Schlagwort: Regeneration

Wellness ist nicht lebenswichtig – eine optimierte Atmung schon

Thorsten Ribbecke ist wissenschaftlicher Referent an der Trainerakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes. Er war jahrelang als Trainer in der Handballbundesliga tätig und ist auch verantwortlich für die DOSB Athletiktrainerausbildung. „Corona“ macht uns alle platt. Nervt, zehrt an unseren Kräften, sorgt für wenig Schlaf und Zerrissenheit. Deswegen habe ich mit Thorsten Ribbecke über Regenerationsstrategien gesprochen, die nicht nur für Hochleistungssportler gelten.

In deiner Arbeit beschäftigst du dich vor allem damit, wie Hochleistungssportler Angaben über den körperlichen und mentalen Zustand erhalten und darüber eine passende Trainingsform entwickeln. Ein großer Aspekt dieser Arbeit sind Regenerationsstrategien. Kannst du ein bisschen was dazu erzählen?

Natürlich erhalten Sportler Daten und Angaben zur Selbstreflexion. In erster Linie ist das sogenannte Monitoring jedoch für die Trainer wichtig, um zu sehen, wie bereit der Sportler für die Trainingseinheit ist. Er kann auch sehen, inwieweit sich der Sportler seit der letzten Trainingseinheit erholt hat. Ist das nicht der Fall, müssen Inhalte im Training angepasst werden und Regenerationsstrategien angewendet werden. Diese sind situativ und individuell anzuwenden. Ein einfaches Beispiel: Es gibt Menschen, die lieben die Sauna, andere haben gar keinen Zugang zu Wärme – und mögen das Eisbad. Jetzt muss man allerdings aufpassen: Es gibt Situationen, da wäre ein Eisbad  – auch wenn man das gerne mag – absolut unklug. Ein Eisbad reguliert Entzündungen herunter. Und es gibt Situationen im Tainingszyklus – beispielsweise im Trainingsaufbau – da soll die Entzündung gar nicht herunterreguliert werden. Sie ist ja schließlich eine kluge Reaktion des Körpers. Sie bedeutet Anpassung. Der Körper macht das nicht umsonst. Einfaches Beispiel ist hier ein Muskelkater in der Vorbereitungsphase. Den sollte man dann vielleicht aushalten und nicht mit einem Eisbad bekämpfen. Bist du allerdings in der Wettkampfphase, macht es natürlich Sinn, dem Muskelkater mit einem Eisbad entgegenzuwirken. 

Nun wollen wir beide aber heute gar nicht so sehr über den Leistungssportler sprechen, sondern um Menschen wie dich und mich. Du sagst, Atmung, Schlaf und Ernährung sind die drei Komponenten, die für eine bestmögliche Regeneration sorgen. Würdest du sagen, dass diese drei Bausteine auch den Nicht-Sportler leistungsfähiger machen?

Es ist egal, ob du Mama oder Manager bist oder Olympiasieger werden möchtest – diese drei Komponenten sind ausschlaggebend für die Leistung, die du bringen musst. Ich sage immer gerne: Du kannst, ohne eine einzige Tafel Schokolade in deinem Leben gegessen zu haben, problemlos 100 Jahre leben. Du kannst auch so lange leben, ohne einen einzigen Saunagang gemacht zu haben. Wellnesstrategien, die aus unserer heutigen Sicht unheimlich wichtig erscheinen, sind nicht lebenswichtig. Du kannst aber nur fünf bis zehn Minuten ohne Atmung überleben, ohne Trinken etwa vier bis sieben Tage, ohne Schlaf nur etwa zwei Wochen und ohne zu essen schaffen wir eventuell ein bis zwei Monate. Daher macht es Sinn, sich mit der Optimierung dieser drei Bausteine zu beschäftigen.

Woran liegt es denn, dass die Optimierung der Atmung beispielsweise weniger Ernst genommen wird, als der Wunsch nach dem Saunagang?

Der Saunagang ist einfacher. Wenn ich die Komponenten Atmung, Schlaf und Ernährung optimieren möchte, muss ich mir Gedanken um eine Tagesstruktur machen. Alleine wenn es um Ernährung geht, brauche ich eine gute Planung und unter Umständen Vorbereitung. Es ist ja auch nichts gegen den Saunagang zu sagen, wenn er gut tut und eine Auszeit bietet. Alles wunderbar. Aber wenn ich eine gute bewusste Atmung habe, dann schlafe ich auch besser. Wenn ich mich gesund ernähre, bin ich tagsüber weniger müde, beeinflusse den Tagesrhythmus besser. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass Entgiftung zu 70 Prozent über die Atmung, 20 Prozent über die Haut, 10 Prozent über Verdauungsorgane funktioniert.

Was hast Du in Deinen Recherchen zum Thema Ernährung herausgefunden? 

Hier zitiere ich gerne Tom Fox, einen Ernährungstherapeuten, der einmal gesagt hat: „Je mehr sich die Menschen der Religion abwenden, umso mehr wenden sie sich der Ernährung zu.“

Man muss sich, wenn man über Ernährung spricht, erst klar werden, worum es geht: Unterhalten wir uns über eine ethische Ebene oder geht es um Biologie? Das nächste ist: Wir müssen uns die Frage stellen, wo wir herkommen, bevor wir über optimierte Ernährung sprechen. Dazu erzähle ich ein Beispiel aus der Deutschen Eishockeyliga. Hier gab es vor einigen Jahren folgendes Problem: Ein Spieler aus Alaska kam in ein deutsches Team, toller Spieler, performte grandios. Nach drei Monate: Totalausfall. Die Leistung des Athleten nahm ab, er fühlte sich müde, war ständig verletzt. Und irgendwann stellte man ihm die Frage: Was hast du verändert, seit du hier in Deutschland bist? Und er erzählte dann von seiner Ernährung. Der hatte in Deutschland erst mal nur Kohlenhydrate zu sich genommen. Da wurde er sofort auf Low Carb gesetzt. Der Athlet hatte seine Ernährung aufgrund der unterschiedlichen Kulturen zweier Länder mehr oder weniger unbeabsichtigt komplett umgestellt. Aus einem Leben, in dem täglicher Verzehr von Fisch etwas normales war, kam er in eine Welt, in der hauptsächlich Kohlenhydrate auf dem Speiseplan stehen. Das konnte nicht funktionieren. Der Mensch benötigt etwa 6000 Generationen, um seinen Stoffwechsel anzupassen. Das sind ca. 50.000 bis 100.000 Jahre. Getreide gibt es erst seit 8000 Jahren. Da wundert es nicht, dass einige Gluten nicht gut vertragen oder warum Asiaten immer noch eine Laktoseunverträglichkeit haben. 

Ernährung wird – wie du ja auch mit den Worten von Tom Fox deutlich gemacht hast – schnell zur Glaubenssache. Wie gehst du damit dann um, wenn du Athleten vor dir hast, die du schulen möchtest?

Natürlich ist die Qualität von Produkten nicht außer Acht zu lassen. Es macht schon Sinn, darauf zu achten, wo das Essen herkommt, wie es produziert wurde. Aber manchmal muss man auch die Kirche im Dorf lassen. Ernährung darf nicht zur Belastung werden. Man soll auch seine Mitmenschen nicht damit in den Wahnsinn treiben – was ich tatsächlich auch schon getan habe, weil ich eben auch Dinge manchmal ausprobieren muss. Ich glaube, es ist immer ein guter Rat, etwas nicht zum Dogma werden zu lassen.

Kommen wir zu meinem Lieblingsthema. Der Atmung. Wie atmet man denn „effektiv“?

Dazu kann man selbst verschiedene Punkte beachten: Beispielsweise, wie oft man in der Minute atmet. Die Frequenz sollte 10-14 Atemzüge pro Minute nicht übersteigen. Ein wichtiger Aspekt: Atmet man während der alltäglichen Aktivitäten manchmal durch den Mund? Atmet man während des Schlafes durch den Mund? Schnarcht man? Wie schwer atmet man während man sich ausruht? Wie sehr heben sich Brust und Bauch beim Atmen an? Ist die Atmung während des Ausruhens hörbar? Beobachtet man mehr Brust- als Bauchbewegung beim Atmen? Seufzt man regelmäßig am Tag? Regelmäßiges Seufzen ist ein Merkmal von chronischem Überatmen. Macht man im Alltag die Erfahrung von nasaler Überlastung, Verengung der Atemwege, Erschöpfung, Schwindelanfälle oder Benommenheit? Leidet man unter Atemwegserkrankungen wie beispielsweise Asthma?Leidet man unter metabolischen Erkrankungen wie Diabetes, Herzerkrankungen? Eine optimierte Atmung kann tatsächlich geübt werden. Der erste Schritt wäre die Umstellung auf eine ganztägige Nasenatmung. Durch diese Beanspruchung wird das Zwerchfell gestärkt.

Wer Sport treibt, sollte selbst beim Training versuchen, so viel wie möglich die Nasenatmung anzuwenden. Ein Trick vor dem Schlafengehen bei Schnarchen: 15 Minuten vor dem Schafengehen die Atmung verlangsamen. Ein Lippenpflaster (Myotape) ist eine Möglichkeit im Schlaf eine nächtliche Nasenatmung zu gewährleiten.

Und was sind mögliche Folgen von ineffektiver Atmung?

Ein Beispiel: Ist das Zwerchfell in seiner Funktion gestört, verändern die anderen Muskeln ihrerseits ihre Funktion und laufen Gefahr, zu überlasten. Dadurch vermindert sich auch die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, was zu Schmerzen im Rücken- und Beckenbereich führen kann. Es besteht die erhöhte Gefahr von Atemwegserkrankungen wie Asthma. Ebenso besteht die Gefahr von Inkontinenz – was im Übrigen 33 Prozent der Leistungssportler betrifft.

Als Yogalehrerin weiß ich, dass das Thema Atmung nicht immer auf großes Interesse stößt. Atmen funktioniert automatisch, ist eine Meinung. Ich habe das Gefühl, für viele Menschen geht die achtsame Beschäftigung mit der Atmung zu sehr in die Tiefe. Wie gelingt es dir, Leistungssportler von deinen Strategien zu überzeugen?

Gutes Marketing ist alles (lacht). Das habe ich selbst erst einmal lernen müssen. Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit gemerkt, dass die Athleten sich während meiner Vorträge zu den Themen Meditation und Atmung null abgeholt fühlten. Ich habe dann schon an deren Gesichtern gesehen, dass sie dachten: Komm mir nicht mit dem esoterischen Scheiß. Ich bin dann wirklich einige Male frustriert nach Hause gefahren. Und dann habe ich die Strategie gewechselt. Ich arbeite beispielsweise sehr viel in der Handball-Bundesliga. Dort sind viele Jungs absolute Fans von der amerikanischen NBA und NFL. Und als ich dann begonnen habe, denen zu erzählen, dass harte Hunde wie Shaquille O’Neil, Michael Jordan, LeBron James, Russell Wilson und so weiter, meditieren, da waren die auf einmal ganz Ohr. Plötzlich kamen sie zu mir, fragten mich nach Meditations-Apps. Und genauso ist es eigentlich mit jeder Branche. Du musst schauen, wo du die Leute am besten mit dem Thema packen kannst. 

Wie verknüpfst du dieses Wissen mit deinem eigenen Alltag? Meditierst du oder bist du einfach jemand, der sehr bewusst und aufmerksam atmet?

Meine Meditationspraxis war tatsächlich schon mal regelmäßiger, das liegt am Alltag – meine Frau arbeitet in einem Landwirtschaftlichen Betrieb, da ist momentan natürlich absolute Hochsaison, wir haben zwei schulpflichtige Kinder, ich bin berufstätig. Aber dafür achte ich ziemlich auf gesunde Ernährung, und ich habe meine eigene Strategie entwickelt, wie ich gut schlafen kann. Da muss ich beispielsweise auch satt sein und hochdosiert gutes Magnesium zu mir genommen haben. Dann steige ich momentan jeden Tag aufs Rad und übe da aktiv an meiner Atemtechnik. Beim Radfahren habe ich eine ziemlich gute Kontrolle über meinen Puls und spiele dann auch damit. Beispielsweise teste ich aus, wie lange ich eine Nasenatmung aufrecht erhalten kann. Was ich in der Corona-Pandemie für mich wiederentdeckt habe, ist die Musik. Ich habe mir seit langem mal wieder eine Gitarre gekauft und wenn ich merke,ich komme am Schreibtisch gerade nicht weiter, mein Kopf ist dicht, dann setze ich mich kurz hin und spiele Gitarre. Danach kann ich dann wieder weitermachen. Das ist momentan sozusagen meine Meditation.

Thorsten Ribbecke hat ein Buch zu diesem Thema geschrieben. Es heißt: Regenerationsstrategien. Neue Reserven durch Erholung und Monitoring und ist im Pflaum Verlag erschienen.

Priorität: Einatmen, Ausatmen

Im November ist meine Yogapraxis sehr einfach geworden. Na ja, ich muss fast sagen: Ich bin froh, dass da überhaupt wieder so etwas wie eine Yogapraxis stattfindet. Ich habe angefangen, in meinem Alltag als Mama und Selbständige wieder Prioritäten zu setzen und gehe auf die Matte. Und ich bin danach so unheimlich wach, gestärkt und zufrieden. Und alleine das ist wundervoll. In meinem Kopf fühlt es sich so an, als hätte der Ostseewind einmal durch jede Ritze meines Gehirns gepustet, als hätte ich noch einen starken Espresso gehabt – nur ohne Magenschmerzen. Es ist so gut. Mir reichen 30 bis 45 Minuten. Und die Praxis ist – wie schon erwähnt – wirklich simpel. Ich sitze kurz und atme in meinen Bauchraum, ich gehe in den Kniestand, atme ein und schiebe meinen Po dann ins Kind. Ich atme aus, hebe mich in einen Vierfüßler mit der Einatmung und gehe ausatmend zurück ins Kind. Ich mache den Herabschauenden Hund, fließe ein paar Mal durch den Sonnengruß, weil er meinem Rücken so gut tut, mache immer – wirklich in jeder Praxis – einen Krieger 2, eine Umgekehrte Winkelhaltung und einen friedvollen Krieger (meine Schüler kennen das …) und seit November jedes Mal das Dreieck und dann – als Top Asana sozusagen – das gedrehte Dreieck. Puh. Also von wegen simpel. Das fällt mir nämlich schwer, ich finde es recht anspruchsvoll. Danach vielleicht noch eine Brücke, die sitzende Vorbeuge, den Fisch wenn es sein muss und Savasana. Ende aus.

Ritterrüstung angeatmet

Dabei habe ich so gut geatmet, ich fühle mich so als sei ich gegen jeden kommenden Wutanfall von Unter-Sechs-Jährigen gewappnet. Als würde mein Atem mich durch den Tag tragen, komme was wolle. Als hätte ich mir eine Ritterrüstung angeatmet. Ich liebe das. Ich habe lange nicht so gut geatmet wie in den letzten Wochen. Und es fühlt sich wirklich so an, als trage mich der Atem durch Hochs und Tiefs. Was natürlich ein Trugschluss ist, denn wir können ja nie auf alles vorbereitet sein. Aber egal. Alleine die Illusion, dass ich meine Ritterrüstung bei mir trage, fühlt sich gut an. Wie verächtlich ich früher immer die Augen verdrehte, wenn ich las, dass am Abend, wenn die Kinder nicht einschlafen wollten, nur Ein- und Ausatmen helfe … Heute empfinde ich das wirklich so. Wenn ich die Luft in meinen Bauchraum strömen lasse, egal wo ich gerade bin, entsteht so viel Entspannung. Und so bringt mich meine Atmung durch meinen Alltag. Nichtigkeiten. Erste-Welt-Probleme.

Pausen sollen aktive Prozesse sein

In dem Podcast Besser leben mit Yoga von yogaeasy hat Professor Doktor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln im Interview mit Kristin Rübsamen im August gesagt: „Kein Mensch kann bei den Tagesthemen entspannen. Der Konsum von Medien kann keine Regeneration sein. Pausen sollen ein aktiver Prozess sein. Sportler werden durch Pausen richtig gut. Die Pause muss zur Leistungsfähigkeit passen. Belastung und Regeneration müssen als Zwillinge betrachtet werden.“ Yoga verbindet Bewegung mit Pause. Und der bewusste Fokus auf unsere Atmung macht etwas mit uns. Er versetzt uns in einen meditativen Zustand.

Alle Gefühle willkommen

„Kein Mensch kann bei den Tagesthemen entspannen“ – für mich klingt das ziemlich logisch. Die Flut an negativen Nachrichten ist anstrengend für uns. Schnelle Fernsehbilder sind es auch. Vielleicht setzt du dir auch wieder deine Entspannungs-Priorität. Muss ja nicht Yoga sein. Und wenn es doch Netflix sein muss … dann such dir vielleicht was Herzerwärmendes raus … 😉 Jetzt ist der Advent ja bald. Mein diesjähriges Motto dafür: „All feelings are welcome“. Vielleicht will ich in diesem Advent gar nicht jeden Tag voller Vorfreude sein. Vielleicht bin ich manchmal Lichter- und Sterne-müde, vielleicht traurig, vielleicht fühle ich mich mal gar nicht so stark und an anderen Tagen habe ich mich wieder high geatmet, freue ich mich auf eine Jahreszeit, die ich wirklich mag. Mal sehen.

Essen, Schlafen, Atmen

Auf vielen Blogs, die ich selbst gerne lese, wird zurzeit über Strategien berichtet, wie wir uns die  Pandemie-Zeit verschönern können. Oder auch: wie wir sie überleben können. Ich nehme mich da nicht aus, ich habe das auch in den vergangenen Artikeln schon mehrfach getan. Basteltipps, die Kinder beschäftigen, Rezepte, die gute Laune machen, Inspiration für Sport an der frischen Luft, der das Immunsystem stärken soll, Dinge, die uns glücklich machen und dann natürlich das, was sowieso immer hilft: sich bewusst machen, wofür man eigentlich dankbar sein kann – tolle Tipps. Sie helfen wirklich. Und machen wirklich gute Laune.

Es gibt aber drei Komponenten, die wir nicht vergessen sollten, und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass wir sie vergessen. Regenerationsspezialist Thorsten Ribbecke, der an der Trainerakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes in Köln arbeitet, sagt: „Schlaf, Ernährung und Atmung – das sind die drei Bereiche unseres Lebens, die für bestmögliche Erholung sorgen. Und was für Leistungssportler gilt, sollte für jeden Menschen gelten.“

Ernährung ist immer emotional

Ich bin Yogalehrerin. Stimmt. Aber schaue ich mir die drei Bereiche in meinem Leben genauer an, dann tut sich mir die erstaunliche Realität auf: Die drei Komponenten lassen bei mir zu wünschen übrig. Ich glaube, der Bereich Ernährung ist noch der, der mir am besten gelingt. Immer noch nicht so gut, wie ich es eigentlich möchte, aber immerhin. Ich würde gerne mehr Ayurveda einbringen, gelingt mir noch nicht. Auch wenn ich hier auf dem Blog gerade jede Menge Komfort-Food feiere, achte ich sehr darauf, womit ich meinen Körper nähre. Ich kaufe nie Fertiggerichte, wir kochen immer bis auf ganz wenige Ausnahmen – wenn wir mal Thai-Food holen, weil es gerade organisatorisch nicht anders geht – selbst, kaufen ausnahmslos Bioprodukte und zwei Mal die Woche decke ich mich beim Ökobauer meines Vertrauens mit reichlich Obst und Gemüse ein. Sogar die Nüsse kaufe ich mittlerweile beim Demeter-Bauer. Ich süße wenn, dann meistens mit Honig, Datteln oder Ahornsirup und esse kein Fleisch. Ich trinke nie mehr als zwei Tassen Kaffee am Tag – mein Arzt behauptet übrigens, der zweite wäre so wichtig … Ich trinke nie Alkohol, keine Limonaden. An die letzte Cola kann ich mich nicht erinnern. Muss man so nicht machen. Ich sage damit nur, erstaunlicherweise ist die Komponente Ernährung vermutlich die, die am besten bei mir funktioniert. 

Schlaf wird nicht überbewertet

Schlaf?! Toll. Nehme ich. Glaubt man Ribbecke, ist das der Punkt, der am wenigsten für Diskussionen sorgt. „Das ist jedem, wenn es um Regeneration geht, klar. Das ist auch, im Vergleich zu Ernährung beispielsweise, kein Thema, das emotional schnell hochkochen kann, weil plötzlich auch noch so etwas wie Ethik oder Umweltschutz eine Rolle spielt und weil Ernährung generell ein sehr persönliches Thema ist.“ Die meisten Menschen schlafen ja auch gerne. Aber gut? Ich schlafe seit über fünf Jahren wirklich meistens schlecht. Ich habe seit über fünf Jahren nicht mehr durchgeschlafen. Angefangen hat das in meiner ersten Schwangerschaft; mir war da fünfeinhalb Monate lang so schlecht, dass ich mir morgens wünschte, es wäre Abend und nachts wünschte ich mir, es wäre Tag. Ich hatte nachts ständig Durst und musste demnach natürlich auch dauernd aufs Klo. Ich nahm es mit Humor, dachte mir: „Super, dann wird das mit dem Baby ja nachts ein Klacks.“ So war es auch. Natürlich schliefen meine Babys nicht durch, aber es störte mich auch nicht, sie nachts zu stillen. Morgens fühlte ich mich –spätestens nach einem Kaffee – total fit. Ich bin Langzeitstill-Mama, deswegen schlafe ich heute noch schlecht. Mein Körper hat sich nach zwei Stillkindern einfach daran gewöhnt, nachts mehrmals wach zu werden. Zusätzlich dazu ist immer was: Die Kinder haben schlecht geträumt, kommen garantiert an dem Tag morgens um fünf Uhr auf den Gedanken, aufstehen zu wollen, wenn ich mal abends ganz spät ins Bett bin oder sie haben sich mitten in der Nacht versehentlich geweckt. Ich habe mir nie so viele Gedanken darüber gemacht, doch in den letzten Tagen bin ich schon um 21 Uhr ins Bett. Ich dachte, ich müsse vielleicht mal Schlaf nachholen. Gerade hat übrigens Claudia Schaumann von Wasfürmich ganz süß darüber gebloggt. Sie hat auf Instagram ein Profil gefunden, das sich nur um das Thema Naps, Ausschlafen und Entspannung dreht: @thenapministry und findet es unheimlich angenehmen, einfach nur diesen Account zu scrollen.

Bezahlen um zu atmen …

Tja und Atmung? Hust. Hust. Was habe ich mir einen abgeatmet die letzten Jahre! Immer mit dem Anspruch effektiv zu atmen, den Sauerstoff in jede Zelle meines Körpers zu schicken, Kohlendioxid abzutransportieren und innere Ruhe zu bewahren. Hat nicht wirklich funktioniert. Ich sage es gleich: Yogalehrerin zu werden, bedeutet nicht, dass man auch direkt lernt, vernünftig zu atmen.

2016 habe ich ein Yoga-Buch veröffentlicht, ein Kapitel darin hieß: „Bezahlen, um zu atmen?“ Das sollte natürlich ironisch sein. Die Wahrheit ist: Auch ich gehe nun zur Atemtherapie. Da gebe ich richtig Geld für aus. Wir atmen rund 24.000  Mal am Tag und etwas, das wir so häufig machen, sollte optimiert werden. Das sagt auch Ribbecke. Er sagt auch, dass das Thema, wenn er mal wieder über Regenerationsstrategien referiert, bei den meisten Athleten erst auf Ablehnung stößt. Atmen und Meditation – da müsse er sich schon eine richtig gute Marketingstrategie einfallen lassen, bis die Sportler ihm zuhören würden. Hat er aber jetzt. Er hat sich ein paar amerikanische Badass-Athleten rausgesucht, die nachweislich meditieren und das ziehe immer, sagt er. Wenn er erzähle, das Sportstars wie LeBron James seit Jahren einer regelmäßigen Meditationspraxis nachgingen, dann kämen die Athleten nach seinem Vortrag zu ihm und würden sagen: „Du, gibt es da nicht eine App, die wir nutzen können?“ „Von einer richtigen Atemtechnik profitiert nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Leistungsfähigkeit“, sagt Ribbecke. „Die Atmung erzeugt Reaktionen in unserem Nerven-, Muskel- und Fasziensystem, sowie Knochen- und Gelenksystem und hat Einfluss auf das autonome und das zentrale Nervensystem“, erklärt er.

Welche Muskeln helfen eigentlich beim Atmen?

„Du musst überhaupt erst mal wieder lernen, dein Zwerchfell zu entspannen“, sagte mir meine Pranayama-Lehrerin ganz unverblümt in unserer ersten gemeinsamen Stunde. Das Zwerchfell entspringt an den Rippen, dem Brustbein und den oberen Lendenwirbeln und ist unser wichtigster Atemmuskel. Bei einer ruhigen Einatmung übernimmt das Zwerchfell den Großteil der Atmung und in Teilen die Zwischenrippenmuskulatur sowie die schräge Bauchmuskulatur. Ein Teil des Zwerchfells steht in Kontakt mit den unteren Rippen und der Brustwand. Dieser Teil wird unter anderem von der Bauchmuskulatur kontrolliert. Wenn das Atmen ganz schwer wird, helfen auch noch Teile der Muskulatur des Schultergürtels und des Halses, die sogenannte Atemhilfsmuskulatur. Voraussetzung für eine effektive Atmung ist immer, dass die Atemmuskeln gut funktionieren. „Ist dieser Bereich gestört, kann es zu einer ineffizienten Atmung durch einen verminderten Zwerchfelldruck kommen, der querverlaufende Bauchmuskel, der für die Stabilisation im Lendenwirbelbereich und auch für die Atmung wichtig ist, wird nicht richtig eingesetzt und dadurch verändern die anderen Muskeln, die an der Atmung beteiligt sind, ihrerseits ihre Funktion und laufen Gefahr, zu überlasten“, sagt Ribbecke.

…ausgerechnet die Atmung können wir beeinflussen

So weit muss es natürlich nicht kommen, aber wir sollten uns dessen bewusst sein, dass wir ausgerechnet die Atmung im Vergleich zu allen anderen vegetativen Funktionen unseres  Körpers beeinflussen können. Verrückt, oder? Atmen wir effektiv, sinken Puls und Bluthochdruck. Ich bin schwer am Üben. Atme vor mich hin, spüre ganz bewusst meinen Bauch, der sich beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt. Und lerne, mein Zwerchfell wieder zur entspannen. Das hilft übrigens auch, wenn es zuhause mal wieder stressig wird, weil jemand keine Lust hat, im Winter Schuhe anzuziehen bevor wir dringend los müssen oder wenn sich zwei Kinder um irgendwelches Spielzeug streiten, während ich eigentlich kochen sollte… Einatmen. Ausatmen. Und zwar nicht nur automatisch. Ich gehe im Moment tatsächlich jeden Tag auf die Matte, um Pranayama, also Atemtechniken, zu üben. Die Asana-Praxis ist unwichtiger geworden. Oder auch, ich habe mehr und mehr verstanden, dass Asana dazu da ist, Pranayama zu üben. Im Moment gefällt mir das. Vielleicht liegt’s am Alter …