Am Sonntag ist etwas Eigenartiges passiert. Ich war im Yogastudio, um eine Stunde Zoom-Yoga zu drehen. Zum ersten Mal seit Lockdown-Yoga fühlte sich die Stunde so an, als seien meine Schüler physisch anwesend. Im Raum, meine ich – online waren sie ja zugeschaltet. Ich weiß nicht, woran das lag, vermutlich daran, dass ich mich so langsam daran gewöhne, während ich Asanas vormache, ins Mikro zu hecheln und gleichzeitig zu erläutern, wie dabei geatmet werden soll. Vielleicht weil es mir mittlerweile egal ist, wie viele Versprecher mir über die Lippen gehen, obwohl ich weiß, dass die Stunde auch aufgezeichnet wird. Voller Energie kam ich nach Hause. Das Gefühl trug mich durch den Sonntagabend. Ich war bereit für eine neue Lockdown-Woche.
So lonely …
Montagmorgen kamen die dicken grauen Wolken. Ich fühlte mich schwer. Leer. Müde. Wie kann man sich eigentlich schwer und gleichzeitig leer fühlen? Ich wollte das natürlich nicht. Aber ich merkte, dass ich das Gefühl nicht abschütteln konnte. Zum Glück hatte ich vor kurzem irgendwo – ich weiß nicht mehr wo, vielleicht auf ohhhmhhh (?) gelesen, dass es auch völlig okay sei, wenn man mal alles scheiße finden würde. Ich nahm das Gefühl an, akzeptierte es und gab ihm Raum. Und dann konnte ich es benennen: Ich fühle mich einsam. Jetzt – knapp ein ganzes Jahr nach Beginn der Covid-19-Pandemie, im zweiten Lockdown, habe ich dieses Gefühl zum ersten Mal so deutlich gespürt. Ich dachte an das „Gefühle“-Buch meiner Kinder, in dem Traurigkeit mit grauen Wolken über den Köpfen dargestellt wird. Graue Wolken über meinem Kopf. Dabei fing es hier in Kiel zum ersten Mal in diesem Winter richtig an zu schneien. Eine Woche früher wäre ich alleine aufgrund dieser Tatsache durch den Schnee getanzt. Tja, letzte Woche. Letzte Woche hatte ich ja auch noch geglaubt, ich müsse nicht auf bessere Zeiten warten. Da war ich so überzeugt davon, dieser Pandemie den Stinkefinger zeigen zu können, ich steckte voller Energie und Ideen …
Alle gemeinsam einsam
Ich bin natürlich nicht einsam. Den ganzen Tag springen hier zwei Kinder um mich herum, wir sind eine vierköpfige Familie. Manchmal treffe ich eine andere Mutter auf dem Spielplatz. Ich telefoniere mit meinen Freundinnen und meiner Familie. Ich arbeite, schreibe Mails, beantworte Fragen, manchmal sehe ich die Nachbarin kurz: „Hallo, wie geht’s bei euch?“ Freitagabends sitze ich vorm Laptop und nehme an einer Ausbildung für Yogalehrer teil. Da ist reger Austausch. Wenn es gar nicht anders geht und ich wichtige Aufträge zu erledigen habe, kommt die Babysitterin. Das habe ich erst vor kurzem eingeführt. Sie ist meine Rettung. Als ich diesen Montag kurz vor dem Laptop saß und durch SZ-Magazin-Schlagzeilen scrollte, wurde ich auf dieses Interview mit Psychologin Stefanie Stahl aufmerksam, in dem es eigentlich um Eifersucht unter Paaren geht. „Die Natur richtet kein sinnloses Gefühl ein, unsere Emotionen sind dafür da, dass wir in die richtige Richtung laufen“, sagte Stahl da. Da ging es mir schon ein bisschen besser. Später entdeckte ich den Instagram-Post von @kleinliebchen: „Bis auf ‚Ich bin müde‘ bin ich eigentlich niemand der gerne jammert. Ich sag schon auch ab und zu mal wie anstrengend ich gerade alles finde, aber dann ist es auch wieder gut. Heute aber muss es raus: Ich fühle mich trotz dass ich 3 Kinder von früh bis spät um mich herum habe einsam. Ich fühle mich isoliert und eingesperrt. Ich beneide meinen Mann wenn er morgens rausgeht und unter Menschen ist“, postet sie da. Ich fragte mich kurz, ob diese Influencer eigentlich in die Köpfe anderer Menschen gucken können … Manchmal tut es ja schon gut, wenn man spürt, dass man mit dem Gefühl, einsam zu sein, nicht einsam ist.
Rest and wait …
Am selben Tag hatte Sheila Ilzhöfer auf Fuck Lucky Go Happy diesen Text veröffentlicht: „Wir müssen aufhören, Probleme kleinzureden“, schrieb sie da. Wir dürfen uns scheiße fühlen, auch wenn wir wahnsinnig privilegiert sind, wenn es uns wahnsinnig gut geht, weil wir genug zu essen, eine warme, schöne Wohnung und gesunde Kinder haben. Ich fühlte mich scheiße. Ich spürte die Einsamkeit. Einsamkeit kann krank machen. Ich erinnere mich noch an meine erste Yogalehrerausbildung. Dort sagte die Ausbilderin Alanna Kaivalya einmal zu uns: „Wir fürchten uns mehr vor der Einsamkeit als vor dem Tod.“ Das glaube ich sofort. Ich will trotzdem Covid-19 nicht haben. Und vor allem niemand anderen damit anstecken. Dilemma. Tanya Markul, auch eine Yogalehrerin und Poetin, mit der ich früher in Kopenhagen Yoga üben durfte, schrieb am Dienstag auf Facebook: „Sometimes all we can do is rest and wait while we’re held between the ecstasy and ache. Don’t give it a name but perhaps a poem, a dance or clean living space. And put trust in its work for it’s the complex magic of being you. Sometimes that’s all we can do.“
Das ruhige Leben ist die Rettung
Was mir geholfen hat, meine gute Laune wieder zurückzugewinnen, waren gute Gespräche mit meiner Familie und die verschiedenen Podcasts eines einzigen Yogalehrers: Michael James Wong ist ein großartiger Lehrer und Sprecher, der mich auf meinem Yogaweg schon lange aus der Ferne begleitet. Für mein erstes Yogabuch durfte ich ihn 2015 interviewen. Er hat das Projekt „Just breathe“ ins Leben gerufen, sitzt bei Massenmeditationen zusammen mit Tausenden an Orten wie The British Museum, um den Wert gemeinsamer Stille zu erfahren. Als Gründer der Sunday School of Yoga begleitet er Yogalehrer in ihrer Entwicklung. Er schafft es auf sehr angenehme Art und Weise aufzuzeigen, wie angenehm Meditation und Nichtstun sein kann. Seine ruhige Stimme und die Interviews seiner letzten beiden Podcastfolgen aus „The quiet life“ haben mich diese Woche aufgerichtet. Zunächst einmal der Podcast mit der Ernährungsberaterin Rhiannon Lambert. Sie beschreibt sehr gut, wie verrückt es für sie war, zu Beginn der Pandemie ein Kind zur Welt zu bringen und die Freude darüber mit fast niemandem teilen zu dürfen. Sie erzählt, wie und wo sie sich am sichersten fühlt und wie sie es schafft, geerdet zu bleiben. Außerdem spricht sie auch über die interessante Tatsache, dass das, was wir essen, sehr wohl Einfluss auf unsere Emotionen haben kann.
Sport und Schokolade
In der aktuellsten Folge seines Podcasts spricht er mit dem Notarzt, Allgemeinmediziner und Autor Rupy Aujla. Der Bestsellerautor, der sich dafür einsetzt, gesunde Ernährung bei gesundheitlichen Beschwerden ernster zu nehmen, spricht in diesem Interview mit Michael James Wong darüber, was Dankbarkeit für ihn bedeutet und warum wir die kleinen Dinge feiern sollen. Und da war er wieder: Der Moment, in dem ich den Wert meines Kaffees am Morgen wirklich schätzen konnte. Übrigens kann ich dir nur empfehlen, die Episoden von Wongs Kurz-Podcast Good Intentions zu hören. Die tun sooooo gut. Diese Woche beispielsweise die Episode: Eat a piece of chocolate.
Und dann war da der Sport. Laufen zu gehen, all den Ballast dabei abschütteln zu können, mich danach nicht nur geistig (wie jeden Abend) sondern körperlich müde zu fühlen – das hat mir gut getan.
Und das hier könnte eventuell mein Frühstück am Wochenende zu einem Gute-Laune-Fest machen. Was meinst Du?