The Coffee Drinking Yogi war eine schöne Idee, die mich insbesondere durch die Pandemie rettete. Es gab hier nichts zu kaufen, ich musste einfach manchmal Worte loslassen. Der letzte Text auf dem Blog ist einer der Schönsten, die hier veröffentlicht wurden und im April erschienen. Danach fehlte mir schlichtweg die Zeit.
Im Januar 2022 haben meine Freundin Karolin Lüders und ich die Agentur Little Stories Everywhere gegründet. Wir haben uns zusammengetan, weil wir keine Lust mehr auf Einzelkämpfe hatten, aber auch weil wir wussten, was wir gemeinsam rocken können (und das haben wir auch. Als Gründerinnen standen und stehen wir vor Herausforderungen. Aber alles in allem war das Jahr magisch). Wir haben uns zusammengetan, weil wir wussten, dass wir einander verstehen und gerade deswegen auch stützen können. Zusammen haben wir sechs Kinder. Vier davon im Kindergartenalter. Wir wissen beide, was es heißt, wenn zuhause der Feuerlöscher von der Wand geholt werden, wenn Fieber gesenkt und Kotze gewischt werden muss. In der Agentur haben wir dann Frauen um uns herum geschart (und das ist sicher nur ein blöder Zufall, es dürften auch Männer sein), die uns gut tun. Wenn es einer die Nerven mal weghaut (kommt ab und zu vor) sind wir füreinander da. Jeden Tag bin ich dankbar für dieses Team. Jeden Tag feiere ich den Gedanken von Sisterhood. Ich wünschte, dass dieser Gedanke durch große und kleine Unternehmen geisterte wie ein schützender Wall. Ich wünschte, dass mehr Kollegen und Kolleginnen füreinander da seien, statt gegeneinander. Dass die Stärken der anderen gefeiert würden und die Schwächen geschützt. Ich wünschte, es gäbe mehr Komplimenteausteiler*innen als Mauler*innen. Mehr Hände, weniger Ellenbogen.
Yogi bleibe ich mein Leben lang. Ich unterrichte aber nur noch eine Klasse in der Woche. Meine Texte werden immer mal wieder irgendwo zu finden sein; im Januar zum Beispiel schon auf www.tentakel-magazin.ch. Ich unterrichte manchmal Retreats und gebe Workshops.
Über meine Buchprojekte informiere ich bald auf tine.bielecki.de. Auf Instagram erzähle ich vom Agentur- und Autorenalltag einer Atmungsaktivistin.
A Coffee Drinking Yogi bleibe ich bestimmt auch. Ich sehe noch keine Veranlassung dafür, auf Kaffee zu verzichten. Aber die Webseite macht blau. Es war schön. Wir lesen uns.
Anfang der Woche habe ich mich selbst k.o. geschlagen. Eine Gehirnerschütterung setzte mich für ein paar Tage schach-matt. Ich muss gestehen, es war kein spektakulärer Sturz beim Snowboarden, ich wurde auch nicht von einem Auto beim Skateboarden erfasst und ganz wichtig: ich bin nicht beim Yoga üben auf den Kopf gefallen. Ich habe mich mit der Kofferraumtür meines eigenen Autos ausgeknockt. Mein Arzt sagte treffend und tröstend: Ach, manchmal bedarf es im Leben ja einen eigenen k.o.-Schlag. Ja, das passte irgendwie zu dem wilden Jahresanfang 2022. Ein Jahr, dass uns jetzt schon so schwer auf den Schultern liegt, dass es uns zu erdrücken droht. Wie viele Russen und Ukrainer haben alleine in der letzten Woche schon ihr Leben verloren? Wie viele weinende Kinder lassen sie zurück? Wie viele Wunden müssen heilen? Wie viele Generationen wird es dauern, bis sich zwei Völker von dem erholt haben, was gerade geschieht? Werden wir das überhaupt alle überleben?
Was ich in der letzten Woche bei aller Ohnmacht, der psychischen und der physischen, mal wieder gelernt habe: Pass auf deinen Körper auf. Nähre ihn, pflege ihn, tue ihm Gutes. Weil wir können anderen nicht helfen, keine klaren Gedanken fassen, wenn wir selbst am Ende sind. Ich war so dumm, nach meinem Knockout einfach weiterzumachen. Hatte mich sozusagen einmal aufgerappelt, meinen Kopf gekühlt, das Blut abgewischt und ohne Pause bin ich durch den Rest des Tages geeilt. Das hat zu nichts anderem geführt als einem Totalausfall genau 24 Stunden später, der mich bis in die Notaufnahme des Krankenhauses brachte. Ist keine große Sache. Ich bin ja jetzt schon wieder in der Lage hier in die Tasten zu hauen. Aber ich habe mir eingestehen müssen, dass das Tempo der vergangenen Monate zu hoch war. Dass ich keine Zeit mehr gehabt habe, meinem Körper zu geben, was ihm gut tut und mir meinen Glow verschafft. Sind wir tatsächlich in der Lage Gutes zu tun, wenn es uns selbst nicht gut geht? Und habe ich jetzt eine Gehirnerschütterung oder ist das Gehirn einfach nur erschüttert?
Deswegen fahre ich einen Gang zurück, träume vom großen Spenden-Yoga-Event in einer traumhaften Location, schreibe langsam und nur in aller Ruhe an einem Exposé für ein Buchprojekt weiter, kuschele meine Kinder öfter als ihnen lieb ist, koche mehr Tee und esse wieder ausschließlich was mir gut tut. Und: Am Abend denke ich an die Golden Milk ohne Milch. Ich spendete Geld gegen den Wahnsinn im Kopf. Aber kann Geld Wunden heilen?
Bei einem Spaziergang an der frischen Luft kam ich an der Buchhandlung vorbei, die hier seit über 30 Jahren wacker jedem großen Onlineversandhändler trotzt. „Erst träumen, dann denken“ stand da auf einem Plakat. Diese Vorstellung rettet mich gerade bei aller Hilflosigkeit. Und ist ein Vorsatz, der mir gefällt. Besonders meinem Kopf.
In Europa gibt es wieder Krieg. Ein Satz mit sechs Wörtern.
Ein Satz, dessen Sinn nicht zu fassen ist. Ich habe immer gedacht, dass ich mich zu Politik hier auf dieser Plattform nicht äußern möchte. Ich dachte immer, ich verstehe zu wenig davon. Ich dachte, es geht hier um den nicht immer ganz ernst gemeinten Versuch, Yogaphilosophie in den Alltag einer Westeuropäerin im 21. Jahrhundert zu bringen. Genau. Darum geht es. Und mittlerweile weiß ich, das erste, was man tun kann, wenn so etwas Ungerechtes, Unfassbares und Grauenvolles passiert, ist etwas zu tun. Und in der Ohnmacht und dem Glaube, nichts tun zu können, ist das erste, was man tun kann, etwas zu sagen. Auch wenn ich nicht wirklich weiß, was ich sagen soll. Es ist besser etwas zu sagen als nichts zu sagen. Das ist genauso, wenn ein Freund einen nahestehenden Menschen verloren hat. So zu tun als wäre nichts gewesen, ist das Schlimmste für Betroffene. Obwohl wir Angst haben, etwas Falsches zu sagen, ist etwas Falsches immer noch besser als gar nichts. Als einfach weiterzumachen und den Schmerz der anderen zu ignorieren. Natürlich mache ich auch einfach weiter hier.
Ich kaufe keine Vorräte ein. Aber ich sorge mich um die Menschen, die mitten im Krieg sind. Ich frage mich, wie das passieren konnte. Wie jemand so sein kann wie Herr Putin. Wie jemandem das Gefühl der Macht so viel geben kann. Ich frage mich auch, was so ein Mensch als Kind erlebt haben muss. Wie viel Hass und Gier sein Leben genährt haben müssen. Krieg kann doch niemals eine Lösung sein. Warum ist das immer noch nicht allen klar in Europa?
Es ist Krieg. Und da haben wir uns zwei Jahre lang über das Tragen von Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit aufgeregt. Ich muss schon sagen … Wenn ich in den nächsten Wochen, in denen überhaupt noch eine Maskenpflicht besteht, irgendjemanden, der nicht maskenbefreit ist, darüber klagen höre, einen Mundschutz tragen zu müssen, muss ich schwer an mir halten, meine yogische Grundfreundlichkeit nicht gänzlich zu vergessen. Oder wenn mir jemand begegnet, der darüber klagt, die Freiheit in unserem Land sei eingeschränkt, weil wir uns testen lassen müssen oder geimpft sein sollen, bevor wir ins Kino gehen. WHAT THE FUCK??!! Ich habe in diesem Jahr häufiger gelacht, wenn ich auf einer Plattform wie Facebook solche Sprüche gelesen haben: „Wo ist unsere Demokratie hin?“ Man mache sich nur die Absurdität eines solchen Postings bewusst. Auf Facebook!?! Gäbe es hier keine Demokratie, würden Menschen, die so etwas posten, gleich von der Polizei eingesammelt. Ich erinnere da immer gerne an die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja, die sich während der Olympischen Spiele auf Instagram kritisch über einen Entscheid der Trainer zur Besetzung der 4×400-Meter-Staffel geäußert hatte. Nun lebt sie im polnischen Exil und wird in der Öffentlichkeit von Bodyguards begleitet. Um ihre Angehörigen in Belarus macht sie sich immer noch Sorgen. Und das ist „nur“ ein Beispiel, das wir kennen, weil die Betroffene zufällig auf der Bühne Olympischer Spiele stand.
Ich glaube, es ist an der Zeit, noch mal ein bisschen enger zusammenzurücken. Sich nicht über jeden Scheiß zu ärgern und insbesondere sich selbst bewusst zu machen, wie gut es uns hier geht. Die Uneinigkeit über den Umgang mit einer Pandemie vergessen und stattdessen uns wieder öfter umarmen, einander zuhören. „Darf ich heute Abend überhaupt für Freunde kochen, mit ihnen klönen und fröhlich sein?“, frage ich. „Also ein bisschen so tun, als ginge das Leben einfach weiter?“ „Du tust doch nicht so…“, flüstert das Leben, „ich tue das für dich.“‘, postete Claudia Schaumann aka wasfuermich am Freitag auf ihrem Instagramprofil.
Wann sollen wir das Leben endlich genießen, wenn nicht jetzt? Ich habe dieses Wochenende meine Kinder kaum aus den Augen gelassen. Diesen Text schreibe ich, während sie ruhig schlafen. Wir haben ganz viel gespielt, gekuschelt, gelacht. Ich habe ihre Nähe gesucht und sie bewundert. Kinder würden niemals Kriege anfangen. Ich bin per Zufall über diesen Artikel von Businesscoach Sigrun Gudjonsdottir im Netz gestolpert. Er beschreibt, was wir eigentlich gerade tun können. Und jetzt hoffe ich schwer, dass wir denen helfen, die flüchten, sie nicht abweisen. Das alles können wir tun. Jetzt.
Im vergangenen Jahr hatte ich eine Yoga-Krise. Es ging dabei nicht um Yoga an sich, Yoga ist toll. Ja, ich bin über die Zeit, in der ich glaubte, Yoga sei ein Arschloch hinweg. Das liegt ganz bestimmt am Alter. Mich jucken meine Fehler nicht mehr so sehr. Was mich stört, versuche ich zu ändern. Aber manchmal ist es auch einfach okay. Weil auch das ist Yoga: Es mal gut sein lassen. In einer Welt, in der es permanent um Optimierung geht, kann es ganz schön sein, auch Dinge einfach zu akzeptieren.
Yoga für alle?
Aber zurück zur Krise. Ich hatte festgestellt, dass gerade diejenigen, die Yoga am allermeisten brauchen, nur schwer einen Zugang dazu bekommen. Beispielsweise Jugendliche. Wie viele wirklich gute Angebote gibt es für Jugendliche? Wird Yoga für Jugendliche nicht viel zu häufig mit Kinderyoga verwechselt? Und wer soll das eigentlich bezahlen? Jugendliche bringen ganz sicher nicht das Geld dafür auf, die Yogalehrer*innen angemessen zu honorieren. Und da liegt das ganze Problem: Yoga für Flüchtlinge. Yoga für Häftlinge. Yoga für Ausgebrannte. Yoga für Alte. Diese Liste ist bis ins Unendliche weiterzuführen. Und ganz ehrlich: Ja, klar, auch ich habe schon was von Karma Yoga, Yoga des selbstlosen Dienstes, gehört. Das sind große Worte, die lernt man ganz zu Beginn jeder Yogalehrer-Ausbildung. Yoga bedeutet, auch etwas zu geben, ohne gleich immer nehmen zu müssen. I get it. Das ist auch wirklich gut und wichtig. Aber am Ende des Tages muss auch ich mir etwas zu Essen kaufen und meine Miete zahlen. Denn leider gibt es hier niemanden, der mir Kost und Logie für meine vierköpfige Familie anbieten würde – so war das nämlich damals, als Yogalehrer angeblich für ihre Arbeit nicht entlohnt wurden.
Tränen der Dankbarkeit
Und dann also kam ich zu dem Punkt, an dem ich mich fragte, ob das überhaupt Sinn mache. Und na klar, es macht Sinn. Schließlich brauchen auch diejenigen Yoga, die richtig viel dafür zahlen. Aber es nervte trotzdem noch. Ich weiß nicht, wie wir richtig guten Yoga genau denjenigen geben können, die es brauchen. Ich wünsche mir, dass das irgendwann irgendwie möglich sein wird. Ich sehe jeden Tag Jugendliche, die dringend Yoga brauchen (lese hierzu auch meinen Artikel zum Thema). Kurzfristig wollte ich den ganzen Yogakram hinschmeissen. Und dann unterrichtete ich mal wieder eine Stunde im Fitnesstudio. Ein Kurs, da kommen alle. Alte, Junge, Bewegliche, Unbewegliche. Und da war diese Postbotin, die mich vor der Stunde zaghaft fragte, ob sie am nächsten Tag Muskelkater haben würde. „Na ja, das kommt ganz drauf an“, sagte ich und dann erzählte sie mir, dass sie Briefe austragen müsse und Muskelkater für sie total ungünstig sei, weil sie es dann kaum schaffe, die Strecke zurückzulegen. Wir fingen an mit Yoga, mit Atmen und sanften Bewegungen, leichten Sonnengrüßen und ganz viel Entspannung. Und zwischendrin zeigte ich ihr, wie sie ihre Plantarfaszie behandeln, ihre Handgelenke stärken und schützen könne und da saß sie nach der Stunde und ihre Augen füllten sich mit Tränen vor Dankbarkeit. Da war sie wieder. Die große Yogaliebe. Die Krise überwunden?
Yoga, schreiben und manchmal alles zusammen
In meinem Herzen schlagen zwei Passionen. Die eine ist es, zu schreiben. Worte auf Papier zu bringen. Sätze zu formen. Die andere ist es, als Sportwissenschaftlerin und Yogalehrerin Menschen zu zeigen, wie sie sich besser fühlen können. Es war nicht immer einfach beides miteinander zu verbinden. Momentan unterrichte ich eine einzige Stunde in der Woche. Und manchmal ruft ein Unternehmen an. Wie kürzlich zum Beispiel. Ob ich drei Beiträge zum Thema Yoga schreiben und einen Talk dazu geben könne? Ja, klar. Beides. Yoga für alle.
Dieser Text enthält unbezahlte Werbung für die gute Sache
Wie geht es eigentlich der Jugend? Gerade hat eine Frau als Kanzlerin abgedankt, die für Jugendliche ein ganzes Leben lang das Land regierte. Corona hält Jugendliche seit zwei Jahren zurück. Versprechungen werden gebrochen. Aufgehoben ist heute aufgeschoben. Und dann auch noch: Instagram. „Fotografie ist die größte Bewusstseinsmaipulationsmaschine der Welt, und es wird immer schlimmer“, sagte der Fotograf Thomas Ruff Mitte November im Interview mit dem Süddeutsche Magazin. „Jeden Tag werden Millionen von Bildern ins Netz geladen und damit auch Millionen von Lügen. Denken Sie an Millionen Mädchen, die jeden Tag verzweifelt versuchen, sich wie Kim Kardashian zu schminken.“ Ja. Ich denke daran. Schon länger. Jacqueline Draheim-Frank auch. Die passionierte Yogalehrerin studierte Biologie und Germanistik auf Lehramt sowie Psychologie. Sie besitzt die Zulassung als Heilpraktikerin für Psychotherapie und arbeitet in Berlin und Potsdam mit Jugendlichen. Sie kennt sowohl diejenigen, die behütet aufgewachsen sind, überschüttet werden mit Liebe und Erwartungen, aber auch diejenigen, die aus dem sozialen Brennpunkt in der Hauptstadt kommen. Sie kennt Jugendliche mit Burnout und welche, die nie Nestwärme kennengelernt haben. Und sie weiß: Yoga für Jugendliche hat nichts mit Kinderyoga zu tun. Ich wollte schon lange mit ihr reden. Denn sie hat ein Buch geschrieben, gemeinsam mit Jugendlichen. Es heißt „Online mit mir selbst“.
Wie ist sie darauf gekommen? Beim Yoga natürlich. Da gab es junge Leute, die sagten ihr plötzlich: „Das was wir durch Yoga kennengelernt haben, das sollten mehr Jugendliche kennenlernen.“ Und dann nahm das Projekt seinen Lauf.
Yoga für Jugendliche: Yoga meets Bodywork
Jacqueline sagt: „Im Yoga dürfen die Jugendlichen mal durchatmen.“ Aber bis sie an diesen Punkt kommen, dauert es meistens ein bisschen. Deswegen, sagt Jacqueline, selbst Mutter von Jugendlichen, dürfe Yoga für junge Menschen zunächst ruhig einem Fitness-Konzept ähneln. „Am Anfang muss eigentlich die Asana-Praxis im Vordergrund stehen. Ich mache dann so eine Art „Yoga meets bodywork“. Die Jugendlichen wollen sich bewegen, die Mädchen wollen Bauch-Beine-Po. Als Yogalehrer kann man dann entweder aufschreien oder man sagt: ‚Okay, komm, das ist gut; die müssen erst mal in ihren Körper kommen.‘ Ich habe es nicht gewertet, wenn die Jugendlichen gesagt haben: ‚Ich will den Sixpack.‘ Irgendwann später kann man das dann mal thematisieren und fragen: ‚Oder ist es die starke Mitte, die eigentlich wichtig ist?‘ Aber am Anfang wollen Jugendliche nicht zum Yoga kommen, um zu meditieren.“
Jugendliche wollen kein Kinderyoga
Die Realität ist: Für Jugendliche gibt es wenig Yogaangebote. Oder besser: wenig gute. Dabei brauchen gerade die Heranwachsenden einen Herzenskompass. „Wir müssen Jugendliche stärken. Ihnen Selbstwertgefühl geben. Alles, was in dieser Zeit nicht gut läuft, hat einen wahnsinnig starken Einfluss. Und hier kann Yoga so viel bewirken“, sagt Jacqueline. Sie unterrichtet seit vielen Jahren bei Spirit Yoga in Berlin. Kürzlich habe sie gelesen, dass ein Viertel aller Jugendlichen psychische Störungen habe. „Wie heftig ist das denn?“, sagt sie schockiert.
Das Soziale Dilemma
Wir kommen natürlich schnell auf Social Media zu sprechen. Weil ich schon lange beobachte, was das mit einem macht. „Jugendliche haben heute eine ganz andere Aufgabe als wir noch damals. Sie müssen nicht nur eine Identität in ihrer Klasse entwickeln, in ihrem Freundeskreis, sondern auch eine digitale Identität. ‚Hast du Insta?‘, das ist heute die erste Frage, die Jugendliche einander stellen, wenn sie sich kennenlernen. Und dann ist da sofort ein enormer Druck.“
Zum Beispiel der Druck, sich so zu schminken, wie die Kardashians. Das Schwierige an der ganzen Sache ist: Schon Erwachsene haben oft kein Selbstwertgefühl. Und Selbstwertgefühl ist so wichtig, wenn wir uns in die Sozialen Medien begeben. Wie sollen Erwachsene es also Jugendlichen und Kindern vermitteln? Das ist ein bisschen so, wie dem gestressten Gymnasiallehrer zu erzählen, er müsse jetzt auch Achtsamkeit mit in den Lehrplan nehmen. „Instagram ist wie eine Bewerbungsmappe“, sagt Jacqueline. Und Instagram bedeutet, den ganzen Tag über Vergleiche zu ziehen. Und so kommt man automatisch ins Leiden. Gibt es einen Weg dort hinaus? „Alle löschen, die einem nicht gut tun“, sagt Jacqueline, „dann kann Instagram natürlich auch gute Seiten haben. Aber wer hat schon so viel Selbstwert, dass du immer damit umgehen kannst und es verstehst, im Moment zu leben?“ In ihren Yogastunden lehrt sie ihre Schüler/innen Achtsamkeit. „Kümmere dich um den Mensch der vor dir steht und nicht um irgendeinen schönen Bauch auf Instagram“, sagt sie.
„Sei dir selbst ein Freund„
Als Eltern habe man die Aufgabe, den Kindern immer wieder zu zeigen, dass sie gut sind, wie sie sind. „Das ist unser Erziehungsauftrag“, sagt sie bestimmt. Den Jugendlichen zeigt sie, wie sie sich selbst ein eigener Freund, eine eigene Freundin sein können. „Das haben viele verlernt.“
In „Online mit mir selbst“ geht es um Felicy, ein Mädchen, das auf dem Weg ist, erwachsen zu werden. Und das ist manchmal ganz schön anstrengend – vor allem, wenn man mit seiner durchgeknallten Ökomama in Berlin-Mitte lebt und sich unglücklich verliebt. Die Geschichte von Felicy ist aber nicht nur eine Geschichte, sondern zeitgleich ein Ratgeber für die Pubertät. Promis, Mediziner, Psychotherapeuten, Influencer, Sportler, Yogalehrer, Unternehmer und die Jugendlichen selbst geben Tipps, Erkenntnisse und zumeist Antworten auf die Frage: Was hättest du deinem jüngeren Ich gesagt? Das Buch ist ein Werkzeugkoffer mit Tools für das Selbstwertgefühl.
Yogalehrer/in für Jugendliche
Jacqueline Draheim bietet übrigens bei Spirit Yoga auch eine Ausbildung als Yogalehrer für Jugendliche an. Denn Yoga für Jugendliche muss sich unbedingt von Kinderyoga unterscheiden. In dem Kurs vom 1. bis 3. April in Berlin lernst du unter anderem, welche Themen besonders relevant für die Unterrichtsgestaltung sind, warum nur wenige Jugendliche zum Yoga finden und wie wir das ändern können, auf welche Schwierigkeiten bei dieser Arbeit du vorbereitet sein solltest und vieles mehr.
Endlich beginnt meine Thai Yoga Körperarbeit Ausbildung. Darauf warte ich schon lange. Als ich schwanger war mit meiner jüngsten Tochter wollte ich diese Ausbildung unbedingt machen. Da durfte ich nicht. Thai Yoga ist zwar für Schwangere besonders wohltuend, aber meine Ausbilderin fürchtete, dass ich als Gebende eventuell zu schwer heben müsse. Und dann, als ich mich bereit fühlte, die Ausbildung erneut anzugehen, kam Corona. Thai Yoga. Corona. Vielleicht klingelt es. Es geht um Berührung.
War da nicht was?
Berührung? Hä? War da nicht was? Ja genau. Eigentlich war da gar nichts. Jedenfalls nicht beim Yoga in den letzten 500 oder so Tagen. Weiß eigentlich irgendjemand was das überhaupt ist? Und nun wird also genau das stattfinden: Berührung on masse. Vier Tage lang. Ich freue mich wirklich. Ich werde so tief eintauchen, kannste glauben!
Entspannung auf einer tiefen Ebene kennenlernen – das bedeutet Thai Yoga. Achtsame Berührung üben und die Magie, die darin steckt, zu erfahren: Thai Yoga. Fühlen, Loslassen und stille Kommunikation. Ach, wie gut das klingt! Und ich freue mich auf eine tiefe Art von Verbindung, die, wie ich finde, in den letzten Jahren irgendwie verloren gegangen ist, weil wir alle glauben, wir müssten immer und überall mit anderen einer Meinung sein. Ich nehme mich da nicht aus. Ich kann mich sehr gut aufregen über andere Meinungen. Aber jetzt geht es vier Tage lang um Verbindung. Was für ein Glück!
Plädoyer für die Schusseligkeit
Ich freue mich auch darauf, wieder so tief in ein Thema einzutauchen, mich stundenlang mit nur einer Sache zu beschäftigen, viel zu meditieren und zuzuhören. Dass der Alltag wahnsinnig anstrengend für unser Gehirn ist, ist nichts Neues. Trotzdem war auch ich ganz dankbar, als ich Claudia Schaumanns neuesten Beitrag auf wasfuermich.de lesen konnte. „Ach guck mal“, dachte ich. Ich bin so gut darin, achtsam im Unachtsamen zu sein, hihi. Ich habe auch schon viele Sachen verloren und verlegt. Schaumann schreibt da eine Art Plädoyer für die Schusseligkeit. Das ist eine schöne Erinnerung daran, dass wir nicht mehrere Dinge gleichzeitig machen sollen. Und ich darf mich vier volle Tage lang ganz auf diese eine Sache konzentrieren.
Per Zufall – und ein bisschen auch aus gutem Grund – bin ich übrigens über diesen Text gestolpert. Sehr sympathisch fand ich den Hinweis zur Morgenroutine. Denn wer hat schon im normalen Alltag die Möglichkeit stundenlang zu meditieren? „Eine Runde Dankbarkeit, zehn Minuten Meditation und eine Atemübung – dann der Kaffee“ – das klingt, als lasse es sich einrichten, oder? Ist meiner neuesten Start-in-den-Workflow-Routine nicht unähnlich. Zwischen zehn und 16 Minuten Meditation bedeuten am Ende des Tages nämlich nicht, dass ich für irgendetwas anderes tatsächlich weniger Zeit gehabt hätte. Im Gegenteil. Ich mache das meistens gerade bevor ich mich an den Schreibtisch setzen möchte. Klingt klischeehaft, aber mir ist in den letzten Tagen vieles gelungen, was ich schon lange mal fertigbringen wollte …
Ich bin mir über die Kraft des Yoga natürlich bewusst. Auf den ersten Seiten unseres neuen Buches steht: „Yoga muss im klinischen Therapiealltag ernster genommen werden“. Das meine ich auch so. Und auch wenn ich immer wieder betone, Yoga sei kein Allheilmittel, ist mir klar, was Yoga und insbesondere die tiefere Auseinandersetzung mit der gesamten Philosophie, bewirken kann. Yoga als Mittel gegen die Nikotinsucht – davon habe ich noch nicht so häufig gehört. Deswegen habe ich Nicole Jacob aka Yoga Purusha interviewt. Sie hat es nach 20 Jahren intensivem Rauchen geschafft, von einem auf den anderen Tag aufzuhören. Mit Yoga. Das ist keine erfundene Marketingstrategie für die Yogapraxis. Sondern das pure Leben. Nicole und ich gingen gemeinsam zur Schule. Heute verbindet uns unter anderem die Liebe zum Yoga und der Heimatort.
Bei den Recherchen zu unserem neuen Buch „Yoga für ein starkes Herz“ habe ich einen sehr emotionalen Bericht des GEO-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede in einer GEO-Spezial-Ausgabe gelesen. Er schrieb von seiner Nikotinsucht und davon, wie die Ärzte ihm immer erzählten, dass er aufhören solle, zu rauchen. »Man muss doch nur wollen! Der Satz klingt so mineralwasserklar. Und er wird komplett richtig sein. Gleichzeitig ist er ignorant. Millionen Raucher schaffen es, den Rat der Ärzte zu befolgen, Millionen schaffen es aber auch nicht.“ Das hat mich, einen lebenslangen Nichtraucher, zum Nachdenken gebracht. Kannst du bei Gaedes Worten mitfühlen?
Nicole Jacob: Ja, auf jeden Fall kann ich das. „Man muss doch nur wollen“ – das kann wirklich nur jemand sagen, der nie geraucht hat. Ich habe 20 Jahre geraucht. Das Nikotin war ein ständiger Begleiter. Du hast deine Rituale, nach dem Aufstehen, im Auto, beim Kaffee, und so weiter und so fort. Und wenn du das dann einfach mal lässt, dann geht es dir nicht gut. Du bist weniger konzentriert, du kriegst schlechte Laune. Man raucht ja beispielsweise auch, wenn es emotional wird. Das Nikotin macht etwas. Es dockt in deinem Gehirn an. Es setzt Glückshormone frei. Dann geht es dir einfach gut. Zu sagen, man muss nur wollen, ist sehr einfach gedacht. Und zusätzlich dazu haben wir ein Umfeld. Je nachdem unter wieviel Stress man aktuell steht, wie es einem geht, was einen gerade beschäftigt, können wir nicht einfach so eine lebensverändernde Maßnahme treffen. Es wäre ja leicht, wenn wir jede Sucht ohne Probleme abstreifen könnten.
Ich habe dich zum Interview gebeten, weil ich einen Facebook-Post von dir gelesen habe, da schreibst du darüber, dass du Kippen durch eine tiefere Yogapraxis ausgetauscht hast. Natürlich will ich wissen, wie du das nach 20 Jahren Nikotinsucht geschafft hast. Was genau hat dir beim Yoga geholfen, dieser Sucht zu entkommen?
Da muss ich ein wenig ausholen. Ich hatte 2018 neben meinem Vollzeitjob Sozialarbeit studiert und saß den ganzen Tag vorm Rechner. Durch diese Doppelbelastung hatte ich starke Rückenschmerzen bekommen und entschied mich so, nochmal mit Yoga anzufangen. Die Yogalehrerin, bei der ich dann praktizierte, nahm mich mit in einen Ashram. Sie war auch Raucherin und sagte mir, bevor wir zu dem Ashram reisten: „Die mögen das nicht so, wenn wir rauchen. Komm, wir lassen das jetzt einfach mal für eine Woche bleiben.“ Wir haben dann im Ashram gemeinsam noch die letzte Zigarette geraucht. Ich erinnere mich noch daran, dass meine Laune zunächst nicht so gut war – das war einfach das fehlende Nikotin. Da es morgens aber direkt schon los ging mit Pranayama, Meditation, Satsang, Yogapraxis, war das plötzlich wie weggeblasen. Der ganze Tag war durchorganisiert und da war der Drang nach der Zigarette einfach weg. Das lag aber sicher nicht nur daran, dass da Ablenkung war, sondern dass ich dort so viel Fülle erfahren habe. Diese Fülle kam in meinem Belohnungszentrum an, das Rauchen wurde sozusagen durch Yogapraxis ersetzt. Yoga hat mich da zum ersten Mal auf spirituelle Weise berührt. Früher war es für mich einfach eine Art Sport gewesen.
Nach zehn Tagen Ashram, was passierte dann Zuhause? War da gar keine Lust mehr auf Zigaretten?
Auf der Rückfahrt nach Hause habe ich meinen Freund angerufen und ihn darum gebeten, alles wegzuräumen, was mit den Zigaretten zusammenhing. Ich sagte ihm: „Ich rauche nicht mehr.“ Und er fragte: „Wie? Du rauchst nicht mehr?“ Ich habe jeden Tag 25 Zigaretten geraucht und er konnte sich natürlich nicht vorstellen, dass ich das jetzt einfach eben mal so ablegt hatte. Aber, wirklich, es war einfach weg. Dabei hatte ich schon häufiger probiert, aufzuhören. Sogar mit Hypnose – davon hatte ich mir viel versprochen, aber da war es mir nicht gelungen.
Wie ist das jetzt für dich, wenn du vor jemandem stehst, der gerade raucht? Ist dir das dann wirklich völlig egal?
Rauchen ist völlig aus meinem Gehirn rausgelöscht. Das macht mir also gar nichts aus. Ich bin im Übrigen sehr froh, dass ich nun auch nicht mehr den ständigen Geruch in der Nase habe. Das hat mich nämlich wirklich gestört, als ich noch selbst rauchte. Ich habe unzählige Kaugummis gekaut, um nicht unangenehm zu riechen.
Nicole, aka Yoga Purusha, ist leidenschaftliche Yogalehrerin, Sozialarbeiterin und – dank Yoga – Nichtraucherin.
Du hast in deinem Facebook-Post auch das Thema Gewichtszunahme angesprochen – auch damit bist du durch deine tiefe Auseinandersetzung mit der Yogaphilosophie besser klargekommen.
Für mich war das zunächst tatsächlich schwierig. Ich hatte fast zeitgleich meine Yogalehrer-Ausbildung begonnen, dort waren alle natürlich rank und schlank. Und ich habe, nachdem ich mit dem Rauchen aufgehört hatte, kontinuierlich zugenommen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, meine Mitstreiterinnen in der Yogalehrer-Ausbildung wurden fitter und fitter. Da habe ich natürlich sehr große Selbstzweifel gehabt. Ich habe innerhalb von zwei Jahren bestimmt zehn Kilo zugenommen. Jetzt, nach einer Meditationslehrer-Ausbildung und der tiefen Auseinandersetzung mit der Vedantaphilosophie, hat es irgendwann Klick gemacht. Da geht es ja darum, dass du nicht der Körper bist, nicht die Gedanken. Heute kann ich sagen: Es steckt viel mehr in mir drin, mein Körper macht mich nicht aus. Ich muss sagen, ich will nicht für immer so bleiben, sondern gerne wieder schlanker werden, aber ich weiß jetzt, dass ich vorher sehr hart zu mir war. Ich stand vorm Spiegel und sagte mir: „Du bist fett geworden“ So gemein wäre ich doch niemals zu jemand anderem. Ich war gemein zu mir selbst. Heute kann ich mich so annehmen wie ich bin.
Wenn Du jemandem, der mit dem Rauchen aufhören möchte, es aber nicht ganz schafft, einen Rat geben dürftest, was wäre das?
Ich glaube, wenn man aufhören möchte, muss alles drumherum gerade stimmen. Wenn man wirklich zufrieden ist, dann ist das ein guter Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören. Zeitgleich empfehle ich aber auch, etwas zu suchen, was eine Lücke füllt.
Was fasziniert Dich am meisten am Yoga?
Für mich ist Yoga eine Lebensweise. Durch diese Auseinandersetzung gelingt es mir manchmal, mir selbst nah zu sein. Das geht beispielsweise auch sehr gut, wenn ich Harmonium spielen. Da kommen mir manchmal einfach die Tränen. Gefühle kommen hoch, die vorher weggedrängt wurden. Und wenn die dann da sind, scheint alles plötzlich wie repariert. Das erfahre ich auch manchmal bei verschiedenen Asanas so. Yoga ist einfach unheimlich heilsam.
Wer in den Genuss einer Klangreise oder wunderbaren Kakaozermemonie mit Yoga Purusha kommen möchte, findet alle Termine dazu auf Facebook unter Yoga Purusha oder Instagramyoga.purusha
Im Sommer zeige ich gern Strand. Auch wenn ich das nie so richtig glauben wollte, im Herzen bin ich ein Beachgirl. Ich liebe den Wind, das Meerwasser, die Weite. Meine Beziehung zum Tauchen bleibt ambivalent, dabei halte ich Tauchen und Yoga für sehr ähnlich. Beim Tauchen lebe ich definitiv im Hier und Jetzt, ich habe dabei garantiert keine Zeit, einen Gedanken an irgendetwas anderes zu verschwenden, konzentriere mich extrem auf meine Atmung. Doch bislang hat mich wenig, was ich freiwillig tat, so sehr aus meiner Komfortzone geschleudert, wie Tauchen.
Sandkörner? Ja, bitte!
Sandkörner hingegen können mir nichts anhaben. Ich hatte mal einen Partner, der die Krise bekam, wenn wir nach einem Strandbesuch zu viel Sand mit in die Wohnung geschleppt hatten. Das habe ich nie verstanden. Ich bruzzele zwar nicht gerne tatenlos in der Sonne herum, aber am Strand kann man ja unheimlich gut aktiv sein. Oder meditieren. Der Strand ist so heilsam. Ich sehe meine Kinder am Strand mit ganz anderen Augen. Ich sehe, wie sie Weite und Freiheit geniessen. Und ich weiß seit gestern, warum der Strand so heilsam ist, auch wenn ich keine Lust habe, mich im Sand auszuruhen. Das stand nämlich in dieser Woche im Süddeutsche Magazin und hat etwas mit der Farbe Blau und ihrer Wirkung auf unser Gemüt zu tun. Das klingt für mich einleuchtend. Wenn ich, sobald im Norden die Sonne hervorkommt, ausschließlich Strandbilder in meine Instastories packe, liegt das nicht daran, allen, die sich nach dem Strand sehnen, eine lange Nase machen zu wollen, sondern daran, dass ich zeigen möchte, wie wunderschön die Ostseeküste ist. Und gerne – gerade in diesen Zeiten – daran erinnere, dass es nicht unbedingt Mallorca oder Dubai sein muss, wenn man zum Strand möchte. Ich persönlich habe die Ostsee nämlich fast mein Leben lang vernachlässigt. Heute, nachdem ich auch einige Jahre an einem der schönsten Flecken Kaliforniens gelebt habe, kann ich sagen, dass die Ostsee im Vergleich zum Pazifik so einige Vorteile aufweisen kann. Ich lebe gerne an der Ostsee. Sie hat meine gute Laune über die Pandemiezeit gerettet und gibt mir das Gefühl, dass meine Kinder, obwohl wir städtisch leben, unbezahlbare Kindheitserinnerungen haben werden.
Dieser Lars, …
Außerdem kann ich mich jeden Sommer – während die Ostseestrände sich mit Touristen füllen – auf Heimaturlaub bei meinen Eltern freuen. Abseits jeglicher Strände. Ich verbringe dann guten Gewissens und ohne Sehnsucht Sommerferien ohne Strand. Ostsee, wir kommen zurück, wenn die Touristen weniger werden.
Während ich also faul im Garten meiner Eltern sitze und Kaffee trinke, habe ich dieses Interview gelesen und es ist ziemlich inspirierend. Beeindruckend auch. Sicher unterscheidet sich mein Leben in Gänze von dem des Lars Windhorsts. Ich möchte auch gar nicht tauschen, du lieber Himmel. Und auch ich, jemand, der in den letzten Jahren das Glück eher in der Langsamkeit als im Vollgasmodus suchte und fand, kann nachvollziehen, woraus Lars Windhorst seine Glücksgefühle zieht. Das Gespräch, das Unternehmer und Journalist führen, ist in jedem Fall bereichernd. Beide haben was zu sagen.
Leider aktuell
Dann bin ich über diesen Artikel hier im Elephant Journalgestolpert. Er ist bereits aus dem Jahr 2018 aber irgendwie auch aktueller denn je. Als weiße und damit wie ich weiß, privilegierte Yogalehrerin, regt er mich sehr zum Nachdenken an. Ich habe mich schon öfter mit dem Thema beschäftigt. Die Frage, wie ich alle in meinen Unterricht einladen kann, jeder und jedem Einzelnen die Möglichkeit geben kann, dort einen Raum für sich zu finden, der das bietet, was gerade gebraucht wird, ist nicht einfach zu beantworten. In meinem ersten Yogabuch habe ich zwei Yogalehrer dunkler Hautfarbe porträtiert, viele meiner „Yogavorbilder“ sind dunkler Hautfarbe. Einer der besten Yogalehrer, die ich hatte, Arturo Peal, ist es auch. Damals habe ich mir darüber kaum Gedanken gemacht, was ich zu dieser Zeit in jedem Fall als bestes Zeichen auf keinen Fall rassistisch zu sein, interpretiert habe. Heute weiß ich, dass das nicht ausreichend ist, dass ich gerade mit diesen Menschen viel mehr in den Dialog über genau dieses Thema hätte gehen müssen, sie aktiv dazu befragen müssen, was sie sich wünschen von einer Yoga Community, die für sich den Anspruch erhebt, Diversität zu leben. Ich kann nur versuchen, es jeden Tag besser zu machen. Und weiterhin mit Demut auf eine Lehre blicken, die in ihrem Ursprung für eine weiße Frau wie mich nicht zugänglich gewesen wäre.
Heute unterrichte ich meine erste Stunde mit physisch anwesenden Menschen seit Ende Oktober. Über ein halbes Jahr lang spielte sich Yogaunterricht mal wieder ausschließlich virtuell ab. Heute nachmittag werde ich mit meinen Schülern/innen im Freien praktizieren. Auf einer grünen Wiese. Mit Hilfe eines Kopfhörers können die Schüler/innen meine Anweisungen verstehen, egal wie wild der Wind weht. Musik läuft im Hintergrund. Mann, ich freue mich so darauf! Einen Tag später öffnen die Studios dann offiziell in Schleswig-Holstein und Yoga – unter strengen Auflagen – wird auch drinnen wieder möglich sein. Und so sehr ich mich freue, dass viele in meinem Umfeld nun bereits zwei Mal geimpft sind, dass Restaurants, Hotels und Cafés öffnen, so geht es mir auch ähnlich wie wie im vergangen Jahr nach Lockdown 1. Ich frage mich: Wie wird unsere neue Realität eigentlich aussehen? Wie wünschen wir sie uns?
Lieber Arm an Arm als Zahn um Zahn
Heute morgen hatten meine Kinder heimlich den Fernseher eingeschaltet. Das machen sie manchmal. Es ist eine Art Spiel. Denn sie verheimlichen es nie, sondern kommen lachend angelaufen, um zu beichten, dass der Fernseher läuft. Ich hielt meine Tasse Kaffee noch in der Hand, habe sie also kurz mal machen lassen und mir dann angesehen, was sie gerade eingeschaltet hatten. Auf MDR lief „Zahn um Zahn“ – das hatte ich noch nie zuvor gesehen. Eine DDR-Serie aus den 80er-Jahren. Ich musste schmunzeln, weil die übertrieben freundliche Arzthelferin – mit Namen Häppchen – die Patienten am Arm berührte, wenn sie sie aus der Praxis geleitete. Was für ein ungewohntes Bild! Ich zuckte fast zusammen, angesichts des „Zuviels“ an Berührung. Wie schade, oder?
Nach uns die Sintflut?
Aber dann gibt es auch Dinge, die will ich gar nicht haben. Dummerweise war ich über den Bild-Kommentar von Ralf Schuler gestolpert: „Haben denn alle einen Knall?“, stand da provokant in der Überschrift. „Tempolimit, Fleischverzicht, Flugscham, Böllerverbot – haben wir Deutschen eigentlich einen Knall?“, fragt der Journalist da. Und weiter: „Einfach mal leben ist nicht unsere Stärke …“ Komisch, dass ich genau das Gegenteil von den Deutschen denke. Mich bestürzte dieser Text – auch wenn mir klar ist, dass diese Zeitung natürlich gerne Klischees bedient und Provokation zum Konzept gehört – denn wieso findet Ralf Schuler, ein im Osten aufgewachsener Journalist, der sich selbst zu DDR-Zeiten zum Christentum bekannte (was mich wahnsinnig beeindruckt) solche Worte? … Worte, die man meiner Meinung ruhig schreiben kann, wenn man nach dem Prinzip: „Nach mir die Sintflut“ lebt. Ich kann ziemlich viel Spaß haben ohne Fleisch, ohne Böller, ohne Langstreckenflüge. Ich lebe so sehr nach dem Prinzip „einfach leben“, dass mich alleine das Wunder meiner fließenden Atmung manchmal schier umzuhauen droht. Ich genieße die Sonne an furchtbaren Regentagen, suche mit meinen Kindern nach dem Regenbogen und feiere schon seit meinem 18. Lebensjahr laut, lustig und ausgelassen ganz ohne Alkohol. Meine Freunde wissen das. Die fragten mich früher auf Partys ob es mein Ernst sei, jetzt noch Auto zu fahren, weil sie einfach nicht bemerkt hatten, dass ich gar nicht betrunken war – sondern einfach ich.
Leiser, sanfter, glücklicher
Tempo auf der Autobahn? Echt jetzt? Das macht glücklich? Silvesterknaller in die Luft böllern? Lebenswichtig! Vielleicht wäre es erstrebenswerter, sich zu wünschen, dass wir uns Silvester‘ 21 alle umarmen können ohne einen einzigen leisen Zweifel? Und dass sie in China keine Tiere mehr auf Märkten verkaufen, die dort einfach nichts zu suchen haben? Wären wir nicht viel glücklicher, wenn wir mehr im Einklang mit der Natur leben würden, verzichten könnten, auf das, was der Umwelt richtig weh tut, uns auf das Wesentliche besinnen würden, statt immer nur schneller, höher, weiter? Das war mal ein Prinzip, das für den Leistungssport galt. Da machte es Sinn. Heute geht es, so kommt mir das vor, in allen Bereichen des Lebens darum. Und lauter natürlicher. Bitte auch lauter. Wer am lautesten schreit, der lebt am besten. Echt jetzt?
Was für eine Vision!
Es war noch mitten im dicksten Corona-Winter, da besuchte mich eine Freundin in meiner Küche, wir tranken einen Kaffee zusammen und redeten darüber, wie die Zukunft unserer Kinder aussehen könnte. „Ach“, sagte meine Freundin da, „ich denke, die werden sich über uns totlachen, werden sagen: Echt? Wie konntet ihr denn 40 Stunden die Woche arbeiten, Kinder haben und dann auch noch für eure Ferien nach Dubai fliegen?“ War das eine Vision! Stell dir mal vor, unsere Kinder wollten gar nicht mehr in die Ferne reisen? Stell dir mal vor, sie würden deutlich weniger arbeiten, gesünder leben und ein ganz ausgeprägtes Umweltbewusstsein haben? Diese Vision rettete mich über den Winter.
Da das Wochenende ja etwas länger ist, gibt es meine Lese- und Hörtipps mit Verspätung. Dafür bleibt ja aber auch genug Kaffee-Zeit, sie zu lesen und zu hören. Und: Dafür haben sie es natürlich auch in sich 🙂
Na ja, die Wahrheit ist: Es war eine intensive Woche. Am Mittwoch sass ich bei meiner Mental-Coachin in Hamburg, als mich über WhatsApp 17 Nachrichten erreicht hatten. Aufgeregte Eltern der Kindergarten-Freunde meiner Töchter schrieben von einem Amokläufer in Kiel, die Polizei habe ein Kieler Viertel umstellt – die Kita meiner ältesten Tochter befindet sich genau dort – und die Kindertagesstätten seien vom Jugendamt angehalten worden, alle Türen dicht zu halten, die Kinder könnten nicht abgeholt werden. Auf der Fahrt nach Hamburg trudelten weitere Nachrichten ein, irgendwann bat ich eine Mutter, mich doch telefonisch zu informieren, falls es was Neues gebe, schließlich sass ich im Auto. Bald kam der Anruf. Der vermeintliche Amokläufer war kein Amokläufer, sondern ein Mann, der morgens in einem Kieler Vorort zwei Menschen erschossen hatte – ein Eifersuchtsdelikt –, das Fahrzeug, das in dem Kieler Viertel aufgetaucht war, war gar nicht das verdächtige Fahrzeug sondern ein Mietwagen, der dem Wagen des Täters einfach ähnlich sah. Auf der Fahrt hatte mir natürlich was geholfen? Ein- und auszuatmen. Aber Atmen kostet eben auch manchmal Zeit und dann hatte ich auch noch große Lust, sehr viel Zeit mit meinen Kindern zu verbringen …
Unendlich wertvoll …
Thorsten Hermes, Ex-Google-Manager, Chief Groth Officer bei TheNextWe und Innovationsmanager beim Deutschen Fußball-Bund hat in dem Leadership-Podcast des DFB ein interessantes Gespräch mit dem Juristen und Autor Ferdinand von Schirach geführt. Es geht um die sechs Grundrechte, unter anderem, das Recht auf eine gesunde Umwelt. Ein Talk mit dem „Meister des Pespektivwechsels“, wie Hermes sagt, der inspiriert, bedächtig macht, zu bedenken gibt, dass es sich für Menschen lohnt, den Verstand einzusetzen und wie wir unser eigenes „richtig“ finden. Auch schön übrigens – gerade angesichts der Pandemie – der Satz von Immanuel Kant, den von Schirach zitiert: „Das Leben des Einzelnen ist unendlich wertvoll.“ Ein ruhiges, angenehmes Gespräch zweier beeindruckenden Menschen.
Gebt den Frauen das Kommando …
Wo wir gerade beim DFB sind – dieses Interview mit Katja Kraus und Gaby Papenburg hat mir als ehemalige Sportjournalistin und Frau natürlich gut gefallen. Eine spannende Initiative, die wir Frauen unbedingt im Blick halten sollten. Schön, dass Katja Kraus mal erklärt, worum es in Sportverbänden eigentlich gehen sollte („…wie man Kinder für Vereinssport begeistert oder wie man wieder mehr Identifikation mit dem Fußball ermöglicht“) statt um Macht und Kontrollverlust …
Rettet die Selbstheilungskräfte
Auf Businessinsider spricht der Neurobiologe Gerald Hüther darüber, wieso das beste Gesundheitssystem der Welt nichts nützt, wenn wir nicht damit aufhören, unsere inneren Selbstheilungskräfte daran zu hindern, ihre Arbeit richtig zu machen. Spannend.
Ein Text aus dem Oktober auf fuckluckgohappy beschreibt die Rolle des Körpers und damit der Asanas im Yoga. Eine schöne Erinnerung, jetzt wo die Yogastudios in den Startlöchern für die heiß ersehnte Eröffnung stehen …
An dem besagten Mittwoch mit der großen Aufregung um einen vermeintlichen Amoklauf saß ich nachmittags mit den Kindern bei einer Freundin im Garten und habe diese selbstgebackenen Müsliriegel gegessen. Was soll ich sagen? „Das sollen Müsliriegel sein?!“ Schmeckten wie ein unfassbar gutes Stück Kuchen.
Genieß deinen Kaffee. Und hab schöne Pfingsten. Was kann uns schon Regen?