Schlagwort: Jahresrückblick

The final C-ountdown

Vielleicht ist das, wenn man Heilig Abend mit der Dreijährigen in der Notaufnahme sitzt, schon der Wink vom Universum: „Ja, du hast viel gelernt 2021, aber das Jahr hat noch einiges zu bieten. Kannste von ausgehen …“

Die Bescherung zuhause verspätete sich nur um etwa eine Stunde. Meine Tochter war unglücklich auf die Heizung gestürzt – Loch im Kopf. In der Notaufnahme der Uniklinik wurden wir freundlich empfangen und kamen – entgegen meiner Befürchtungen – schnell an die Reihe. Weihnachten war noch nicht verdorben. Und ich war so dankbar. Weil mir in der sterilen Umgebung des Krankenhauses mit blauen Lichterketten am Fenster doch bewusst wurde, dass die meisten hier weitaus größere Probleme hatten, als Platzwunden am Hinterkopf. …Dass die meisten hier nicht so schnell wieder raus konnten und garantiert nicht um den Tannenbaum tanzen würden.

Der C-Test

Und dann kam der 27. Dezember, der Tag nach Weihnachten also. Die Zeit, auf die ich mich in diesem Jahr wirklich gefreut habe. Dabei kann ich mich nicht immer mit der Leere der Tage zwischen den Jahren anfreunden. Denn Advent hat für mich eine besondere Bedeutung und das was danach kommt, ist irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes: Das Jahr ist so gut wie vorbei, aber das Neue hat noch nicht angefangen. Diesmal jedoch sehnte ich mich nach Langsamkeit und zäh fliessenden Stunden. Ich wollte nachdenken, lesen und mich mit aller Aufmerksamkeit den Kindern und meiner Familie widmen. Ich wollte ein wildes Jahr Revue passieren lassen, das (scheinbar) alles zu bieten hatte und ich wollte meine Visionen für 2022 manifestieren. Vom Einzug ins neue Haus träumen. Und dann mit voller Wucht im Januar die neuen Jobs starten. 

Sofort Symptome!

Aber dann – ich hatte noch keinen Kaffee getrunken und nicht gefrühstückt – rief mein Mann aus seinem Büro an und sagte, sein Corona-Test sei positiv.  Und von diesem Zeitpunkt an schenkte mir 2021 noch mal so richtig ein. Ich spürte alles und nichts. Vor allem konnte ich nichts essen und nichts trinken. Man hat sofort Symptome. Die Frau vom Gesundheitsamt lachte Tage später, als ich, auf ihre Frage nach Symptomen sagte: „Nachdem mein Mann mir von seinem positiven Schnelltest erzählte, hatte ich Kopfschmerzen. Zählt das?“ Besonders spürte ich aber Schwere. Schuld. Scham. Das habe ich selten so erlebt. Ich sah bereits am 27. so blass aus, als hätte ich seit sieben Tagen Corona. Ich war wütend auf meinen Mann und schaffte es gerade noch so, die Kurve zu kriegen. Was sollen diese verdammten Schuldzuweisungen in einer Pandemie? Es ist wahrscheinlich nicht möglich, sich nicht irgendwann irgendwo anzustecken. Es kann jedem passieren. Wir waren immer vorsichtig. Wir haben Geburtstage – außer die der Kinder – nicht gefeiert, uns letztes Jahr Silvester nur mit einem weiteren Paar getroffen. Wir verzichteten auf die Hochzeit meiner Kousine. Fahren seit zwei Jahren nur im Sommer zu meinen Eltern. Meinen noch nicht ganz einjährigen Neffen habe ich erst einmal gesehen. Covid kann jeden treffen. Und es tut mir leid aber ich befürchte, es wird fast jeden treffen. Ich tat das einzig Richtige: Ich verwandelte das Wutgefühl in Sorge um ihn. Das PCR-Ergebnis kam noch am selben Tag. Positiv.

Ingwer gegen Corona

Nachts lag ich wach. Ich fragte mich, wie lange das in der Quarantäne so sein würde? Wie lange man schlaflose Nächte haben würde, aus Sorge um andere und die Kinder oder ob das irgendwann weg gehen würde, wie alles, an das man sich so Schritt für Schritt gewöhnt. Da ist ständig die Frage: Wen haben wir angesteckt? Am nächsten Morgen presste ich Ingwersaft, trank Salbeitee, schob den Kindern löffelchenweise Tee in den Mund und Vitamine. Ich übte zwischendurch Pranayama. Dabei wechselte sich der Gedanke: „Ich rette mich mit allen Haustricks, die es nur so gibt“ mit dem „Das haben wohl auch schon andere alles versucht“ im Fünfminuten-Takt ab. 

Fiese Grippe, leichter Verlauf

Einen Tag später war auch mein PCR-Test positiv, meine Nase begann zu laufen und noch mal einen Tag später hatte ich dann das, was Virologen als einen leichten Verlauf bezeichnen: fiese Grippesymptome. Die Tage verliefen trotz dickem Kopf erstaunlich schnell. Noch nie stand nach Weihnachten so schnell Silvester vor der Tür. Ich hatte keine Sekunde Zeit gehabt, über mein Jahr nachzudenken. Stattdessen mehrmals mit der Kassenärztlichen Vereinigung, dem Gesundheitsamt, meiner Hausärztin, Arbeitskollegen, meiner Familie telefoniert. Ich schleppte mich durch Grippetage. Die Nächte wurden besser. Besser als die Tage. Ich konnte schlafen, und spürte, dass mein Körper die Erholung dringend nötig hatte. 

Kater ohne Party

Silvester verpennte ich. Das war auch nicht anders zu erwarten. Der 1. Januar fühlte sich an, als hätte ich den übelsten Kater meines Lebens. Nur hatte es vorher keine Party gegeben. Was für ein Jahresanfang, dachte ich und sah plötzlich in allem nur grau. Und dann kam der 2. Januar und mit ihm offenbar irgendein Hormoncocktail – keine Ahnung, aber alles wurde heller. Zu dem Zeitpunkt waren die Kinder immer noch negativ und mir wurde klar, dass sich die Quarantäne verlängern würde, aber was machte das schon? Ich hatte von Anfang an keine Angst vor der Quarantäne gehabt. Wir hatten ja auch schon diverse Lockdowns mitgemacht und nun verlängerte sich eben der Weihnachtsurlaub. In Schleswig-Holstein explodierten die Infektionszahlen. Omikron auf dem Vormarsch. Ich war irgendwie auf einmal froh, dass wir das offenbar jetzt, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir ohnehin zuhause waren, durchgemacht hatten. In der Zwischenzeit waren die Kinder positiv, sie blieben Gott sei Dank mehr oder weniger symptomfrei. 

Mein JA!hresmotto

Während ich noch Grippesymptome hatte, las ich das Buch von Michael Lehofer: „Die Welt sagt den ganzen Tag Ja zu uns. Aber wie oft habe ich das Ja des Lebens übersehen? Wir bilden uns ein, das Leben ist dann in Ordnung, wenn es den Bedingungen entspricht, die wir für ein glückliches Leben unabdingbar finden. Wenn das Wetter schön ist, ist der Urlaub schön. Solcherart entging mir in meinem Leben eine Fülle lebensspendender Ja. Das Ja ist der Sauerstoff für unseren Seelenfrieden. Wir dürfen nicht vergessen, diesen Sauerstoff einzuatmen, nur weil er nicht in der Weise an uns herangetragen wird, wie wir es erwarten.“ Das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt, würde ich sagen. Das „tägliche Ja des Lebens“ wurde plötzlich zu meinem Jahresmotto. Das Ja sehen, auch wenn Nein manchmal zu überwiegen scheint, das finde ich, ist ein schönes Bild. Und geht es nicht letztlich darum, die Jas des Lebens zu schmecken, zu fühlen, zu riechen? Nur so entdecken wir ja jeden Tag aufs Neue wie wertvoll dieses Leben ist. Und so hatte ich dann mein Jahresmotto: „JA(hr)!!“

Testen, testen, testen

Und dann wurde es besser. Ich bin froh, dass ich geimpft bin. Ich schreibe das nicht, um andere zu überzeugen, sondern das ist meine persönliche Meinung. Mein Mann ist geboostert und hatte deutlich geringere Symptome als ich – allerdings ging die Ansteckung innerhalb unserer Familie auch von ihm aus; das bedeutet, auch mit Booster überträgt sich die Krankheit. Deswegen darf ein Booster auch nicht der Freifahrtschein für alles sein. Regelmässige Schnelltestes sind meiner Erfahrung nach unabdingbar. Die haben übrigens auch bei meinen (kleinen) Kindern sehr gut funktioniert und Ergebnisse geliefert. Testen tut nicht weh. Mein Mann und ich waren so neugierig darauf, wie unsere Schnelltests in allen Stadien der Krankheit reagieren würden, dass wir uns ständig selbst testeten. Es sollte niemand als Affront empfinden, wenn vor einem Treffen nach Tests gefragt wird. Im Gegenteil. Ich kann es nur empfehlen. Es ist niemals persönlich gemeint, sondern schützt einfach.

„Die Krankheit verläuft bei jedem anders. Auch deshalb sollten wir umsichtig beim Kontakt mit unseren Mitmenschen sein“, schreibt der Fotograf Mathias Haltenhof auf seinem Blog, der dort auch einen Erfahrungsbericht zum Verlauf seiner Krankheit veröffentlicht hat. Und genauso ist es. Ich glaube immer noch, dass wir, dafür dass wir in einer weltweiten Pandemie stecken, viele Freiheiten haben. Dass die Pandemie nervt, steht ausser Frage. Aber gemeinsam einsam ist besser als einsam einsam, oder? Das habe ich nämlich auch gelernt, in diesen Tagen: Wir haben wahnsinnig liebe Nachbarn, ein tolles Netzwerk an Menschen um uns herum, die uns geholfen haben, für uns einkauften und die Kinder zwischendurch mit besonderen Kleinigkeiten überraschten. Andere zu schützen muss immer das oberste Gebot sein. Deswegen fährt man ja auch nicht besoffen Auto. Ich weiß, das ist ein dummer Vergleich, aber letztlich dann eben auch wieder nicht. 

Psychische Belastung

Im Sommer habe ich bereits diesen Artikel gelesen und empfohlen und deswegen hat mich die psychische Belastung, der ich mich von Anfang an ausgesetzt fühlte, vielleicht nicht so sehr überrascht. Im Übrigen hatte ich mit drei verschiedenen Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes Kontakt und kann hierzu nur sagen: Das waren durchweg sehr freundliche, unterstützende Telefonate. Während die 116117 sich zum Teil eher angestellt hat, als geholfen. Aber egal. Dafür hatten wir zum Glück sehr kompetente Haus- und Kinderärzte und brauchten die Kassenärztliche Vereinigung somit nicht. Uns geht es gut. Ich bin immer noch etwas erkältet. Ich starte ziemlich positiv gestimmt ins neue Jahr. Im wahrsten Sinne des Wortes 😉 Ob ich in acht Wochen ohne Probleme joggen gehen kann, werde ich dann irgendwann hier mal ergänzen. Noch gehe ich davon aus.

Der Jahresrückblog – oder: Will eigentlich irgendjemand noch etwas über 2020 lesen?

Warum schreibe ich Anfang des Jahres 2021 einen Jahresrückblick auf das Jahr 2020? Dieses 2020. Ausgerechnet. Davon will doch niemand mehr was lesen, oder? Ich habe noch nie so viele Menschen über ein Jahr schimpfen hören. So viel Gemecker.

Nimmt das nicht viel mehr Energie als ’ne Covid-19-Pandemie (Kleiner Reim-Scherz, sorry!)?

2021 – massiv unter Druck

Und jetzt, nur weil plötzlich wieder Januar ist, jubeln alle. Ich bin immer für positives Denken. Daher sage ich: Sehr gut! Nur: Wir kennen das große Ganze nicht. Aber jetzt schreibe ich schnell noch etwas Schönes über das Jahr 2020. Über all das, was ich aus 2020 mit in das neue Jahr nehme, das von allen Seiten so massiv unter Druck gesetzt wird. Ich habe wenig Vorsätze (ein paar aber schon), vor allem aber Vorstellungen von Gefühlen, die ich mit in das neue Jahr nehme.

Am 24. Dezember des Jahres 2020 habe ich es wirklich fertiggebracht, kurz bevor ich ins Bett bin, noch mal darüber nachzudenken, wie dieses Jahr für mich verlaufen ist. Das Erstaunliche ist, während mir kurz zuvor auf Instagram Postings wie „Arschweihnachten“ ins Auge gesprungen waren, ist mir viel mehr Positives zu diesem Jahr eingefallen als Negatives. Dazu schiebe ich jetzt noch kurz eine kleine Bemerkung ein: Dieses Jahr habe ich vor Weihnachten viel mehr Post verschickt als in den vergangenen Jahren. Ich war wohl nicht die einzige, die auf diese Idee gekommen ist. Die Briefkästen waren in der Woche vor Weihnachten hier in unserem Kiez zum bersten voll. An einem Abend kam ich mit meinen beiden Kindern zeitgleich am Briefkasten an wie ein junger Vater mit zwei kleinen Jungs. „Da geht noch was!“ strahlte er mich an, steckte seine Hände in den Briefkastenschlitz und presste mit aller Kraft die Post zusammen, damit auch wir noch unsere Karten in den Briefkasten stecken konnten.

Dürfen wir das?

Eine andere schöne Begegnung mit einer Fremden hatten wir im Frühsommer. Die Kinder spielten im Vorgarten. Corona war in aller Munde. Mein Mann war gerade nach Hause gekommen und wir standen vorm Haus und sahen den Kindern dabei zu, wie sie Fangen um das Haus herum spielten. Vor uns auf dem Gehweg kam plötzlich eine Frau mit ihrem Fahrrad zum Stehen. Die Kette war gerissen. Mein Mann erklärte sich bereit, das Problem zumindest provisorisch zu lösen. Es war ja Pandemie-Zeit, die Frau zögerte, dann huschte ein dankbares Lächeln über ihr Gesicht. Sie war Ärztin, erzählte sie uns, jetzt auf dem Weg nach Hause, zu ihrem kleinen Sohn. Mein Mann machte sich an dem Fahrrad zu schaffen, es kam mir vor, als würde es noch eine Weile dauern und ich fragte, ob ich einen Kaffee machen sollte. Wieder dieses zaghafte Lächeln zwischen: „Dürfen wir das jetzt?“ und „Eigentlich wäre das schön.“ Ich bin hoch, wusch mir die Hände, machte den Kaffee, wusch mir wieder die Hände und brachte ihn nach unten. Etwa eine Woche später stand vor unserer Haustür ein Päckchen. Da standen die Vornamen von mir und meinem Mann drauf, eine kleine Karte klärte mich auf: „Danke für die schöne Begegnung, den Kaffee und die Hilfe mit dem Fahrrad.“ Eingepackt hatte sie uns eine Packung hochwertiger Kaffeebohnen …

Keine Begegnungsüberfrachtung

Dieses Jahr sind mir wirklich so einige Begegnungen mit Menschen in Erinnerung geblieben, die sehr schön waren. Vor allem natürlich Begegnungen mir Freunden. Und ich fragte mich natürlich, ob mir nur aufgefallen ist, wie besonders schön diese Begegnungen waren, weil es eben nicht so viele waren als sonst. Liegt es daran, dass wir uns in diesem Jahr auf so wenige Begegnungen konzentrieren konnten, dass sie uns als besonders schön in Erinnerung geblieben sind? Oder weil wir es einfach vermissten, andere zu treffen? Oder habe ich die Begegnungen nur so intensiv wahrgenommen, weil mein Jahr nicht so überfrachtet von Begegnungen war? Ich will damit nicht sagen, dass ich das immer so haben möchte. Nein, auch ich bin froh, wenn ich wieder ständig Leute treffen darf. Wenn meine Küche wieder voll ist und ich nicht nachkomme, Kaffee zu brühen und Milchhäubchen darauf zu verteilen. Aber ich kann diesem Jahr einfach etwas abgewinnen.

Mama – eine dankbare Aufgabe

Das erste Halbjahr des Jahres war ich vor allen Dingen eines: Mama. Wir hatten fast nur gute Tage. Meine Kinder waren nicht schlechter gelaunt als an Kitatagen. Irgendwann habe ich mich hingesetzt und zusammengerechnet, wie viel Zeit wir in Frühjahr und Sommer ausnahmslos miteinander verbracht hatten. Und ich dachte: „Lächerlich! Am Ende meines Lebens wird es mir vorkommen, als wäre das gar nichts gewesen!“ Wie dankbar werde ich dann auf das Jahr 2020 blicken! Ich weiß noch, dass der Frühling so dahinplätscherte, dass ich noch am Anfang zu einer meiner Freundinnen sagte: „Ich fühle mich um diesen Frühling betrogen“, obwohl in Kiel ausnahmslos die Sonne schien – wie skurril. Aber ich fühlte mich um ihn betrogen, weil ich normalerweise Ostern im Garten meiner Eltern feierte und das nicht möglich war, weil ich um Spielplätze einen Bogen machen musste und meine Freundinnen nicht zum Kaffee treffen durfte. Und dann, irgendwann, ich hatte fast vergessen, wie er sich anfühlte, kam der Sommer. Wir verliebten uns in einen Maulbeerbaum. Aßen schwarze Maulbeeren wie Himbeeren. Saßen an der Ostsee im Sand. Entdeckten Buchten, die so abgelegen waren, dass ich mich fragte, ob ich einen erneuten Lockdown verpasst hatte. Und verbrachten dann drei wahnsinnig schöne Wochen bei meinen Eltern in der alten Heimat. Ich habe diese drei Wochen ganz intensiv mit meiner Familie verbracht, denn ich wollte so lange ich bei meinen Eltern war, zu deren Schutz niemand anderen treffen. Das läuft sonst natürlich anders ab bei Heimatbesuchen. Und was ich mir zunächst noch ein bisschen schwierig vorgestellt hatte, wurde wunderbar. Es gab keinen Lagerkoller. Auf der Rückreise machten wir zwei Zwischenstopps bei Freunden. Das waren unter anderem die schönen Begegnungen des Jahres 2020. Zwei Übernachtungen bei anderen Familien. Zeit, die man intensiv miteinander verbringen konnte. Als die Kinder schliefen, sassen wir mit unseren Freunden im Garten bis in die Nacht hinein. 

Vergessene Pandemie in Kiel

Den Rest des Sommers verbrachte ich am Meer. Denn da wohnen wir. In diesem Jahr habe ich mich in die Ostseeküste verliebt. Für viele meiner Freunde klingt das erstaunlich, schließlich habe ich schon am Pazifik gelebt, bin in meiner Freizeit am Wochenende um die Channel Islands getaucht, hab beim Joggen Delfinen beim Baden zugesehen, feierte Weihnachten mit Spaziergängen am Ozean und 18 Grad. Nun aber liebe ich die Ostsee. Ich habe jeden Tag, an dem ich mit den Kindern im Sand saß, voller Dankbarkeit für dieses Leben auf das Wasser geschaut. Meine Töchter rannten mit mir durch die Wellen. Da war sie ziemlich in Vergessenheit geraten – die Pandemie. Meinen Rückblick auf den Sommer mit vielen Tipps für Aktivitäten mit Kindern in und um Kiel findest du hier.

Ich habe in diesem Jahr nicht viel vermisst. Außer meine Eltern. Die Möglichkeit, wann immer ich möchte, die Kinder in den Zug setzen zu können und die acht Stunden durch Deutschland zu rollen, um dann meine Eltern in die Arme schließen zu können. Und ich weiß auch heute nicht, wann exakt wir uns wiedersehen können. Und ob. Mein Vater wird in ein paar Wochen 81.

Das dritte Buch, Yoga Ups and Downs und ein Lockdown ohne Grenzen

Beruflich war das Jahr für mich kein schlechtes. Ich habe an meinem dritten Buch gearbeitet, das im April 2021 im riva Verlag veröffentlicht wird und meiner Meinung nach ein wichtiges Buch für unsere Gesellschaft ist. Die Arbeit daran hat viel Spaß gemacht, war aber auch kräftezehrend. Hier habe ich darüber berichtet. Ich durfte tolle Yogaklassen unterrichten und erlebte das Hin-und-Her zwischen Lockdown, Wiedereröffnung von Yoga- und Fitnessstudios, Teillockdown und Lockdown 2 wie eine Berg- und Talfahrt. Ende März hatte ich mich noch darüber geärgert, dass ich meinen Yogaretreat in Österreich nicht hatte durchführen können. Es dauerte nicht lange, da war mir das ziemlich egal. Online-Yoga hat auch für mich seine Berechtigung erhalten. Der direkte Kontakt mit den Schülern fehlt mir trotzdem. Eigentlich hatte ich dieses Jahr beruflich richtig durchstarten wollen, nachdem meine Kinder nun seit August beide einen Ganztagesplatz in der Kita beanspruchen dürfen. Aber na ja, wie wir alle wissen, war die Kita Mitte Dezember dann ja wieder zu. Wann sie wieder öffnet, weiß nun gerade niemand. Im vergangenen Jahr habe ich in dem Podcast Wandaful Yoga von Wanda Badwal das Interview mit Veit Lindau gehört. Das war eine schöne Inspirationsquelle und der Hinweis von Veit Lindau, dass man das, was man tut, mit Hingabe tun sollte, dass man sich genau an das, was man gerade tut, verschenken soll, hat mir sehr gut gefallen. Lindau sagt: „Es ist ein großes Missverständnis, zu denken, dass es in unserer Berufung darum geht, dass wir etwas bekommen.“

„Mama, der Mundschutz ist nicht blöd.“

Und dann war da der 24. Dezember, der so anders war als sonst. Weil wir wirklich niemanden getroffen haben. Es war ein schönes Weihnachten. Und ich ließ den Tag Revue passieren und dann das Jahr. Und wie gesagt, da fällt mir vor allem Positives ein. Ich habe wieder angefangen, zu bloggen und veröffentlichte seit Juni pro Woche mindestens einen, seit November mindestens zwei Artikel. Ich habe Dinge gemacht, die ich schon lange machen wollte. Zum Beispiel eine Lehrerin bezahlt, die mit mir nichts anderes als Pranayama, also Atemtechnik, übt. Ich war im Systemischen Coaching und in einer Therapiestunde. Ich habe mich für ein Kinderyoga-Lehrer-Training angemeldet. Ich habe mich 365 Tage an einer Zweijährigen erfreut und über eine Fünfjährige gestaunt. Vor zwei Wochen war mir draussen in der Kälte die Brille über dem Mundschutz angelaufen. „Blöder Mundschmutz“, sagte ich und meine Tochter sagte: „Mama, der Mundschutz ist nicht blöd.“ Auch darüber habe ich übrigens schon einen Text geschrieben.

Demut, Dankbarkeit, Rücksicht

Für mich stehen in diesem Jahr drei große Worte ganz weit oben. Demut. Dankbarkeit. Rücksicht. Und während ich so über alles nachdachte, fragte ich mich, ob wir Deutschen wirklich krisenfest sind. Ich höre und sehe so viel Gejammer. Aber wie würden wir uns verhalten, wenn eine wirkliche Tragödie uns erfassen würde? Wie zum Beispiel 2011 die Menschen in Fukushima. Oder die Menschen in Thailand, die im selben Jahr eine dramatische Flutkatastrophe erleben mussten. Oder die Menschen, denen 2005 Hurrikan Katrina einfach so die Häuser weggeweht hatte. Diese Liste ist beliebig lang weiterzuführen. Wir beanspruchen für uns selbst, das uns so etwas nicht widerfährt. Und das finde ich wahnsinnig hochmütig. In den letzten Wochen des Jahres sollte ich eine Reportage über kleine Unternehmer im Tourismus an anderen Orten der Welt schreiben und darüber, wie sie die Covid-19-Pandemie in diesem Jahr erlebt hatten. Und da war der Tourguide aus Kuba, der mir schrieb, dass seit Beginn der Pandemie nur zwei Touristen seine Tour gebucht hatten und dass er nun darauf wartete, dass alles wieder besser werde. Dass er nun als seine Aufgabe sehe, andere Menschen davor zu bewahren, krank zu werden. Er jammerte nicht.

Ich habe 2020 endlich auch mal wieder viel gelesen. Wo ich die Zeit hergenommen habe? Keine Ahnung. Und so habe ich viel gelernt in diesem Jahr. Das alles nehme ich mit ins neue Jahr. Auch, dass Egoismus out ist. Das ist eigentlich mit die schönste Erkenntnis des Jahres. Eine Frau, die ich auch erst in diesem Jahr kennenlernen durfte, schickte mir im Dezember eine schöne Geschichte. Sie passt auf das letzte Jahr. Als wäre sie dafür geschrieben worden. Und sicher auch auf das neue.

Der Chinesische Bauer
Autor unbekannt
Im alten China lebte ein Bauer, dessen einziger Besitz ein wundervoller schwarzer Hengst war. Dazu muss man wissen, dass das zur damaligen Zeit ein sehr wertvoller Besitz war. Selbst der Kaiser träumte von so einem Pferd! Die Dorfbewohner kamen eines Tages und sagten: »Mein Gott du hast ein ein Glück, so einen tollen Hengst zu besitzen, der dir auf deinen Feldern so fein zur Arbeit geht!« »Ja« sagt der Bauer, »das ist richtig! Es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Eines Tages lief er fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: »Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!«. Aber der Bauer antwortete: »Ja, das ist richtig! Es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. »So viel Glück! Mein Gott, was du für Glück hast! Jetzt hast du statt einem Pferd so viele!« riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte: »Ja, jetzt hab ich so viele! Schön. Aber es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, eines der wilden Pferde zu reiten, aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. »Oh, so ein Pech! Jetzt ist dein einziger Sohn vielleicht ein Krüppel und kann dir nie wieder richtig zur Hand gehen!« Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder: »Ja, darüber bin ich sehr traurig! Aber es ist wies ist! Ist´s Glück, ist´s Pech – man wird sehen!«

Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: »Was für ein Glück, daß dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss! So viele junge Burschen verlieren dort täglich ihr Leben!« freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: »Könnte ich euch nur helfen, weiter und tiefer zu sehen, als ihr es bisher vermögt. Wie durch ein Schlüsselloch betrachtet ihr euer Leben, und doch glaubt ihr, das Ganze zu sehen. Niemand von uns weiß, wie sich das große Bild zusammensetzt. Was eben noch ein großes Unglück scheint, mag sich im nächsten Moment in Glück erweisen. Anderseits erweist sich scheinbares Unglück auf längere Sicht oft als Glück und umgekehrt gilt das gleiche. Was daraus wird, weiß keiner von uns. Und jetzt geht nach Hause, und teilt die Zeit miteinander, die euch bleibt.«

Frohes neues Jahr.