Im vergangenen Jahr hatte ich eine Yoga-Krise. Es ging dabei nicht um Yoga an sich, Yoga ist toll. Ja, ich bin über die Zeit, in der ich glaubte, Yoga sei ein Arschloch hinweg. Das liegt ganz bestimmt am Alter. Mich jucken meine Fehler nicht mehr so sehr. Was mich stört, versuche ich zu ändern. Aber manchmal ist es auch einfach okay. Weil auch das ist Yoga: Es mal gut sein lassen. In einer Welt, in der es permanent um Optimierung geht, kann es ganz schön sein, auch Dinge einfach zu akzeptieren.
Yoga für alle?
Aber zurück zur Krise. Ich hatte festgestellt, dass gerade diejenigen, die Yoga am allermeisten brauchen, nur schwer einen Zugang dazu bekommen. Beispielsweise Jugendliche. Wie viele wirklich gute Angebote gibt es für Jugendliche? Wird Yoga für Jugendliche nicht viel zu häufig mit Kinderyoga verwechselt? Und wer soll das eigentlich bezahlen? Jugendliche bringen ganz sicher nicht das Geld dafür auf, die Yogalehrer*innen angemessen zu honorieren. Und da liegt das ganze Problem: Yoga für Flüchtlinge. Yoga für Häftlinge. Yoga für Ausgebrannte. Yoga für Alte. Diese Liste ist bis ins Unendliche weiterzuführen. Und ganz ehrlich: Ja, klar, auch ich habe schon was von Karma Yoga, Yoga des selbstlosen Dienstes, gehört. Das sind große Worte, die lernt man ganz zu Beginn jeder Yogalehrer-Ausbildung. Yoga bedeutet, auch etwas zu geben, ohne gleich immer nehmen zu müssen. I get it. Das ist auch wirklich gut und wichtig. Aber am Ende des Tages muss auch ich mir etwas zu Essen kaufen und meine Miete zahlen. Denn leider gibt es hier niemanden, der mir Kost und Logie für meine vierköpfige Familie anbieten würde – so war das nämlich damals, als Yogalehrer angeblich für ihre Arbeit nicht entlohnt wurden.
Tränen der Dankbarkeit
Und dann also kam ich zu dem Punkt, an dem ich mich fragte, ob das überhaupt Sinn mache. Und na klar, es macht Sinn. Schließlich brauchen auch diejenigen Yoga, die richtig viel dafür zahlen. Aber es nervte trotzdem noch. Ich weiß nicht, wie wir richtig guten Yoga genau denjenigen geben können, die es brauchen. Ich wünsche mir, dass das irgendwann irgendwie möglich sein wird. Ich sehe jeden Tag Jugendliche, die dringend Yoga brauchen (lese hierzu auch meinen Artikel zum Thema). Kurzfristig wollte ich den ganzen Yogakram hinschmeissen. Und dann unterrichtete ich mal wieder eine Stunde im Fitnesstudio. Ein Kurs, da kommen alle. Alte, Junge, Bewegliche, Unbewegliche. Und da war diese Postbotin, die mich vor der Stunde zaghaft fragte, ob sie am nächsten Tag Muskelkater haben würde. „Na ja, das kommt ganz drauf an“, sagte ich und dann erzählte sie mir, dass sie Briefe austragen müsse und Muskelkater für sie total ungünstig sei, weil sie es dann kaum schaffe, die Strecke zurückzulegen. Wir fingen an mit Yoga, mit Atmen und sanften Bewegungen, leichten Sonnengrüßen und ganz viel Entspannung. Und zwischendrin zeigte ich ihr, wie sie ihre Plantarfaszie behandeln, ihre Handgelenke stärken und schützen könne und da saß sie nach der Stunde und ihre Augen füllten sich mit Tränen vor Dankbarkeit. Da war sie wieder. Die große Yogaliebe. Die Krise überwunden?
Yoga, schreiben und manchmal alles zusammen
In meinem Herzen schlagen zwei Passionen. Die eine ist es, zu schreiben. Worte auf Papier zu bringen. Sätze zu formen. Die andere ist es, als Sportwissenschaftlerin und Yogalehrerin Menschen zu zeigen, wie sie sich besser fühlen können. Es war nicht immer einfach beides miteinander zu verbinden. Momentan unterrichte ich eine einzige Stunde in der Woche. Und manchmal ruft ein Unternehmen an. Wie kürzlich zum Beispiel. Ob ich drei Beiträge zum Thema Yoga schreiben und einen Talk dazu geben könne? Ja, klar. Beides. Yoga für alle.