Schlagwort: Haltung

Lauschangriff und Lesestoff vom 16. April 2021

Vielleicht kennst du auch diese psychologischen Diagramme, die Freunde von dir auf Facebook posten: „Die ersten drei Wörter, die du findest, verraten etwas über dein Unterbewusstsein“, heißt es da in einem Wirrwarr an Buchstaben. Muss man nicht so ernst nehmen. Oder doch? Ich habe aus Spaß natürlich mal genauer hingeschaut. Na, was kam wohl raus? Connection, Gratitude und Love. Hm? Fand ich erst gar nicht gut. Ich wollte gerne: Money! Ha! Ernsthaft. Dann habe ich über die Wörter nachgedacht und fand es gar nicht mehr so schlecht. Connection? Brauchen wir alle wohl in dieser aktuellen Zeit. Gratitude – das ist eins meiner Lieblingswörter und ich versuche mich ständig daran zu erinnern. Auch wenn alles zusammenzubrechen droht. Und Love ist wohl generell das allerwichtigste. Definitiv wichtiger als Money. Ziemlich Yogalehrer-klischeehaft meine drei Wörter, was? Hab mich fast dafür geschämt. Ich habe keine Ahnung, was das wirklich über mein Unterbewusstsein aussagt, ich müsste mal einen vernünftigen Psychologen fragen, aber eines ist klar: Alleine weil ich mich kurz gedanklich mit den drei Begriffen beschäftigt habe, hat das wohl Auswirkungen auf mein Unterbewusstsein und hoffentlich auch auf mein Bewusst-sein.

TV-Tipp

Heute gebe ich dir hier übrigens neben einem Podcast-Tipp auch einen TV-Tipp. Heute Abend sitzt meine Co-Autorin und Freundin Katharina Bauer in der NDR-Talkshow und erzählt von ihrem spannenden und inspirierenden Leben als junge Frau, Leistungssportlerin und Yogini mit einem implantierbaren Defibrillator im Körper. Sie erzählt von unserem neuen Buch und ihrem Traum, der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokyo. Vielleicht hast Du ja Lust, reinzuschauen. 

Neuer Podcast

Zwei bekannte Yogalehrerinnen aus Deutschland haben sich zusammengetan und einen neuen Podcast auf die Beine gestellt. Frei.sein heißt er. Karo Wagner und Ranja Weis unterhalten sich künftig regelmäßig über Persönlichkeitsentwicklung, Heilung und alles, was inspirieren soll. Natürlich geht es dabei auch um Yoga. In der ersten Folge sprechen die beiden kurzweilig in knapp 14 Minuten über ihre persönlichen Alltagstipps „auf dem Weg zu innerer Freiheit“. Was mir dabei besonders gut gefällt, ist die Vielfalt, die durch die beiden vermutlich zwar ähnlichen aber dennoch auch unterschiedlichen Frauen entsteht. Wenn Karo Wagner beispielsweise davon berichtet, wie sie sich jeden Morgen erst mal Meditation und Stille gönnt und Ranja Weis dann sehnsüchtig lächelnd erklärt, dass das für sie ein wundervoller Gedanke ist, der aber praktisch als alleinerziehende Mutter nicht wirklich umsetzbar ist, denke ich sofort: Jaaaaa! Das ist das Leben. So geben beide – an ihre persönlichen Lebensumstände angepasst – Tipps und darunter ist sicher dann auch für jeden etwas dabei.

Schwierige Haltung

In der Süddeutschen Zeitung ist der Artikel „Schwierige Haltung: Corona und die Yoga-Szene“ erschienen. Ich habe ganz Yogaphilosophie-like 🙂 mein Dasein als Yogalehrerin zunächst abgeschüttelt und dann den Text gelesen. Ich sehe den Autor und seine Botschaft. Ich muss ehrlich gestehen, ich empfinde null Groll gegen den Autor, wenn ich das lese. Stattdessen wundere ich mich über Menschen, die sich während einer weltweiten Pandemie so benehmen, wie es der Autor beschreibt und dann auch noch von sich behaupten, besonders achtsam zu sein – das beinhaltet nämlich auch achtsam mit anderen umzugehen, egal woher sie kommen und egal, wie alt sie sind. Aber Fakt ist: Schwarze (oder nennen wir sie hier braune) Schafe gibt es überall. Wenn ein paar (medienwirksame) Personen, die zufällig auch Yogalehrende sind, Verschwörungstheorien anhängen, heißt das noch lange nicht, dass das etwas mit der allgemeinen Yogaszene zu tun hat. Dass Sinnsuchende auch immer narzisstisch sind, bezweifle ich stark. Vermutlich war es aber auch gar nicht so gemeint. Es wäre vielleicht ganz schön gewesen, wenn es einmal deutlich in dem Text rübergekommen wäre, dass Yoga Vidya oder einzelne Anhänger der Organisation nichts mit der gesamten Yogaszene zu tun haben … Für mich wäre es aber auch wichtig, dass Yogalehrende unabhängig von ihrer persönlichen, schwierigen wirtschaftlichen Situation die Lage betrachten könnten. Dass das schwierig ist, wenn die Existenzgrundlage weggebrochen ist und der Staat keine wirklichen Hilfen anbieten kann, verstehe ich auch. Ich persönlich sehe am Ende des Tunnels ein Licht. Ich bin in einem tiefen Vertrauen, dass wir auf das Ende dieser Pandemie zulaufen, auch wenn wir jetzt noch mal ein paar harte Wochen vor uns haben. Und ich habe auch kein Problem damit, mir ein Stäbchen in die Nase stecken zu lassen. Habe ich gerade gestern getan und das finde ich einfach in der aktuellen Situation nur respektvoll.

Im SZ-Magazin ist dieses geniale Interview erschienen. Du kannst es kostenfrei lesen. Das Thema beschäftigt mich zutiefst, da meine Kinder leider (noch) auf genau diesen Mist abfahren. Dieses Mädchen ist ein Knaller!

Mein Lieblings-Rezept für die kommende Woche findest du hier. Muss ich ausprobieren. Du auch?

Tadasana in jedem Asana – wie wir Haltung üben

„Tadasana in jedem Asana“, sagte meine Yogalehrerin in Kalifornien immer. Damit machte sie vermeintlich Widersprüchliches klar: Der Berg, oder auch „Tadasana“ ist gar keine einfache Yogahaltung. Doch: gelingt es uns, Haltung anzunehmen, werden auch komplizierte Asanas einfacher …

Beziehung zur Erde

Asana – das bedeutet eigentlich „Beziehung zur Erde“. Es heißt auch „Sitz“ und das verdeutlicht, dass Yoga ursprünglich, also so ungefähr vor 2000 Jahren oder so – wer weiß es schon genau? –, vor allem im Sitzen praktiziert wurde. Die Asanas, die wir heute kennen und auf der Matte als Yogahaltungen üben, sind zum Teil keine 100 Jahre alt. Früher wollten Yogaübende den Körper mobilisieren, um länger im Meditationssitz verweilen zu können. Sie wollten die Wirbelsäule dabei mühelos aufgerichtet halten, um Energie durch alle Chakren fließen lassen zu können.

Stabil und leicht – klingt umwerfend!

Asana kann aber auch so etwas wie der Sitz, auf den ich mich setze, bedeuten. Und nicht zuletzt hat es etwas mit der eigenen Haltung zu tun. Damit ist nicht nur die körperliche, sondern die innere gemeint. Die Haltung, die wir zum Leben einnehmen oder die, die wir anderen Menschen und auch Dingen gegenüber einnehmen. Wie die Beziehung zur Erde auch, sollte unsere Haltung – gerade beim Yoga üben – stabil und leicht sein. Klingt das nicht umwerfend? Davon, gerade stabil und leicht durchs Leben gehen zu können, wünsche ich mir jetzt so viel, wo hier drinnen wie draussen alles chaotischer nicht sein könnte. Sogar das Wetter macht was es will.

Und deswegen: Tadasana

Damit uns Leichtigkeit und Stabilität während der Asana-Praxis gelingt, brauchen wir ein stabiles Fundament. Das kann fast jeder mit der Berghaltung üben. Berg bedeutet auf Sanskrit „Tada“. Während viele Schüler/innen glauben, es handele sich dabei um eine sehr simple Haltung, ist das doch eigentlich gar nicht so einfach: Aufrecht zu stehen, ohne die Schultern hochzuziehen, die Bauchmuskeln etwas anzuspannen ohne den Bauch panisch einzuziehen, die Füße so zu positionieren und das Gewicht optimal zu verteilen, damit sich unser Fußgewölbe richtig ausbilden kann, die Oberschenkel und die Schienbeine leicht nach innen zu ziehen, während die inneren Knöcheln eher nach hinten ausgerichtet sind und die äußeren Knöcheln nach unten. Hä? Und dann weiter: Das Becken neutral halten, das Schienbein Richtung Steißbein ziehen, den Rücken lang lassen und die vorderen Rippen zusammenziehen? Und dann sagt der Lehrer: Entspanne die Wirbelsäule. Geht’s noch? Ja.

Körperbewusstsein, wie geht das eigentlich?

Körperbewusstsein zu schulen – auch darum geht es bei der Asanapraxis. Und gleichzeitig immer die Frage: Wie ist meine Beziehung zur Erde nun? Stabil und leicht? Yoga sollte keine Schmerzen verursachen. Das wird in der heutigen Zeit, in der wir doch alle auf Leistung ausgerichtet sind, häufig vergessen. Doch noch lieber eine Position einnehmen, die Instagram-like in Szene gesetzt werden kann. Ich gebe aber zu: Die Grenze zu finden, zwischen dem Üben in komplizierten Haltungen eine stabile und leichte Haltung einnehmen zu können, und dem übertriebenen Üben von imposanten Posen und tiefen Stretches, ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft die Schulung des Körperbewusstseins. Wie geht es mir in dieser Haltung? Soll ich weitergehen oder ist das zu viel für mich? Wenn wir diese Fragen in unserer Asana-Praxis betrachten, sie ernst nehmen und lernen zu beantworten, dann können wir das auch auf unseren Alltag übertragen, lernen Stopp zu sagen oder zu verstehen, wenn etwas nicht stimmt. Damit wir das spüren, sind ruhige und einfache Posen, bei denen wir zur Ruhe und in die Stille kommen, im Yoga unabdingbar. Ich komme nur darauf, weil mir kürzlich jemand die Frage stellte, ob Yoga und Meditation denn nun zwei verschiedene Sachen wären. Sie sind untrennbar miteinander verbunden.

Finde deine eigene Haltung

Tadasana korrigiert Fehlstellungen unseres Körpers, die wir im Alltag kaum wahrnehmen. „Die Kunst des fehlerlosen Stehens“, nannte B.K.S. Iyengar die Übung einst. Energetisch lehrt uns die Berghaltung, uns zu erden, Balance zu finden und Klarheit. Die „richtige“ Haltung einzunehmen, ist auch im übertragenen Sinne nicht leicht. Das wird in Zeiten wie diesen besonders deutlich. Mir hilft die Matte und damit die Asana-Praxis zusammen mit Pranayama – also der Atemübung – zu meiner eigenen Haltung zurückzufinden. Manchmal macht es mir einfach auch nur gute Laune. Das ist dann wiederum gut für die Menschen, gegenüber denen ich eine Haltung einnehmen muss.