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Yoga während Corona … oder ein Mutmachtext

Wie kommen wir – und damit meine ich jetzt Yogalehrer – durch diese Zeit? Gibt es dann, wenn sie wieder öffnen dürfen, also vielleicht irgendwann im Jahr 2021, überhaupt noch Yogastudios? Kaufst Du Onlinestunden und Gutscheine bei Deinem Lieblingsstudio, damit Du auch wirklich irgendwann wieder in den Genuss einer Yogastunde mit Yogalehrer und anderen Yogis kommen kannst? Und was können wir Lehrer machen, in einer Pandemie, in der Yoga so wie wir es gewohnt waren, nicht mehr stattfinden kann?

Das hier sollte ein Artikel über das „Studiosterben“ werden. Denn Studios werden sterben. Manche sind schon während des ersten Lockdowns gestorben. Nun ist der Text ganz anders geworden als ich mir das vorgestellt habe. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen. Ich habe mit vier Frauen gesprochen – jede von ihnen betreibt, eröffnete oder schloss ein Yogastudio in der Pandemie. Eine davon ist Gaby Rottler. In München kennt man sie. Sie ist die Frau, die das Wanderlust Café & Yoga in Neuhausen betrieben hat. Wenn man so will, kommen in Gaby alle Branchen zusammen, denen Corona in diesem Jahr so richtig auf die Schnauze gegeben hat: Gaby ist Künstlerin, sie war Gastronomin mit Café und Catering-Unternehmen und auch noch Yogastudio-Betreiberin. Als wir uns zum Interview verabredet haben, kommt sie gerade von einem dreitägigen Schweigeretreat. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass es deswegen aus ihr so heraussprudelt. Aber diese Frau sprüht nur so vor positiver Energie. Das liegt nicht am Schweigeretreat. Sie macht mir ein Geständnis: Als die Nachricht vom ersten Lockdown kam, war sie mitten in einem Catering. „Mein erster Gedanke war Erleichterung.“ 

Es scheint, als kommen in Gaby alle Branchen zusammen, denen Corona in diesem Jahr so richtig auf die Schnauze gegeben hat. Aber das macht nichts: Gaby sprudelt nur so vor Ideen.

Befreiungsschlag: Corona

Das Wanderlust Café & Yoga stand unter einem guten Stern. Bei Gaby gab es Soulfood, immer nette Leute, gute Gespräche, tiefgründigen Yoga. Gaby Rottler hatte gemeinsam mit einer Partnerin einen Ort geschaffen, an dem alles sein durfte. Schnell war eine Yogacommunity entstanden. „Ich war stolz auf das, was wir geschaffen hatten. Wir waren eines der ersten Studios in München, die in der Pandemie nahezu mühelos und schnell auf online umstellen konnten. Wir hatten ein schönes Konstrukt, der Laden boomte aber ich war körperlich am Ende.“ Ihre Partnerin war kurz nach der Eröffnung vor über einem Jahr bereits ausgestiegen und Gaby Rottler stand alleine da. „Mein Körper hat einfach nicht mehr mitgemacht, das war eine schmerzhafte Erkenntnis. Corona hat mich von meinem schlechten Gewissen befreit. Und so konnte die Einsicht kommen, dass es nichts bringt, wenn ich kraftlos bin, den Laden aber weiterführen muss. Ich kann anderen nur Gutes tun, wenn es mir selbst auch gut geht.“ Die Covid-19-Pandemie war für Gaby Rottler eine Art Befreiungsschlag. „Ich durfte plötzlich innehalten und ohne Druck nachdenken, wie die Reise weitergehen sollte.“ 

Die Türen im Wanderlust Café & Yoga wurden geschlossen. Die monatlichen Fixkosten blieben natürlich. „Ich habe zum Glück sehr schnell die Soforthilfe bekommen und konnte damit erst einmal Luft holen. Ich wusste, ich hatte jetzt ein wenig Zeit zum Nachdenken. Die Kosten für meinen Lebensunterhalt konnte ich mit der Soforthilfe natürlich nicht decken, ich musste mir von Freunden Geld leihen, und dann hatte ich Glück: Im Juli habe ich sehr liebe Nachmieter für das Café gefunden, bei denen es auch in sehr guten Händen ist. Ich habe das Café mit allem Inventar abgegeben und dadurch bin ich zu etwas Geld gekommen.“ 

#don’tlivewithoutart, #don’tlivewithoutyoga

Der erste Teil der Pandemie war für Gaby Rottler anstrengend aber befreiend. Corona hatte Prozesse angestossen, auch bei den anderen Lehrern. „Ich bin freiberuflich in meinen alten Job zurückgegangen, mache Marketing für ein kleines Unternehmen, das ökologische und nachhaltige Produkte verkauft. Und wir haben gemeinsam eine gesunde Wandfarbenserie entwickelt, die von den Farben der Chakren inspiriert ist. Zudem habe ich begonnen, alle meine Bilder zu verkaufen. Ich brauchte Platz.“ Unter dem Hashtag #don’tlivewithoutart postet sie auf Instagram jeden Tag ein Foto von einem ihrer Werke und verkauft es für relativ wenig Geld in alle Welt. Gerade verschickte sie ein Bild nach New Jersey. „Ich wollte den Menschen einerseits die Möglichkeit geben, sich Kunst leisten zu können, andererseits habe ich gedacht, meine Bilder müssen raus. Irgendwohin, wo sie leben dürfen. Egal wie viel Geld ich dafür bekomme.“ Jetzt hat sie eine neue Idee. Zusammen mit anderen Frauen aus der alten Wanderlust Community möchte sie einen Online-Raum für selbständige Yogalehrer schaffen. „Wir wollen diejenigen unterstützen, die nicht die Manpower haben. Wir können nur gemeinsam aus der Krise wachsen.“

Gaby Rottler hat viele Ideen und nutzt die „besondere“ Zeit dafür, diesen Ideen Raum zu geben. Sie schreibt an einem veganen Kochbuch, macht gerade ihren veganen Ernährungsberater und findet endlich wieder Zeit für Dinge, die sie normalerweise liegenlassen würde. Mit den Hunden geht sie in die Natur, um Kraft zu schöpfen. Das dreitägige Schweigeretreat in den Bergen mit ihrem Partner und den Hunden hat Themen hervorgebracht, die sie im Rausch des Alltags scheinbar begraben hatte. Sie hat ein schönes Bild für das, was diese Pandemie uns gebracht hat: „Corona hat uns in die Häuser zurückgeschickt, jetzt brauchen wir wieder Community. Die darf aber auch online stattfinden, wenn es gerade nicht anders geht.“

Was Verrücktes

Auch in München macht Kerstin Gröber etwas „Verrücktes“. Sie eröffnet mitten in der Pandemie ein Yogastudio. Anfang Oktober – als in München gerade wieder Corona tobte – öffnet sie die Türen vom HAIRU Yoga Studio. Sie lacht. „Rational gesehen, hätte ich jetzt sagen müssen, ich stampfe diese Idee ein. Aber in mir brodelte etwas.“ Eigentlich sollte das „Hairu“ im Frühjahr 2020 eröffnet werden, Covid-19 machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Dann kam der Sommer und Kerstin war nach allen Planänderungen, Sorgen und Überlegungen einfach noch nicht bereit dafür, ihr Vorhaben umzusetzen. „Es brauchte noch eine Weile, bis ich mir sicher war, dass ich, trotz eines in der Luft liegenden zweiten Lockdown, eröffnen wollte. Ich hatte plötzlich die Einstellung: Ich will es jetzt durchziehen.“ 

Das HAIRU Yoga Studio kam nur kurz in den Genuss von offenen Türen. Nun ist das Bild aus dem Spätsommer Wunschdenken.

Hairu ist japanisch, es heißt so viel wie, „nach innen gehen“. Kerstin hat bewusst kein Sanskrit-Wort gewählt. Außerdem mag sie die Mentalität der Japaner. Das passe zu ihr. „Ich habe mich für ein Konzept entschieden, dass anders ist und während der Covid-19-Pandemie ist in mir der Entschluss gereift, dass es genau so ein Studio jetzt braucht.“ Schmunzelnd und liebevoll sagt sie, sie biete „Randgruppen-Yoga“. „Eigentlich sind wir doch alle Randgruppen.“ Sie will, dass sich alle wohlfühlen, Männer, Frauen, Schwangere, Ältere, Unbewegliche, Extremsportler, Flexible, Ashtangis. Sie lacht. „Zusätzlich wünschte ich mir einen Ort, an dem alle zufrieden sind, die Schüler wie die Lehrer und die Studioleitung natürlich auch. Mir ist aufgefallen, dass wir Yogalehrer so viel über Selbstliebe und Nächstenliebe predigen und am Ende ist da doch eine sehr egoistische Welt. Ich weiß, dass der Satz: ‚Jeder ist willkommen‘ sich erst mal schön anhört und dann noch lange nicht umgesetzt ist. Aber das ist mein Anspruch.“ 

Krise schafft Einfallsreichtum

Mit den Lehrern, die im HAIRU unterrichten, teilt sie die Erträge. Niemand arbeitet auf Honorarbasis. Damit will sie die Lehrer mit ins Boot holen, ihnen Mitspracherecht geben, sie machen lassen. „Die Lehrer sollen hier gerne unterrichten, das ist mir sehr wichtig. Durch Corona ist vielen Lehrern aufgefallen, dass sie als Online-Lehrer ihr eigenes Ding machen und die Erträge direkt in die eigene Tasche stecken können. Lehrer sind aktiver geworden, sie haben mehr Erkenntnis, was eigentlich geht und genauso sieht ein Studio auch, dass man sich nicht auf Komfortzonen verlassen darf. Studiobetreibern muss klar sein, dass Online ein Wettbewerb bleiben wird. Wir müssen alle alarmierter sein. Und das ist für mich das Gute an einer Krise. Sie schafft Einfallsreichtum“, sagt Kerstin. Sie glaubt, dass das gewohnte Modell eines Studios nicht mehr richtig funktioniere. „Wenn wir die Lehrer involvieren, sind sie glücklicher und das spürt auch der Schüler. Im HAIRU wird alles geteilt. Es gibt keinen Stundenlohn. Aber genauso wird dann auch igrgendwann der Gewinn geteilt.“

Gleichberechtigung auf allen Ebenen

Als Yogaschülerin habe sie die Erfahrung gemacht, dass sie sich auf allen Ebenen gleichberechtigte Begegnungen wünsche. „Ich stellte mir die Frage, wie ich als Schülerin behandelt werden möchte und gleichwohl dann auch die Frage, wie Lehrer von der Studioleitung behandelt werden wollten. Ich glaube, mit der Krise haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass wir neu handeln müssen, um überleben zu können.“ Das HAIRU befindet sich in einer alten Autowerkstatt – ein großer Yogaraum mit einem kleinen Vorraum, einer Sitzecke, Teeküche, Garderobe, WCs. Das war es.

Natürlich gehe das finanziell noch nicht auf, doch das wäre ja auch ohne Corona so. „So ein Business braucht Zeit.“ Am wichtigsten sei es nun, mit den Schülern in Kontakt zu bleiben.

Eine weitere Erkenntnis, zu der sie in der Pandemie gekommen sei: „Wenn ich etwas will, dann bleibe ich dran. Dann ziehe ich das durch. Es ist sicher wichtig, sich treu zu bleiben. In so einer Krise kann man schnell abgelenkt werden, man hinterfragt mehr, hört weniger auf seine Intuition. Ich glaube, das muss man ablegen. Wie beim Yoga eben. Den Fokus auf das legen, was wirklich zählt. Nach innen gehen.“ 

Yoga für Senioren

Silke Wagner betreibt in Büttelborn in der Nähe von Frankfurt das Studio 1fach Yoga. Der Name soll Programm sein: Silke wollte einen Ort kreieren, an dem auch die Menschen ein Zuhause finden, die sich in vielen Studios überfordert fühlen, weil Asanas zu schwierig für sie sind. „Als ich meine Ausbildung gemacht habe, merkte ich schnell, dass mir die älteren Leute wegbrechen würden. Ich dachte: Wie schade, denn eigentlich soll Yoga sich den Teilnehmern doch anpassen. Ausgerechnet die Älteren würden doch so sehr von Yoga profitieren.“ So begann sie, Yoga für die Altersklasse 50plus anzubieten. Das sprach sich schnell herum. „Die Zielgruppe war dankbar. Die Menschen spürten, dass sie ihren Körper besser kennenlernen konnten. Dann kam Corona. Und gerade die Älteren haben unter der langen Pause sehr gelitten.“

Müde aber planlos glücklich

Im „Lockdown light“ ist Silke müde, „das Thema kann ich langsam nicht mehr hören“, sagt sie. „Das ganze Jahr war ein einziges Organisationschaos. Ja, ich fühlte mich angetrieben, habe getan und gemacht aber wenn ich inne halte, stelle ich fest, das Jahr war sehr aufreibend.“ Sie steckt den Kopf nicht in den Sand, auch nicht, als sie im ersten Lockdown auf online umstellen will und das gesamte Equipment erst ankommt, als Yogastudios längst wieder geöffnet haben. 

Silke Wagner ist „Corona-müde“. Kein Wunder, sie fährt das Tablet höchstpersönlich zu ihren Senioren-Schülern, damit auch wirklich all ihre Kunden weiterhin Yoga üben können.

„Wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass Planen im Voraus nicht viel Sinn macht“, sagt die Mutter zweier Kinder. „Und diese Erkenntnis hat auch etwas Heilsames. Kürzlich fragte mich eine Freundin: ‚Was machen wir eigentlich im Januar, wenn es so weitergeht?‘ Und da sagte ich: ‚Erstmal ist ja Dezember. Also warum soll ich schlaflose Nächte wegen Januar haben?‘“

Stolz ist sie darauf, dass der Großteil ihrer Kunden mit online gegangen ist. Sie unterrichtet hauptsächlich Senioren und die meisten davon machen jetzt Yoga mit einem Videolink. Dann hat sie noch eine Idee: Um allen Yoga zu ermöglichen, auch denjenigen, die sich das Internet nicht mehr zutrauen, fährt sie ihr eigenes Tablet zu den Kunden nach Hause. 75 Minuten später holt sie das Tablet ab, manchmal bringt sie es direkt zum nächsten.  

Senioren machen Online-Yoga

„Zu sehen, wie sich die Senioren reinfuchsten, das war unheimlich schön. Die haben sich auch was einfallen lassen, da half dann das Enkelkind oder so.“ Alle ihre Kurse sind jetzt online. Sie vermutet, dass sie ungefähr 20 Prozent ihrer Kundschaft verloren hat. Silke arbeitet zusätzlich als Spiraldynamik-Pädagogin. Sie kämpft dafür, Einzelstunden weiterhin anbieten zu dürfen – und siegt. „Ich konnte nicht zulassen, dass meine Kunden, die mit ihrer Schmerztherapie auf einem guten Weg waren, wieder vermehrt Schmerzen spüren.“ Ihre Kosten kann sie auch mit vorhandenen finanziellen Reserven tragen. Trotzdem sagt sie: „Bei jedem Kunde, der mir sagt: ‚Online mache ich nicht mit‘, tut es trotzdem weh.“

Enorm findet sie den Aufwand, den das ganze Online-Geschäft mit sich bringt. „Die Organisation, Videolinks, Einladungslinks, Aufnahmen komprimieren, dazu noch das Studio, das ja weiterhin da ist – das ist alles anstrengend. Ich muss meine Mitarbeiter bezahlen, musste das Equipment anschaffen und muss immer darauf achten, dass alles klappt, dass das Mikro geladen ist, der Laptop läuft, …“

Sie spüre Existenzängste, vor allem, weil niemand sagen kann, wie lange die Situation andauert aber sie sagt auch: „Wenigstens läuft es nun. Es ist entspannter geworden. Ich bin nicht mehr hilflos bei dem Gedanken an ‚Online‘. 

Zoom? Was ist das?

Isabelle Bartmann ist Inhaberin und Yogalehrerin des isayoga in Regensburg. Ein Teil des Kursplanes läuft nun online. Wenn sie an den Tag vorm Lockdown im März denkt, kann sie heute lachen. „Eine österreichische Freundin hatte mir früh gesagt: ‚Stell um auf online. Deutschland wir betroffen sein von diesem Virus.‘ Ich war völlig irritiert. Zoom? Was war das? So etwas hatte ich noch nie gehört. ‚Wir brauchen ein Mikro‘, hieß es dann und wir haben einfach irgendwas ausprobiert und schnell festgestellt, dass das nicht ging. Ich hatte wirklich null Ahnung.“ Einen Tag bevor alle Läden schliessen sollten, fährt sie zu einem großen Elektromarkt. „Ich brauche Air Pods“, sagte ich zum Verkäufer.  Der schaute mich an, sagte, ‚ja ich habe eine Lieferung gekriegt‘ und dann kam er mit einem Paar und sagte mir: ‚So dann wären die jetzt auch wieder ausverkauft.‘ Ich bin naiv dahin gefahren und hatte also ein Schweineglück.“

isayoga: Die Matten warten auf ihre Schüler. Wie lange noch, weiß niemand.

Nach einer Woche war sie dann bereit. Nach und nach stieg sie dahinter, wie die Qualität besser werden könnte. Sie erhält viel Unterstützung aus ihrem Team. „Am Anfang war alles verrückt“, sagt sie. „Wir hatten unser Wohnzimmer ausgeräumt, weil es im Yogastudio noch gar keine Internetverbindung gab.“ Ihre Kunden waren geduldig. „Ich glaube, sie waren einfach sehr dankbar, dass wir irgendwas anbieten.“ Auch sie entwickelt in der Krise Ideen. Ihr kommt in den Sinn, ihre Kunden zu fragen, ob sie für andere Kunden Yoga spenden wollten. Sie nennt das Projekt „Soforthilfe Yoga“. Damit möchte sie vor allem diejenigen unterstützen, die von der Pandemie besonders betroffen sind. Das Feedback überwältigt sie. Anderen Selbstständigen, die ihr sagen: ‚Isa, es tut uns leid, Yoga ist finanziell bei uns gerade nicht drin‘, gibt sie einfach die Zugangsdaten für die Onlinestunden. „Ich finde, in so einer Situation muss man zusammenhalten.“ Nach den Stunden finden online Gespräche statt. „Die Community ist mir wichtig. Ich gebe allen die Möglichkeit, miteinander in Verbindung zu bleiben.“

Alle Gefühle

Im ersten Lockdown habe sie so ziemlich alles gefühlt. Sie wollte hinschmeissen, hatte dann wieder unbändige Energie, dann ganz viel Wut. „Ich habe mich oft gefragt, wie ich das alles schaffen soll. Und dann begann ich, zu sehen, was mir Corona Positives gebracht hatte. Mehr Zeit beispielsweise. Weniger Termine. Ich arbeite viel, kann mir die Zeit aber auch freier einteilen. Ich habe das Gefühl, die ganze Welt ist so überdreht. Und nun bekamen wir die Möglichkeit, herunterzukommen. Wir sehnen uns einerseits nach einer Pause, wenn sie als Geschenk einer Zwangspause kommt, können wir sie allerdings schlecht annehmen.“ 

Sie bleibt im Vertrauen. „Das große Ganze können wir jetzt noch nicht sehen. Ob mein Studio, das in den letzten sechs Jahren fantastisch lief, überlebt, weiß auch ich heute nicht. Aber für mich ist da auch eine Erkenntnis, dass es immer einen Weg gibt.“ Was schmerze, sei, dass das, was die Seele nähre in vieler Hinsicht nicht erlaubt sei. Kunst, Musik, Theater, Bewegung, Massage, … während Shops geöffnet blieben. 

Sie appelliert an die Kunden, die sagen: ‚Ich warte bis die Studios wieder öffnen‘, die Pause nicht zu lang werden zu lassen. Wir dürfen nicht damit warten, bis Studios wieder offen sind. Denn vielleicht gibt es sie dann nicht mehr. Vielleicht kann die Lieblingslehrerin dann nicht mehr bezahlt werden, vielleicht macht sie dann lieber was anderes. Und deswegen: buch Onlinestunden. Verschenk Yoga-Gutscheine. Verschenke große Portionen Mut. Meckern nützt nichts. Die Gespräche mit diesen vier unterschiedlichen Frauen haben mich sehr inspiriert – unabhängig von diesem Artikel. Und da war vor allem der Gedanke von Zusammenhalt, von „Sisterhood“ – allerdings gleich welchen Geschlechts. Einander helfen bringt mehr als egoistisch zu handeln, das ist glaube ich, eine der großen Erfahrungen dieser Krise. Findest Du nicht auch?

Diese vier Frauen und die genannten Yogastudios stehen stellvertretend für viele andere. Mir geht es nicht darum, für genau diese Studios Werbung zu machen. Alle vier Frauen kannte ich vor unseren Gesprächen nicht persönlich.

Lauschangriff und Lesestoff vom 4.12.2020

Schon am vergangenen Freitag bin ich durch den Newsletter von ohhhmhhh über den Artikel in der New York Times gestolpert, den Meghan Markle geschrieben hat. Er trägt den Titel „The losses we share“ (deutsch: Die Verluste, die wir miteinander teilen“) und erinnert uns daran, dass wir die Frage „Are you okay?“ – „Geht es dir gut?“, häufiger stellen sollten. Es ist ein sehr schöner und emotionaler Text der Herzogin, die darin erzählt, wie sie die Fehlgeburt ihres zweiten Kindes erlebt hat und warum es so wichtig ist, andere zu fragen, ob sie okay sind. „Geht es dir gut?“ – ich glaube, gerade in diesem Jahr hat diese Frage eine neue Bedeutung bekommen. Gerade weil wir uns nicht so viel drücken dürfen: Zuhören ist und war stets erlaubt.

Einen wichtigen Beitrag zum Thema Homosexualität habe ich in dieser Woche im Süddeutsche Magazin gelesen. Dabei ist mir aus dem Interview mit der Forscherin und Psychologin Dr. Claudia Krell und der Beraterin Irmengard Niedl besonders diese Aussage von Frau Dr. Krell in Erinnerung geblieben: „Wir sind noch nicht an diesem Punkt, aber eigentlich geht es doch um die Frage, wie man eine Gesellschaft so fit machen kann, dass ein Coming-out kein Drama mehr sein muss. Schließlich gibt es auch Jugendliche, die erzählen, dass sie einfach nebenbei mal erwähnt haben, dass sie nun eine Freundin haben und dass ihre Mama es sich eh schon gedacht hatte. In der Regel kennen Eltern ihr Kind ganz gut.“ Die Gesellschaft fit zu machen, damit ein Coming-Out – egal von wem – kein Drama mehr ist. Das klingt sehr schön. Fast so wie ein guter Neujahrswunsch.

Per Zufall gefunden und mit Erschüttern beäugt, habe ich diesen Beitrag auf Spiegel.de. Es ist ausnahmsweise weder ein Text noch ein Podcast sondern ein Video. Wer Kinder hat, sollte sich das anschauen. Spitzensport kann wunderbar sein, aber tiefe emotionale Verletzungen wie sie die Schäfer-Schwestern und mit ihnen viele andere Kinder immer noch tagtäglich erleben – und das ausgerechnet bei einem Hobby, das doch eigentlich Spaß bringen sollte – sind all den Ruhm, alle Reisen, allen Erfolg niemals wert. Übrigens ist es häufig so, dass Kinder, die Talent im Sport mitbringen, mehrere Wege gehen können. Es muss nicht dieser Sport sein. Es muss nicht dieser Trainer sein. Manchmal eröffnen sich neue Wege, neue Sportarten, wie das Beispiel meiner Freundin Katharina Bauer zeigt, die einst eine sehr talentierte Turnerin war, deren Mutter aber zum Glück irgendwann merkte, dass die Tochter lustlos zum Sport ging, und sie daraufhin ermutigte, etwas Neues auszuprobieren. Heute zählt Katharina zu Deutschlands besten Stabhochspringerinnen. Fragt eure Kinder, ob es ihnen gut geht.

Einen schönen, ausführlichen und äußerst informativen Beitrag zum Thema ökologische Landwirtschaft und was es eigentlich mit der biologischen Kreislaufwirtschaft auf sich hat, gab es diese Woche auf peppermynta.de zu lesen.

Seit heute gibt es einen neuen Podcast von Köchin, Autorin und Aktivistin Sophia Hoffmann. Er heißt Hoffmanns Küche und es ist ein „kulinarisch-politischer“ Podcast. In der ersten Folge spricht Sophia mit Monika Kanokova und Maximilian Mauracher vom New Standard Studio, die Nachhaltigkeit in Unternehmen umsetzen möchten. Dabei geht es den beiden darum, wirklich nachhaltiges Handeln in die Köpfe der Menschen zu bringen. Definitiv ein Thema, dass ich mir für das neue Jahr ganz besonders vorgenommen habe. Hoffmann lädt ihre Gäste übrigens in die eigene Küche ein und kocht für sie. Wie gerne würde ich mich mal von Sophia Hoffmann bekochen lassen … Hach … Aber jetzt möchte ich gerade in einer riesigen Dose gefüllt mir dieser veganen Lebkuchenvariante von ihr versinken.

Lauschangriff und Lesestoff vom 13.11.2020

Es gibt eine neue Rubrik auf diesem Blog. Sie heißt „Lauschangriff und Lesestoff“. Das hatte ich schon lange vor. Der Lockdown light (he, das mit der doppelten Alliteration ist aber jetzt Zufall!) spielte mir da in die Karten: Ich habe ein bisschen mehr Zeit, mich um meinen Blog zu kümmern. Die Idee dazu hatte ich schon lange. Sie hat auch ein bisschen etwas mit meinem früheren Beruf als Journalistin zu tun. In „Lauschangriff und Lesestoff“ gebe ich euch Leseempfehlungen und Tipps für Podcastfolgen. Es geht dabei meistens um wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Themen Ernährung, Gesundheit, Fitness und natürlich Yoga aber auch um solche Artikel und Interviews, die ich für besonders lesens- oder hörenswert halte, weil sie sich mit wirklich wichtigen Themen aus diesen Bereichen beschäftigen. Das heißt auch, dass dieser in Zukunft jeden Freitag früh erscheinende Blogpost nicht immer nur gespickt ist mit Themen, die Jubel, Trubel, Heiterkeit verkörpern. Aber manchmal halt auch. Und auf jeden Fall immer zum Schluss mit einem veganen Rezept, das dich hoffentlich so glücklich macht wie mich. „Lauschangriff und Lesestoff“ beschäftigt sich wirklich mit den Texten, Interviews und Beiträgen, die mich selbst beschäftigt haben und die ich für wichtig oder sehr informativ halte. 

Ausgerechnet in der vergangenen Woche machte dann die Yogaszene in den nationalen Medien mit einem unschönen Thema von sich reden. Vielleicht ahnst du schon, um was es geht. Der Artikel „Was ans Licht kommt“ der Journalistin Marlene Halser, die sehr lange und hartnäckig zum Thema Machtmissbrauch in der Yogaszene recherchiert hat, ist am vergangenen Freitag im SZ-Magazin erschienen und hat mich natürlich sehr berührt. Die Geschichte macht zunächst sprachlos. Dabei ist Swami Vishnu ja nicht der erste und bestimmt auch nicht der letzte Yogalehrer gewesen, der seine Position missbraucht hat. Was ich besonders makaber an der ganzen Story finde, ist, dass unter der Prämisse der Überwindung des Egos nahezu alles erlaubt scheint, also auch „Missbrauch zu einem notwendigen Mittel zur spirituellen Entwicklung umgedeutet“ wird, wie Halser schreibt. Bei all der Lust und Freude an Spiritualität ist es immer auch ganz praktisch, wenn beide Füße ganz fest auf dem Boden bleiben. Dass es in der Yogaszene nicht nur ehrliche und gewaltfreie Menschen gibt, ist klar. Und Macht wird leider sehr häufig da mißbraucht, wo sie zu groß wird. Marlene Halser hat über dasselbe Thema auch einen Radiobeitrag unter br.de/podcast veröffentlicht. Machtmissbrauch in der Yogaszene ist nicht neu: Vor vielen Jahren habe ich einen Artikel gelesen, der mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Das war bereits 2013 – vor einer halben Ewigkeit also. Der Text ist – wie die Geschichte um Swami Vishnu zeigt – sehr wichtig und ewig aktuell: Kimberly Lo schrieb auf elephantjournal.com einen klugen Text zum Fall Bikram Choudhury. 

Ein anderes Thema, ebenso wichtig, hat die deutsche Yogalehrerin Wanda Badwal diese Woche in ihrem Podcast Wandaful Podcast – Yoga beyond the Asana thematisiert. Es geht um den verantwortungsbewussten Umgang mit Kindern auf Social Media. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen. Einerseits weil ich selbst Mutter bin und durch mein Studium der Medienwissenschaften immer einen kritischen Blick auf den Umgang mit Social Media werfe. Weil ich mit Sorge in eine Zukunft blicke, in der Social Media einen immer größeren Einfluss auf unsere Gesellschaft einnimmt. Schon jetzt sehe ich, dass junge Mädchen für Likes alles machen würden. Und andererseits weil ich selbst die Sozialen Medien enorm nutze. Da eine gesunde Balance zu finden, ist wirklich schwierig. Zu dem Thema passt übrigens der Text von Julia Hofgartner „Wo ist das echte Yoga auf Social Media“, den sie bereits im September auf happymnindmagazine veröffentlicht hat.

Dieser Podcast ist nicht lang und vielleicht hast du am Wochenende die 16 Minuten, um reinzuhören und dir eine Meditation zu gönnen. Die Meditation passt gut zur aktuellen Zeit und das, was Samarpan P. Powels von findyournose.com zu dem Begriff Vertrauen sagt, was das eigentlich ist, wie wir es häufig missverstehen und warum wir auch hier mal wieder von unseren Kindern lernen können, finde ich sehr inspirierend.

Und jetzt schreit es nach Soul Food. Das Rezept, das ich hier heute mit dir teilen möchte, muss natürlich von der Frau kommen, die mich eigentlich zu diesem Beitrag inspiriert hat. Als ich 2013 und 2014 in Kalifornien lebte, war ihr Blog einer der ersten, die ich regelmäßig gelesen habe. Damals hieß er noch Choosing Raw und jeden Sonntag postet Gena Hamshaw einen Artikel der „Weekend Reading“ hieß. Die Themen drehten sich meistens um gesunde Ernährung, und Veganismus sowie wissenschaftliche Erkenntnisse dazu. Tolle Rezepte waren auch immer dabei. Heute heißt ihr Blog thefullhelping.com. Weekend Reading gibt es immer noch aber in unregelmäßigen Abschnitten. Ich hab auf jeden Fall große Lust dazu, ihre „Apricot, Almond and Vanille Snack-bars“ auszuprobieren. Hab ein schönes Wochenende.