder habe ich die Begegnungen nur so intensiv wahrgenommen, weil mein Jahr nicht so überfrachtet von Begegnungen war? Ich will damit nicht sagen, dass ich das immer so haben möchte. Nein, auch ich bin froh, wenn ich wieder ständig Leute treffen darf. Wenn meine Küche wieder voll ist und ich nicht nachkomme, Kaffee zu brühen und Milchhäubchen darauf zu verteilen. Aber ich kann diesem Jahr einfach etwas abgewinnen.

Mama – eine dankbare Aufgabe

Das erste Halbjahr des Jahres war ich vor allen Dingen eines: Mama. Wir hatten fast nur gute Tage. Meine Kinder waren nicht schlechter gelaunt als an Kitatagen. Irgendwann habe ich mich hingesetzt und zusammengerechnet, wie viel Zeit wir in Frühjahr und Sommer ausnahmslos miteinander verbracht hatten. Und ich dachte: „Lächerlich! Am Ende meines Lebens wird es mir vorkommen, als wäre das gar nichts gewesen!“ Wie dankbar werde ich dann auf das Jahr 2020 blicken! Ich weiß noch, dass der Frühling so dahinplätscherte, dass ich noch am Anfang zu einer meiner Freundinnen sagte: „Ich fühle mich um diesen Frühling betrogen“, obwohl in Kiel ausnahmslos die Sonne schien – wie skurril. Aber ich fühlte mich um ihn betrogen, weil ich normalerweise Ostern im Garten meiner Eltern feierte und das nicht möglich war, weil ich um Spielplätze einen Bogen machen musste und meine Freundinnen nicht zum Kaffee treffen durfte. Und dann, irgendwann, ich hatte fast vergessen, wie er sich anfühlte, kam der Sommer. Wir verliebten uns in einen Maulbeerbaum. Aßen schwarze Maulbeeren wie Himbeeren. Saßen an der Ostsee im Sand. Entdeckten Buchten, die so abgelegen waren, dass ich mich fragte, ob ich einen erneuten Lockdown verpasst hatte. Und verbrachten dann drei wahnsinnig schöne Wochen bei meinen Eltern in der alten Heimat. Ich habe diese drei Wochen ganz intensiv mit meiner Familie verbracht, denn ich wollte so lange ich bei meinen Eltern war, zu deren Schutz niemand anderen treffen. Das läuft sonst natürlich anders ab bei Heimatbesuchen. Und was ich mir zunächst noch ein bisschen schwierig vorgestellt hatte, wurde wunderbar. Es gab keinen Lagerkoller. Auf der Rückreise machten wir zwei Zwischenstopps bei Freunden. Das waren unter anderem die schönen Begegnungen des Jahres 2020. Zwei Übernachtungen bei anderen Familien. Zeit, die man intensiv miteinander verbringen konnte. Als die Kinder schliefen, sassen wir mit unseren Freunden im Garten bis in die Nacht hinein. 

Vergessene Pandemie in Kiel

Den Rest des Sommers verbrachte ich am Meer. Denn da wohnen wir. In diesem Jahr habe ich mich in die Ostseeküste verliebt. Für viele meiner Freunde klingt das erstaunlich, schließlich habe ich schon am Pazifik gelebt, bin in meiner Freizeit am Wochenende um die Channel Islands getaucht, hab beim Joggen Delfinen beim Baden zugesehen, feierte Weihnachten mit Spaziergängen am Ozean und 18 Grad. Nun aber liebe ich die Ostsee. Ich habe jeden Tag, an dem ich mit den Kindern im Sand saß, voller Dankbarkeit für dieses Leben auf das Wasser geschaut. Meine Töchter rannten mit mir durch die Wellen. Da war sie ziemlich in Vergessenheit geraten – die Pandemie. Meinen Rückblick auf den Sommer mit vielen Tipps für Aktivitäten mit Kindern in und um Kiel findest du hier.

Ich habe in diesem Jahr nicht viel vermisst. Außer meine Eltern. Die Möglichkeit, wann immer ich möchte, die Kinder in den Zug setzen zu können und die acht Stunden durch Deutschland zu rollen, um dann meine Eltern in die Arme schließen zu können. Und ich weiß auch heute nicht, wann exakt wir uns wiedersehen können. Und ob. Mein Vater wird in ein paar Wochen 81.

Das dritte Buch, Yoga Ups and Downs und ein Lockdown ohne Grenzen

Beruflich war das Jahr für mich kein schlechtes. Ich habe an meinem dritten Buch gearbeitet, das im April 2021 im riva Verlag veröffentlicht wird und meiner Meinung nach ein wichtiges Buch für unsere Gesellschaft ist. Die Arbeit daran hat viel Spaß gemacht, war aber auch kräftezehrend. Hier habe ich darüber berichtet. Ich durfte tolle Yogaklassen unterrichten und erlebte das Hin-und-Her zwischen Lockdown, Wiedereröffnung von Yoga- und Fitnessstudios, Teillockdown und Lockdown 2 wie eine Berg- und Talfahrt. Ende März hatte ich mich noch darüber geärgert, dass ich meinen Yogaretreat in Österreich nicht hatte durchführen können. Es dauerte nicht lange, da war mir das ziemlich egal. Online-Yoga hat auch für mich seine Berechtigung erhalten. Der direkte Kontakt mit den Schülern fehlt mir trotzdem. Eigentlich hatte ich dieses Jahr beruflich richtig durchstarten wollen, nachdem meine Kinder nun seit August beide einen Ganztagesplatz in der Kita beanspruchen dürfen. Aber na ja, wie wir alle wissen, war die Kita Mitte Dezember dann ja wieder zu. Wann sie wieder öffnet, weiß nun gerade niemand. Im vergangenen Jahr habe ich in dem Podcast Wandaful Yoga von Wanda Badwal das Interview mit Veit Lindau gehört. Das war eine schöne Inspirationsquelle und der Hinweis von Veit Lindau, dass man das, was man tut, mit Hingabe tun sollte, dass man sich genau an das, was man gerade tut, verschenken soll, hat mir sehr gut gefallen. Lindau sagt: „Es ist ein großes Missverständnis, zu denken, dass es in unserer Berufung darum geht, dass wir etwas bekommen.“

„Mama, der Mundschutz ist nicht blöd.“

Und dann war da der 24. Dezember, der so anders war als sonst. Weil wir wirklich niemanden getroffen haben. Es war ein schönes Weihnachten. Und ich ließ den Tag Revue passieren und dann das Jahr. Und wie gesagt, da fällt mir vor allem Positives ein. Ich habe wieder angefangen, zu bloggen und veröffentlichte seit Juni pro Woche mindestens einen, seit November mindestens zwei Artikel. Ich habe Dinge gemacht, die ich schon lange machen wollte. Zum Beispiel eine Lehrerin bezahlt, die mit mir nichts anderes als Pranayama, also Atemtechnik, übt. Ich war im Systemischen Coaching und in einer Therapiestunde. Ich habe mich für ein Kinderyoga-Lehrer-Training angemeldet. Ich habe mich 365 Tage an einer Zweijährigen erfreut und über eine Fünfjährige gestaunt. Vor zwei Wochen war mir draussen in der Kälte die Brille über dem Mundschutz angelaufen. „Blöder Mundschmutz“, sagte ich und meine Tochter sagte: „Mama, der Mundschutz ist nicht blöd.“ Auch darüber habe ich übrigens schon einen Text geschrieben.

Demut, Dankbarkeit, Rücksicht

Für mich stehen in diesem Jahr drei große Worte ganz weit oben. Demut. Dankbarkeit. Rücksicht. Und während ich so über alles nachdachte, fragte ich mich, ob wir Deutschen wirklich krisenfest sind. Ich höre und sehe so viel Gejammer. Aber wie würden wir uns verhalten, wenn eine wirkliche Tragödie uns erfassen würde? Wie zum Beispiel 2011 die Menschen in Fukushima. Oder die Menschen in Thailand, die im selben Jahr eine dramatische Flutkatastrophe erleben mussten. Oder die Menschen, denen 2005 Hurrikan Katrina einfach so die Häuser weggeweht hatte. Diese Liste ist beliebig lang weiterzuführen. Wir beanspruchen für uns selbst, das uns so etwas nicht widerfährt. Und das finde ich wahnsinnig hochmütig. In den letzten Wochen des Jahres sollte ich eine Reportage über kleine Unternehmer im Tourismus an anderen Orten der Welt schreiben und darüber, wie sie die Covid-19-Pandemie in diesem Jahr erlebt hatten. Und da war der Tourguide aus Kuba, der mir schrieb, dass seit Beginn der Pandemie nur zwei Touristen seine Tour gebucht hatten und dass er nun darauf wartete, dass alles wieder besser werde. Dass er nun als seine Aufgabe sehe, andere Menschen davor zu bewahren, krank zu werden. Er jammerte nicht.

Ich habe 2020 endlich auch mal wieder viel gelesen. Wo ich die Zeit hergenommen habe? Keine Ahnung. Und so habe ich viel gelernt in diesem Jahr. Das alles nehme ich mit ins neue Jahr. Auch, dass Egoismus out ist. Das ist eigentlich mit die schönste Erkenntnis des Jahres. Eine Frau, die ich auch erst in diesem Jahr kennenlernen durfte, schickte mir im Dezember eine schöne Geschichte. Sie passt auf das letzte Jahr. Als wäre sie dafür geschrieben worden. Und sicher auch auf das neue.

Der Chinesische Bauer
Autor unbekannt
Im alten China lebte ein Bauer, dessen einziger Besitz ein wundervoller schwarzer Hengst war. Dazu muss man wissen, dass das zur damaligen Zeit ein sehr wertvoller Besitz war. Selbst der Kaiser träumte von so einem Pferd! Die Dorfbewohner kamen eines Tages und sagten: »Mein Gott du hast ein ein Glück, so einen tollen Hengst zu besitzen, der dir auf deinen Feldern so fein zur Arbeit geht!« »Ja« sagt der Bauer, »das ist richtig! Es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Eines Tages lief er fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: »Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!«. Aber der Bauer antwortete: »Ja, das ist richtig! Es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. »So viel Glück! Mein Gott, was du für Glück hast! Jetzt hast du statt einem Pferd so viele!« riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte: »Ja, jetzt hab ich so viele! Schön. Aber es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, eines der wilden Pferde zu reiten, aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. »Oh, so ein Pech! Jetzt ist dein einziger Sohn vielleicht ein Krüppel und kann dir nie wieder richtig zur Hand gehen!« Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder: »Ja, darüber bin ich sehr traurig! Aber es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: »Was für ein Glück, daß dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss! So viele junge Burschen verlieren dort täglich ihr Leben!« freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: »Könnte ich euch nur helfen, weiter und tiefer zu sehen, als ihr es bisher vermögt. Wie durch ein Schlüsselloch betrachtet ihr euer Leben, und doch glaubt ihr, das Ganze zu sehen. Niemand von uns weiß, wie sich das große Bild zusammensetzt. Was eben noch ein großes Unglück scheint, mag sich im nächsten Moment in Glück erweisen. Anderseits erweist sich scheinbares Unglück auf längere Sicht oft als Glück und umgekehrt gilt das gleiche. Was daraus wird, weiß keiner von uns. Und jetzt geht nach Hause, und teilt die Zeit miteinander, die euch bleibt.«

Frohes neues Jahr.

Lauschangriff und Lesestoff vom 20.11.2020

Diese Woche startete für mich mit dem Geburtstag unserer Tochter. Dem fünften. Das heißt, egal, wieviel Mühe man sich gibt, solche Geburtstage können so oder so ausgehen. Weil Geburtstage für Kinder ja immer mit besonders hohen Erwartungen verknüpft sind und mit Überfluss an Emotionen. Daher musste ich ein bisschen schmunzeln, als mir am Abend bewusst wurde, dass niemand aus unserer Familie an diesem Tag geweint hatte. Check! Alle waren froh. Irgendwann am frühen Abend hatte das Geburtstagskind allerdings leise gefragt: „Warum ist gar niemand gekommen, Mama?“ Ich habe es ihr erklärt. Für Kinder im Kindergartenalter ist ein Lockdown light schwer zu begreifen. Im Frühling hatte das besser geklappt. Wenn Kitas für die meisten Kinder unzugänglich, Spielplätze mit Absperrband dekoriert und Tische und Stühle von Cafés draussen mit schweren Ketten gesichert sind, ist „Corona“ auch für Kinder greifbar. Jetzt ist das etwas schwierig. Für meine Kinder ist Corona gerade sehr weit weg, für uns Erwachsene nicht so …

Ich habe diesen Artikel in der vergangenen Woche gefunden und bin nicht besonders überrascht. Ich kann mir wage vorstellen, wie es sich anfühlen könnte, wenn man Covid-19-positiv getestet wäre und sich schuldig fühlen würde, weil man potenziell Menschen angesteckt hat, die dann ernsthaft krank oder sogar sterben werden. Bereits aus dem Sommer ist der Bericht von Lara Keuthen vom Peppermyntha Magazin und vor kurzem gab es ein Update dazu, das ich besonders interessant finde.

Ich zelebriere meine wöchentlichen Gänge zum Wochenmarkt, wo wir den Großteil der Lebensmittel kaufen, die wir verbrauchen. Wir haben Glück; unser Wochenmarkt ist besonders attraktiv und dort gibt es auch einen landwirtschaftlichen Bio-Betrieb, den ich schon mehrfach besuchen konnte und von dessen Arbeit ich überzeugt bin. Dass ich für die Lebensmittel vielleicht etwas mehr Geld ausgebe, stört mich nicht, ich mache gerne anderswo Abstriche und investiere in das, was ich in mich reinstecke, also gesundes Obst und Gemüse. Dieser Bericht zeigt eines von vielen Problemen, die die Landwirtschaft heute hat. Und wenn es irgendwie geht, sollten wir versuchen, ökologisch und nachhaltig arbeitende landwirtschaftliche Betriebe zu retten. 

Sehr berührt hat mich diese Geschichte aus dem RosaMag. Es zählt jetzt zu meiner Pflichtlektüre.

Und dann, tja, wie so oft: wasfürmich. Diese Geschichte von Katharina Weck hat mir für einen kurzen Moment die Luft zum Atmen genommen: Dankbarkeit hat für mich in den vergangenen Jahren ohnehin schon eine neue Dimension erreicht – in diesem Jahr (wie für viele von uns) ist mir noch klarer geworden, wofür ich dankbar sein kann. Und dass mein Leben bislang ein Leben in Überfluss war. Und dann dieser Text. Er ist am 17. November erschienen, ich habe mir das Buch von Katharina Weck direkt bestellt und schon diese Woche angefangen zu lesen. In einer Rezension dazu habe ich gelesen: „…Sie besinnt sich auf das Wesentliche und gibt so allen Hoffnung, die sich ebenfalls in misslichen Situationen befinden. Alle anderen erinnert sie daran, wie belanglos die meisten Ärgernisse im Alltag sind.“ Das Buch muss also jeder lesen. 

Zum Schluss noch was Aufheiterndes. Auch dieses Interview hat mich beschäftigt und berührt. Ralph Caspers kennen Mütter und Väter vielleicht von der Sendung mit der Maus. Er hat jetzt auch ein Buch geschrieben, es heißt „99 harmlose Fragen für überraschende Unterhaltungen zwischen Eltern und Kindern“ und im Interview mit dem Süddeutsche Magazin erzählt er davon. Es ist wahnsinnig spannend und hat dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, ob ich mich eigentlich achtsam mit meinen Kindern unterhalte. Belanglosigkeiten und Floskeln, oberflächlichen Smalltalk und Fragen nur um gefragt zu haben, können wir uns wohl gerade in der Konversation mit unseren Kinder sparen, oder?

Und zum Lauschen? Da kann es diese Woche nur eine Empfehlung geben: Stefanie Luxat im Endlich Om-Podcast interviewt Bestseller-Autorin und Aktivistin Glennon Doyle. Da muss man nicht viel zu sagen. Einfach zuhören. 

Hab ein schönes Wochenende.