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Satsang gegen Sucht – Wie Yoga einer Freundin half, die Nikotinsucht zu überwinden

Ich bin mir über die Kraft des Yoga natürlich bewusst. Auf den ersten Seiten unseres neuen Buches steht: „Yoga muss im klinischen Therapiealltag ernster genommen werden“. Das meine ich auch so. Und auch wenn ich immer wieder betone, Yoga sei kein Allheilmittel, ist mir klar, was Yoga und insbesondere die tiefere Auseinandersetzung mit der gesamten Philosophie, bewirken kann. Yoga als Mittel gegen die Nikotinsucht – davon habe ich noch nicht so häufig gehört. Deswegen habe ich Nicole Jacob aka Yoga Purusha interviewt. Sie hat es nach 20 Jahren intensivem Rauchen geschafft, von einem auf den anderen Tag aufzuhören. Mit Yoga. Das ist keine erfundene Marketingstrategie für die Yogapraxis. Sondern das pure Leben. Nicole und ich gingen gemeinsam zur Schule. Heute verbindet uns unter anderem die Liebe zum Yoga und der Heimatort.

Bei den Recherchen zu unserem neuen Buch „Yoga für ein starkes Herz“ habe ich einen sehr emotionalen Bericht des GEO-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede in einer GEO-Spezial-Ausgabe gelesen. Er schrieb von seiner Nikotinsucht und davon, wie die Ärzte ihm immer erzählten, dass er aufhören solle, zu rauchen. »Man muss doch nur wollen! Der Satz klingt so mineralwasserklar. Und er wird komplett richtig sein. Gleichzeitig ist er ignorant. Millionen Raucher schaffen es, den Rat der Ärzte zu befolgen, Millionen schaffen es aber auch nicht.“ Das hat mich, einen lebenslangen Nichtraucher, zum Nachdenken gebracht. Kannst du bei Gaedes Worten mitfühlen?

Nicole Jacob: Ja, auf jeden Fall kann ich das. „Man muss doch nur wollen“ – das kann wirklich nur jemand sagen, der nie geraucht hat. Ich habe 20 Jahre geraucht. Das Nikotin war ein ständiger Begleiter. Du hast deine Rituale, nach dem Aufstehen, im Auto, beim Kaffee, und so weiter und so fort. Und wenn du das dann einfach mal lässt, dann geht es dir nicht gut. Du bist weniger konzentriert, du kriegst schlechte Laune. Man raucht ja beispielsweise auch, wenn es emotional wird. Das Nikotin macht etwas. Es dockt in deinem Gehirn an. Es setzt Glückshormone frei. Dann geht es dir einfach gut. Zu sagen, man muss nur wollen, ist sehr einfach gedacht. Und zusätzlich dazu haben wir ein Umfeld. Je nachdem unter wieviel Stress man aktuell steht, wie es einem geht, was einen gerade beschäftigt, können wir nicht einfach so eine lebensverändernde Maßnahme treffen. Es wäre ja leicht, wenn wir jede Sucht ohne Probleme abstreifen könnten.

Ich habe dich zum Interview gebeten, weil ich einen Facebook-Post von dir gelesen habe, da schreibst du darüber, dass du Kippen durch eine tiefere Yogapraxis ausgetauscht hast. Natürlich will ich wissen, wie du das nach 20 Jahren Nikotinsucht geschafft hast. Was genau hat dir beim Yoga geholfen, dieser Sucht zu entkommen?

Da muss ich ein wenig ausholen. Ich hatte 2018 neben meinem Vollzeitjob Sozialarbeit studiert und saß den ganzen Tag vorm Rechner. Durch diese Doppelbelastung hatte ich starke Rückenschmerzen bekommen und entschied mich so, nochmal mit Yoga anzufangen. Die Yogalehrerin, bei der ich dann praktizierte, nahm mich mit in einen Ashram. Sie war auch Raucherin und sagte mir, bevor wir zu dem Ashram reisten: „Die mögen das nicht so, wenn wir rauchen. Komm, wir lassen das jetzt einfach mal für eine Woche bleiben.“ Wir haben dann im Ashram gemeinsam noch die letzte Zigarette geraucht. Ich erinnere mich noch daran, dass meine Laune zunächst nicht so gut war – das war einfach das fehlende Nikotin. Da es morgens aber direkt schon los ging mit Pranayama, Meditation, Satsang, Yogapraxis, war das plötzlich wie weggeblasen. Der ganze Tag war durchorganisiert und da war der Drang nach der Zigarette einfach weg. Das lag aber sicher nicht nur daran, dass da Ablenkung war, sondern dass ich dort so viel Fülle erfahren habe. Diese Fülle kam in meinem Belohnungszentrum an, das Rauchen wurde sozusagen durch Yogapraxis ersetzt. Yoga hat mich da zum ersten Mal auf spirituelle Weise berührt. Früher war es für mich einfach eine Art Sport gewesen.

Nach zehn Tagen Ashram, was passierte dann Zuhause? War da gar keine Lust mehr auf Zigaretten?

Auf der Rückfahrt nach Hause habe ich meinen Freund angerufen und ihn darum gebeten, alles wegzuräumen, was mit den Zigaretten zusammenhing. Ich sagte ihm: „Ich rauche nicht mehr.“ Und er fragte: „Wie? Du rauchst nicht mehr?“ Ich habe jeden Tag 25 Zigaretten geraucht und er konnte sich natürlich nicht vorstellen, dass ich das jetzt einfach eben mal so ablegt hatte. Aber, wirklich, es war einfach weg. Dabei hatte ich schon häufiger probiert, aufzuhören. Sogar mit Hypnose – davon hatte ich mir viel versprochen, aber da war es mir nicht gelungen.

Wie ist das jetzt für dich, wenn du vor jemandem stehst, der gerade raucht? Ist dir das dann wirklich völlig egal?

Rauchen ist völlig aus meinem Gehirn rausgelöscht. Das macht mir also gar nichts aus. Ich bin im Übrigen sehr froh, dass ich nun auch nicht mehr den ständigen Geruch in der Nase habe. Das hat mich nämlich wirklich gestört, als ich noch selbst rauchte. Ich habe unzählige Kaugummis gekaut, um nicht unangenehm zu riechen.

Nicole, aka Yoga Purusha, ist leidenschaftliche Yogalehrerin, Sozialarbeiterin und – dank Yoga – Nichtraucherin.

Du hast in deinem Facebook-Post auch das Thema Gewichtszunahme angesprochen – auch damit bist du durch deine tiefe Auseinandersetzung mit der Yogaphilosophie besser klargekommen. 

Für mich war das zunächst tatsächlich schwierig. Ich hatte fast zeitgleich meine Yogalehrer-Ausbildung begonnen, dort waren alle natürlich rank und schlank. Und ich habe, nachdem ich mit dem Rauchen aufgehört hatte, kontinuierlich zugenommen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, meine Mitstreiterinnen in der Yogalehrer-Ausbildung wurden fitter und fitter. Da habe ich natürlich sehr große Selbstzweifel gehabt. Ich habe innerhalb von zwei Jahren bestimmt zehn Kilo zugenommen. Jetzt, nach einer Meditationslehrer-Ausbildung und der tiefen Auseinandersetzung mit der Vedantaphilosophie, hat es irgendwann Klick gemacht. Da geht es ja darum, dass du nicht der Körper bist, nicht die Gedanken. Heute kann ich sagen: Es steckt viel mehr in mir drin, mein Körper macht mich nicht aus. Ich muss sagen, ich will nicht für immer so bleiben, sondern gerne wieder schlanker werden, aber ich weiß jetzt, dass ich vorher sehr hart zu mir war. Ich stand vorm Spiegel und sagte mir: „Du bist fett geworden“ So gemein wäre ich doch niemals zu jemand anderem. Ich war gemein zu mir selbst. Heute kann ich mich so annehmen wie ich bin. 

Wenn Du jemandem, der mit dem Rauchen aufhören möchte, es aber nicht ganz schafft, einen Rat geben dürftest, was wäre das?

Ich glaube, wenn man aufhören möchte, muss alles drumherum gerade stimmen. Wenn man wirklich zufrieden ist, dann ist das ein guter Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören. Zeitgleich empfehle ich aber auch, etwas zu suchen, was eine Lücke füllt. 

Was fasziniert Dich am meisten am Yoga?

Für mich ist Yoga eine Lebensweise. Durch diese Auseinandersetzung gelingt es mir manchmal, mir selbst nah zu sein. Das geht beispielsweise auch sehr gut, wenn ich Harmonium spielen. Da kommen mir manchmal einfach die Tränen. Gefühle kommen hoch, die vorher weggedrängt wurden. Und wenn die dann da sind, scheint alles plötzlich wie repariert. Das erfahre ich auch manchmal bei verschiedenen Asanas so. Yoga ist einfach unheimlich heilsam.

Wer in den Genuss einer Klangreise oder wunderbaren Kakaozermemonie mit Yoga Purusha kommen möchte, findet alle Termine dazu auf Facebook unter Yoga Purusha oder Instagram yoga.purusha

Lass den Bauch raus!

Wir wachsen mit dem Glauben auf, dass Atmung ein lebensnotwendiger Vorgang ist, der dazu dient, Sauerstoff aufzunehmen und Kohlendioxid abzutransportieren. Das ist ein Fakt. Es ist völlig richtig. Aber was kann Atmung noch? Darüber wird nie gesprochen. 

Atmen nicht vergessen!

Wer oder was auch immer dafür zuständig war, menschliche Körper zu konstruieren, muss unglaublich schlau gewesen sein. Stell dir mal vor, wir müssten multitaskingmässig immer daran denken, dass wir ein- und ausatmen müssen! Das würde wohl kaum gelingen. Ich erinnere mich an eine Situation während meiner Tauchausbildung. Wir lernten dabei, unsere Ausrüstung unter Wasser einmal komplett abzulegen und sie dann noch einmal anzuziehen. Ich war so beschäftigt damit, das Wirrwarr an Ausrüstung, das ich gerade unter Wasser abgestreift hatte, zusammenzusuchen und an den richtigen Stellen meines Körpers zu platzieren, dass ich das Atmen schlichtweg vergessen hatte. Keine Ahnung, ob ich im Gesicht schon blau angelaufen war oder mein Tauchlehrer, der glücklicherweise irgendwie vor mir im Wasser schwebte, an der Hektik meiner Bewegungen gespürt hatte, was los war. Auf jeden Fall hatte er mich ganz ruhig – wie es so seine Art war – und mit den richtigen Zeichen darauf aufmerksam gemacht, dass ich sehr wohl die Möglichkeit hatte, durch meinen Atemregler Luft einzuatmen. Ja, so würde mir das wahrscheinlich auch an Land gehen. Und da wäre dann vermutlich niemand dabei, der mich ständig dran erinnert, Luft zu holen …

Die Atmung wird durch unseren Hirnstamm gesteuert, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Sie ist aber auch erstaunlicherweise die einzige vegetative Funktion unseres Körpers, die wir beeinflussen können. Nur leider vergessen wir das meistens. Beziehungsweise viele wissen es gar nicht.

Warum effektives Atmen wichtig ist

Zurück zu den bekannten Fakten: Sauerstoff gelangt beim Einatmen in die Lungen und wird dann an das Blut abgegeben. Das Blut verteilt den Sauerstoff im ganzen Körper und befördert Kohlendioxid als Abfallprodukt des Stoffwechsels zurück. So atmen wir das Kohlendioxid wieder aus. Durch unseren Stress im Alltag, verlernen wir schnell effektiv zu atmen. Wer immer schnell und oberflächlich atmet, versorgt seinen Körper mit weniger Sauerstoff und atmet zudem zu wenig Kohlendioxid ab. Wer beim Einatmen die Schultern hebt und den Bauch einzieht, setzt nur einen geringen Teil der Lungenkapazität ein. Wir atmen automatisch, aber wir atmen nicht automatisch richtig. Die Atmung wirkt auf unsere Nerven, unsere Muskeln und Faszien. Damit beeinflusst sie auch unser Stressempfinden. Und letztlich entscheiden wir immer selbst, wie wir atmen. 

Hör auf, den Bauch einzuziehen

Vielleicht bist auch du mit dem Glauben aufgewachsen, zu dem westlich geprägten Bild von Schönheit gehöre – besonders bei Frauen – ein flacher Bauch. Und dann hast auch du vielleicht spätestens ab dem Teenageralter deinen Bauch eingezogen, wann immer du daran gedacht hast. Nun versuche mal, mit eingezogenem Bauch in den Bauchraum zu atmen! Das kann kein Mensch! Wir haben also, bedingt durch Schönheitsideale und Normen, die uns die Gesellschaft auferlegt, verlernt, vernünftig zu atmen. Und das Fatale daran ist, es geht auf unsere Gesundheit. Wenn ich wirklich darauf achte, stelle ich fest, dass die wenigsten Menschen überhaupt wissen, wie sie in den Bauchraum atmen können statt in den Brustkorb. Auch ich war lange Zeit Brustkorbatmer. Wie lange, kann ich nicht sagen, denn natürlich erinnere ich mich nicht an den Moment, in dem ich verlernt hatte, das Spektrum meines Zwerchfells vollends auszunutzen. Heute kann ich das wieder. Und ich stelle, bei einer bewussten Bauch- oder auch Zwerchfellatmung sofort fest, wie ich ruhiger werde.

Meinen Schülern/innen sage ich immer: „Mut zum Bauch.“ Ich hoffe, du hast es auch.