Schlagwort: Yogalehrer

Yoga für alle? Echt jetzt?

Als ich in der vergangenen Woche einen Artikel zum Thema Sprache als Yogalehrer/in veröffentlicht habe, hatte ich nicht damit gerechnet, dass mich das Thema weiterhin so beschäftigen würde. Ich habe nämlich Zuschriften von Leserinnen bekommen, die mir schrieben, wie sie sich Yogaunterricht wünschten und mit welcher Realität sie im Yogastudio konfrontiert seien. Ich habe Schilderungen erhalten, die ich im ersten Moment für eine Parodie hielt. Doch es ist wohl die Realität: Das viel propagierte „Yoga für alle“ ist für die meisten unauffindbar. Und so komme ich zu der Frage: Wie können wir es schaffen, dass alle sich in unserem Unterricht willkommen fühlen (vorausgesetzt natürlich, dass wir das wollen …)?

Versteh mich nicht falsch. Am 27. Dezember, dem Sonntag nach Weihnachten, unterrichtete ich einen kraftvollen Flow mit vielen kräftigenden Körperhaltungen, ich platzierte Crunches, ließ meine Schüler/innen das Boot machen und wir absolvierten viele Planks. Das hatte ich aber im Vorfeld auch so beworben. Ich wollte einen Unterricht anbieten, der meine Schüler/innen nach den Feiertagen zu sich selbst brachte, sie erdete aber andererseits auch etwas mit einem Workout gemeinsam hatte. Du weißt schon: Das schlechte Gewissen wegen der Unmengen an Kalorien, den Plätzchen und der Lebkuchen … Das passte so für mich.

Anfänger: herzlich willkommen!

Wenn ein Anfänger unbedarft in eine Level-3-Stunde geht, darf er sich nicht wundern. Es wäre genauso als würde ich im Chinesisch-Sprachkurs mit der dritten Stufe starten. Macht kein Mensch. Aber was mir eine Leserin mitteilte, war etwas anderes: Sie fand sich in Stunden wieder, die als Anfänger-Stunden beworben wurden und dann wurde sie dennoch als Yogaanfänger vor den anderen bloßgestellt. Kam sie im Flow nicht hinterher, weil sie nicht wusste, wovon der Lehrer sprach, bekam sie müde lächelnde Blicke, statt Unterstützung. Müssten wir nicht gerade Anfänger herzlich willkommen heißen?

„Yoga ist kein Wettkampf“ – hm…

Es gibt einen gerne zitierten Spruch im Yoga: „Yoga ist kein Wettkampf.“ Genau. Das soll es auch nicht sein. Aber damit Yoga auch wirklich nicht zum Wettkampf wird,  muss sich jeder Lehrende in seiner Ausdrucksweise hinterfragen. Wenn ich immer nur diejenigen lobe, die jede Woche kommen und die sich bretzelartig verbiegen können, was macht das eigentlich mit denen, die nicht gelobt werden? Überlege dir, ob es wirklich so viel Sinn macht, einzelne Schüler/innen zu loben. Auch ich habe in meiner Yogalehrer-Ausbilung gelernt, dass wir viel loben sollen. Besonders die Amerikaner sind ja ein sehr „loborientiertes“ Volk, aber vielleicht führt das nur dazu, dass wir sehr massiv darauf bedacht sind, von anderen gelobt zu werden, statt unserer eigenen Intuition zu vertrauen, uns selbst schön zu finden, auch wenn wir das nicht ständig von anderen hören …? Worauf ich aber vor allem hinaus will: Warum wird eine biegsame langjährige Yogapraktizierende gelobt und ein muskulöser aber unbeweglicher Yogaanfänger belächelt? Ist es nicht so, dass die biegsame Yogapraktizierende sowieso schon von Yoga überzeugt ist, und es viel wichtiger wäre, diejenigen zu überzeugen, die noch schwanken, ob Yoga eigentlich das Richtige ist? Diejenigen, die immer wieder damit zu kämpfen haben, weil es für sie so hart ist. Ich will, dass die Yoga machen, die es am allermeisten brauchen. Und was macht es mit den Schülern, deren Namen wir uns nicht gemerkt haben, wenn wir die einen mit Namen ansprechen und die anderen nicht? Was macht es mit Anfängern, wenn die Fortgeschrittenen sie kritisch beäugen, ihnen bemitleidende Blicke zuwerfen, sich vor und nach der Stunde in waghalsige Asanas begeben ….?

Hilfsmittel sind vor allen Dingen clever

Was können wir als Lehrer tun, um zu erreichen, dass sich alle in unserem Unterricht wohlfühlen? Spreche mit deinen Schülern/innen. Lade sie zu Beginn der Stunde herzlich ein, heiße sie willkommen, frag sie nach ihrem Namen und – wenn du sie noch nicht kennst – nach ihren Yogaerfahrungen. Ermutige sie, während der Stunde auf ihren Körper zu hören. Und sage deinen Teilnehmenden, dass sie sich auf sich selbst konzentrieren sollten. Es ist nicht wichtig, was der Nebenmann/die Nebenfrau gerade macht. Lasse immer wieder deutlich werden, weshalb du was unterrichtest. Warum machen wir den Sonnengruß? Warum atmen wir durch die Nase? Und gib deinen Schülern/innen den Hinweis, dass Hilfsmittel zu nutzen, nichts Verwerfliches ist, im Gegenteil: es ist clever. Zeige ihnen, wie sie Hilfsmittel einsetzen können und dadurch ihre Arme und Beine künstlich verlängern. Ermutige Anfänger dazu, sich ihre Matte in der Nähe einer Wand auszurollen, und die Wand als Hilfsmittel bei Balancehaltungen nutzen zu dürfen. Erkläre, dass niemand gut oder schlecht im Yoga sein kann. Stattdessen können wir im Yoga üben und lernen, die Muskeln dehnfähiger werden zu lassen oder sie zu stärken. Wir können üben, die Atmung als Tool einzusetzen, auf das wir auch in unserem Alltag zurückgreifen können, … Beschreibe Variationen verschiedener Asanas und gib immer wieder die Möglichkeit, in ruhende Positionen wie den Herabschauenden Hund oder die Stellung des Kindes zu kommen. Es ist schön, ab und zu mal Sanskrit-Begriffe einfließen zu lassen, aber bedenke, dass die wenigsten Yogalehrenden ein Sanskrit-Studium absolviert haben, warum sollten es die Schüler/innen getan haben?!? Beispiel: Welcher Mensch kann schon etwas mit dem Begriff „Vrikshasana“ anfangen, dabei kommt diese Asana in nahezu jeder Anfänger-Stunde vor. Benutze die deutschen Bezeichnungen, es sei denn, deine Klasse wird von vielen Menschen besucht, die kein Deutsch verstehen. Aber dann macht es vielleicht eher Sinn, englische Begriffe zu verwenden …

Was will ich geben?

Zunächst einmal ist es das Wichtigste, dass wir für uns selbst definieren, was wir unseren Schülern/innen geben möchten. Und ich habe für mich da eine klare Definition gefunden: Ich möchte sie stark machen (nicht immer und unbedingt auf physischer Ebene) und ich will ihnen etwas mehr Ruhe schenken. Und das geht nicht, in dem ich sie vor anderen bloßstelle oder ihnen erläutere, dass ihre Version von Chaturanga nicht die Richtige ist. In einem Interview mit der Mentaltrainerin Christine J. Bauer, das ich für mein neues Buch geführt habe, erzählte sie mir, dass in ihren Trainings häufig Menschen sitzen, die ihr sagen, dass sie gerne ihre wahnsinnige Angst vorm Sprechen vor Menschengruppen besiegen würden. Meistens kommt heraus, dass diese Angst aus der Schulzeit kommt. Irgendein Lehrer hatte sie vor der Klasse bloßgestellt. Und ich frage mich, woher kommt das eigentlich, dass wir/Pädagogen glaub(t)en, wir müssten andere schwächen, um sie stärker zu machen?

Weißt du, was du lehrst?

Und deswegen also die Frage: Was willst du als Yogalehrer deinen Schülern/innen geben? Als Sportwissenschaftlerin lege ich viel Wert auf die Ausrichtung in den Asanas. Vor allen Dingen, damit sich meine Schüler/innen nicht verletzen und damit sie die Effekte der Übung auf beste Möglichkeit spüren können. Aber Körper sind verschieden und das muss man als Lehrer/in immer im Blick behalten. Als Yogalehrende haben wir vieles über Ausrichtung gelernt, ohne es zu hinterfragen. „Spanne in der Schulterbrücke die Oberschenkelmuskulatur an, aber entspanne dein Gesäß“, ist ein Hinweis, den ich häufig höre. Aber warum? Macht das Sinn? Wenn wir genau hinschauen, brauchen wir den Glutens Maximus um unsere Hüfte dahin zu bringen, wo wir sie in der Schulterbrücke haben wollen. Und ist es überhaupt in irgendeiner Form schlecht, den Glutens Maximus zu stärken – ich denke nur mal an die immer wieder kommende Sommersaison? 😉 Also, sei dir stets bewusst, wenn du etwas unterrichtest, warum du das unterrichtest.

Und wenn ich zum Yoga gehe, brauche ich kein Boot Camp. Wobei ich auch Boot Camps keinesfalls ihre Berechtigung abschreiben möchte. Aber im Yoga? In dem Studio, in dem ich meine erste Ausbildung absolviert habe, gab es eine Unterrichtsstunde, die hieß Yoga Sculpt. Es gab einen Korb, in dem sich ein bis drei Kilogramm schwere Kurzhanteln befanden, und man durfte sich seine Kurzhanteln heraussuchen, bevor es auf die Matte ging. Dann wurden Yogahaltungen im Flow mit Kurzhanteln absolviert. Ich habe gar nichts gegen solche Yoga-Spielarten. Denn im Grunde war das eine gute Idee. Es ging nämlich darum, denjenigen, die nur Lust auf Yoga hatten, ein bisschen Krafttraining unterzujubeln. Es hat also so ziemlich alles seine Berechtigung (außer vielleicht Bier-Yoga …). Ich finde nur, es muss immer vorher klar sein, was der Sinn der Praxis ist. Andere stark machen. Auf psychischer Ebene mag Boot Camp Style im Yogaunterricht da nicht das Richtige sein, auch wenn es sich im ersten Moment vielleicht passend anhört. Aber ohnehin stellt sich die Frage, warum der Mensch manchmal gemein sein möchte? Wir meinen vielleicht, dass wir uns dadurch stärker machen, aber in Wahrheit sind wir in solchen Momenten doch nur selber schwach, oder?

Yogalehrer/innen – Wie wir sprechen

Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung für Weiterbildungen für Yogalehrende. Alle genannten Fortbildungen empfehle ich hier guten Gewissens und ohne dafür bezahlt zu werden.

Als ich begann, über diesen Blog nachzudenken und mir einen Namen für meine Webseite überlegte, stand dem Coffee Drinking Yogi zunächst noch ein anderer Begriff gegenüber. Chakra Number Five. Ich weiß nicht warum, aber ich habe eine besondere Beziehung zum fünften Chakra, dem Kehlkopfchakra oder auch Vishuddha Chakra. Nicht dass ich denke, dass es immer ausgeglichen ist – im Gegenteil. Aber es ist das Chakra, dessen Optimierung ein besonderes Ziel meiner Yogapraxis ist. Vielleicht weil mein erster Beruf Journalistin war und ich immer noch mit dem Schreiben, also Worten, Geld verdiene. Worte sind für mich etwas Besonderes, auch wenn ich mir bewusst darüber bin, dass es viele verschiedene Arten der Kommunikation gibt. Ich weiß aber auch über die Macht der Worte, ich weiß, was Worte anrichten können und ich glaube, dass ich häufig merke, wenn ich meine Worte fälschlich eingesetzt habe. Das fünfte Chakra hat aber auch etwas mit Zuhören zu tun, auch darin übe ich mich noch. Das fünfte Chakra in Einklang zu bringen, finde ich erstrebenswerter als das siebte. Sie bedingen ja auch einander. Aber trotzdem: Für mein „irdisches“ Sein macht es mehr Sinn, die Optimierung des fünften Chakras anzustreben, als so ein hohes Ziel, wie das eines ausgeglichenen Kronenchakras überhaupt für mich in Anspruch zu nehmen. So sehe ich das. Den Namen Chakra Number Five fand ich dann deswegen lustig, weil ich mich dabei an den Song „Mambo No. 5“ von Lou Bega erinnert fühlte. Dieses verrückte Lied, das nicht mit meinem Musikgeschmack zu vereinbaren ist, avancierte einen Sommer lang zum Gute-Laune-Hit der Nation. Es war 1999, ausgerechnet auch der Sommer, als ich mein Abitur gemacht hatte … Also, wenn du noch auf der Suche nach einem guten Namen für deinen Yogablog bist: bitteschön, gern geschehen.

Wie wir als Yogalehrer Sprache einsetzen

Und als Yogalehrer? Wie sollen, dürfen wir Sprache eigentlich einsetzen? Für mich hat es sehr viel mit dem Vishuddha Chakra zu tun. Das Thema kommt in der Yogalehrer-Ausbildung häufig zu kurz, die Zeit ist ja auch viel zu knapp. Deswegen macht es Sinn, sich nach Abschluss der Ausbildung mit diesem so wichtigen Bereich unserer Arbeit auseinanderzusetzen. Es gibt dazu auch tolle Ausbildungen und Workshops, beispielsweise „Articulate“ von Annika Isterling oder das Sprech-, Ausdruck- und Rhetoriktraining mit Johanna von Löchtern bei Pureyoga Ludwigsburg (übrigens vermutlich das letzte Sprachtraining für Yogalehrer, das sie auf diese Art anbieten wird!). Evelyn Schneider von yoga:yes bietet mit „Didaktik als Yogalehrer – Die Macht der Worte“ einen interaktiven Online-Kurs mit freier Zeiteinteilung an.   

Die Sprache ist beim Yogaunterricht nahezu das wichtigste Tool. Nur über sie können wir transportieren, was unsere Schüler tun sollen, sie in eine Haltung bringen aber vor allem doch auch in einen Zustand: nämlich den Zustand des Eins-mit-sich-Seins. Das transportieren wir über Worte, Gesten, unsere Haltung. Wir wollen als Yogalehrende nicht, dass unsere Schüler/innen uns permanent beobachten müssen, denn dann können sie sich kaum auf den eigenen Körper einlassen. Demnach ist das gesprochene Wort also auch sehr wichtig für Yogalehrer/innen.

Die Beziehung „Sender und Empfänger“

Es ist wichtig, was der Empfänger versteht und als Sender – und das ist der/die Yogalehrer/in  – hat man die Verantwortung dafür. Natürlich liegt es dann auch wieder am Empfänger, also den Schülern/innen, was verstanden wird. Aber das können wir deutlich beeinflussen, egal, in welchem Zustand unsere Teilnehmenden zur Stunde erschienen sind. Niemand kann wissen, mit welchen Sorgen oder Freuden unsere Teilnehmenden gerade in unsere Stunde kommen, aber es liegt an uns, wie sie den Raum wieder verlassen. Wenn du dich fragst, wie du deinem Yogaunterricht mehr Tiefe geben kannst, dann stell dir die Frage, was du eigentlich wirklich deinen Schülern/innen mitgeben möchtest. Wie sollen sie den Unterrichtsraum verlassen?

Fünf Tipps für deine Kommunikation im Yogaunterricht

Hier kommen fünf Tipps, wie deine Kommunikation im Yogaunterricht klarer werden kann und deine Stunden durch die Macht der Worte einen tieferen Sinn bekommen können. 

  1. Sei dir bewusst, dass Beziehung immer vor Inhalt geht. Manche Menschen passen einfach nicht zusammen, egal wie toll die Inhalte sind, die sie transportieren. Das hast du sicher auch schon selbst während einer Yogastunde gespürt. Ein toller Lehrer, eine gut geplante und durchdachte Sequenz – und trotzdem, irgendwie konnte der Lehrer dich nicht überzeugen. Das ist in Ordnung und ganz normal. Und deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn du gewisse Schüler/innen nicht überzeugen kannst. Bleibe authentisch. Vertraue auf deine Wahrnehmung. Am wichtigsten ist, dass du weißt, was du deinen Schülern/in geben möchtest. Und dann beginne, auf deine Wortwahl zu achten. Wähle deine Worte achtsam und sei dir bewusst, dass du Menschen verschiedenster Herkunft, Kultur, Geschlechter, Körper und Stimmungen vor dir hast.
  2. Achte nicht nur auf das gesprochene Wort sondern auch auf deine Körpersprache. Wichtig ist, dass wir uns mit dem, was wir unseren Schülern/innen weitergeben möchten, assoziieren können. Das heißt, ich muss selbst verkörpern, was ich weitergeben möchte. Stell dir vor, dein Lehrer oder deine Lehrerin steht mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und kaut auch noch lässig auf einem Kaugummi herum. Damit würde er oder sie sich aus der Situation herausziehen, eine teilnahmslose Haltung assoziieren und den Teilnehmenden wohl kaum helfen, sich in die richtige Stimmung zu begeben. Stattdessen kannst du als Lehrer/in mit den Schülern/innen mitatmen, die Hände mit dem Einatmen heben und dem Ausatmen senken, dich mit der Einatmung aufrichten und beim Unterrichten nicht die Schultern hängen lassen, sondern bewusst deine Präsenz zeigen.
  3. Achte auf deine Stimme. Eine hohe Stimme vermittelt häufig Panik, Kurzatmigkeit. Eine tiefe Stimme strahlt Erdung, Gelassenheit und Ruhe aus. Das ist besonders für Frauen eine Herausforderung, aber sei dir bewusst: Stimmtraining kann vieles bewirken. Jeder Mensch kann sein volles Stimmpotenzial erfahren, erlernen und ausnutzen. 
  4. Sei positiv! Sprich davon, was deine Teilnehmenden dürfen und können, statt darüber, was sie nicht dürfen, nicht können oder müssen …
  5. Zuletzt möchte ich dir diesen Text von Ulrike Schäfer von Fuck Lucky Go Happy ans Herz legen. Ich habe daraus sehr viel gelernt und meine Lehrer-Sprache komplett hinterfragt. Mich auch gefragt, welche Menschen ich mit meinem Stil wohl anspreche und welche nicht. Und ob ich daran etwas ändern will und wenn ja, was.

Ich freue mich auf die Zeit, in der ich nicht weiterhin während ich Asanas „vorturne“, ins Mikro hecheln muss, sondern wieder durch den Raum wandern, meine Schüler berühren darf, sie sehen kann und ihre Atmung höre. Du auch?

Berührung findet anders statt!

Yoga und Berührung. Für mich gehört das zusammen. Berührung – macht das nicht die Qualität der Yogastunde aus? Auf jeden Fall. Damit meine ich jetzt nicht nur die physische Berührung. Aber der Reihe nach. 

Als ich vor vielen Jahren Yoga eine zweite Chance gab (meine erste Erfahrung hatte höchstens Verwirrung hinterlassen), war ich geflasht. Geflasht von dem, was da mit mir passierte, aber vor allem auch geflasht von der Nackenmassage, die mir die Yogalehrerin zu Beginn der Stunde im Herabschauenden Hund und dann am Ende noch mal in Savasana gegeben hatte. Was war das bitteschön für eine besondere, tiefgehende, einfühlsame und so wohltuende Berührung gewesen? Fortan war ich irritiert, wenn ich in Savasana lag und innerhalb von 90 Minuten nicht ein einziges Mal angefasst worden war. Das kam vor allem in Los Angeles oder Santa Barbara vor, wenn die Klassen um die 50 Teilnehmenden hatten – logisch, dass ein einziger Yogalehrer da unmöglich jeden anfassen kann. Ich teilte Yogalehrer in berührende und nicht berührende ein und meine damit natürlich nur den physischen Teil der Berührung. „Die große Bedeutung von Berührung ergibt sich aus der menschlichen Entwicklung“, schreibt Thai Yoga Ausbilder Tobias Frank in seinem Buch „Thai Yoga. Körper und Seele berühren“. „Der Tastsinn ist der erste Sinn, mit dem wir die Welt erkunden. Wir fühlen unsere Umwelt, noch bevor wir sie sehen oder hören. Und nach der Geburt ist der Körperkontakt zur Mutter die Erfahrung in unserem Leben, die uns Kraft und Halt gibt.“ Frank schreibt weiter, dass Berührung zu einer erhöhten Ausschüttung der Glückshormone Dopamin und Serotonin führt. Berührungen können Schmerzen lindern, das Immunsystem stärken und den Blutdruck senken …

Die Berührung hat also einen tieferen Sinn als nur Unterstützung von „korrekter“ Ausrichtung. Jedoch erhielten Hands-on-Assists während Asanas eine große Bedeutung in meiner Praxis. Wie spürte ich den Unterschied, wenn mir jemand dabei half, noch genauer in eine Position zu kommen, tiefer in eine Dehnung zu gehen? Ich machte in genau diesen Stunden die meisten Fortschritte während meiner Asana-Praxis. Selbst zu üben, zuhause, wurde für mich besonders wichtig als ich Mama wurde und weniger Zeit hatte, in ein Studio zu gehen. Am allermeisten fehlten mir dann die Assists der Lehrer. Ich brauchte kein Online-Yoga, ich konnte selbst praktizieren, wusste, wann ich welche Übung an die nächste reihen sollte, manchmal lagen Bücher neben meiner Yogamatte. Mir fehlten die Berührungen sehr.

Ich war selbst Lehrer geworden; eines meiner liebsten Yogabücher ist „Hands on Yoga“ von Nadezhda Georgieva, weil es das Spektrum der Berührungen während der Asanapraxis auf so besondere Art und Weise zeigt. Die richtigen Berührungen in der richtigen Position an den richtigen Stellen zu geben, bedeutet für mich immer noch hohe Kunst des Yoga. Ich bewundere die Lehrer, die immer wissen, wann welche Berührung sich genau richtig anfühlt.

Und dann kam Corona. Yoga findet jetzt online statt. Selbstpraxis ist für alle, die Yoga üben, zur Normalität geworden. Selbst in der kurzen Phase im Sommer, als wir diesen Hauch von einem Leben ohne Pandemie wieder in uns spürten, waren Berührungen im Yogastudio verboten. Egal. Besser irgendein Yoga als gar kein Yoga, oder? Und dann stellte man fest, dass Berührung auch ohne physisch anwesende Lehrer möglich war. Wir umarmen uns selbst, wickeln unsere Arme in allen möglichen Positionen um unseren Körper, spüren die eigenen Hände an der Stirn, den Oberschenkeln oder dem Bauch. Der Satz „Berührung findet anders statt!“, ist nicht von mir. Gaby Rottler hat ihn zu mir gesagt – die Frau, die in München das Wanderlust Café & Yoga betrieben hat. Ich habe diesen Satz aufgeschrieben und ihn direkt fett markiert. Weil ich genau das auch in den vergangenen Monaten erfahren habe. Yoga und Berührung gehören für mich immer noch zusammen. Aber berühren können wir auch auf einer ganz anderen Art und Weise. Trotzdem dürfen wir die richtige Berührung des Yogalehrers im Yogastudio vermissen und uns darauf freuen, dass sie irgendwann wieder stattfinden darf. Aber was mich diese Zeit auf jeden Fall gelehrt hat: Wir können jemanden berühren ohne ihn anzufassen. Ich selbst habe diese Erfahrung gemacht, als ich zu Beginn des „Lockdown light“, also Anfang November, in der Atemtherapie war. Einer Einzelstunde mit offenen Fenstern und einer Lehrerin, die sehr weit weg von mir sass. In dieser Stunde ist nicht viel passiert, ausser, dass ich Bewegung mit Atmung verbunden hatte, die Anweisungen der Lehrerin fast mechanisch befolgte und spürte, wie es mir plötzlich wieder leichter fiel, Luft in meinen Bauchrum strömen zu lassen. Am Ende der Stunde sass ich auf meiner Matte. Meine Lehrerin sprach die abschliessenden Worte, liess mich noch einmal in der Stille nachspüren, was ich gerade geübt hatte und mir liefen zum ersten Mal in meinem Leben auf der Yogamatte die Tränen von der Wange. Es war nichts besonderes geschehen. Meine Lehrerin war fast ein bisschen erschrocken, „berührt“, dass diese simple Praxis so viel in mir ausgelöst hatte und ich lachte nur und sagte: „Bitte mach dir keine Sorgen. Ich glaube, das sind gerade Tränen der Erleichterung.“ Ich hatte einfach mal 90 Minuten lang Selbstfürsorge betrieben. Die Qualität eines tiefen, gesunden Atmens gespürt. Das in Verbindung mit den weise gewählten Worten meiner Lehrerin, hatte in mir eine tiefe Berührung ausgelöst.

Gaby Rottler erzählte mir in unserem Gespräch, dass sie bei einem Women Circle teilgenommen hatte – online natürlich. Und dass es sie auf wunderbare Weise berührt habe, wie sich da völlig fremde Frauen unterschiedlichen Alters ausgetauscht und einander geöffnet hatten und so viel Wärme, Herzlichkeit und Wahrhaftigkeit durch diese Begegnung geflossen war. Berührung findet anders statt. Ja. 

Selbstständig als Yogalehrer – Teil 2

Du hast schon mal ein tolles Produkt …

Evelyn Schneider ist Yogalehrerin, Beraterin und Ausbilderin. Ihr Buch „Der Leitfaden. Ihr Wegweiser für alle unterrichtenden, beratenden und therapeutischen Berufe“ habe auch ich leider viel zu spät gelesen. Beim BDY (Bund Deutscher Yogalehrer) und der IFAA gibt Evelyn Schneider regelmäßig Seminare zum Thema Selbstständigkeit als Yogalehrer. Meistens sitzen die Yogis dann weniger enthusiastisch im Raum als bei Pranayama oder Anatomie. Eigentlich erstaunlich, denn das Thema „Yogalehrer als Beruf(ung)“ ist doch unglaublich spannend und inspirierend. „Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Yogis mit ganz viel Herzblut an die Sache herangehen – was im Übrigen wunderbar und ehrenhaft ist – aber dann vergessen, was es bedeutet, wenn aus einer Leidenschaft ein Beruf wird und man plötzlich Geld verdienen muss.“ 

Im ersten Teil unseres Interviews habe ich mit Evelyn Schneider darüber gesprochen, wie wichtig der Gang zum Finanzamt ist und dass man sich vor den Themen Steuern und Versicherungen nicht scheuen sollte. Aber auch darüber, wie wichtig es ist, sich Ziele zu setzen. Und heute reden wir über … Geld!

Darf Yogaunterricht die Miete bezahlen?

Ist es denn wirklich so, dass viele Yogis glauben, sie erfüllten nicht die yogischen Leitlinien, wenn sie mit Yogaunterricht Geld verdienen? „Ja, irgendwie schon“, sagt Evelyn Schneider. Dabei sei das Quatsch. Die Nyjamas beziehen sich auf den Umgang mit uns selbst und sind dafür da, dass wir lernen, darauf zu achten, dass es auch uns selbst gut geht. „Ich kann nur Gutes an andere weitergeben, wenn es mir gut geht. Und dazu gehört heute nun mal, dass ich meine Miete zahlen kann und keine Angst vor dem Finanzamt haben muss“, sagt Evelyn Schneider. Wenn Du zu den Yogalehrern gehörst, die Schwierigkeiten damit haben, Geld für ihren Yogaunterricht zu nehmen, dann höre doch mal in den yogaeasy-Podcast „Yoga und Geld. Wieviel darf ein Yogi verdienen?“ mit Rebecca Randak. Auch wenn Yogalehrer vor 100 Jahren vielleicht kein Geld für ihren Unterricht genommen haben, dann durften sie zumindest bei ihren Schülern für Kost und Logis leben. Das wird häufig vergessen. In unserer Gesellschaft funktioniert dieses Prinzip aber nicht mehr. 

Keine Angst vor Steuern

Als ich „Der Leitfaden“ gelesen habe, musste ich über den Titel eines Kapitels sehr schmunzeln. „Hilfe, ich mache Gewinn“, hieß der. Das kam mir irgendwie bekannt vor. „Wenn du viel Geld verdienen willst, dann mach es doch“, sagt Evelyn Schneider stets zu ihren Kunden. „Ich erlebe immer wieder die Angst vorm Steuern zahlen. Aber hey, wenn du viele Steuern zahlen musst, hast du auch viel Geld verdient.“ Und Umsatzsteuer zahlen zu müssen, sei beispielsweise nichts schlechtes. „Rechne einfach immer mit den Nettobeträgen, dann musst du dir auch keine Sorgen um die Steuern machen“, sagt sie. Unser Gewinn ergibt sich aus dem Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben. Weil wir natürlich als Selbständige immer viele Ausgaben haben, ist es gar nicht so einfach, viel Gewinn zu machen. Doch bevor man mit der Selbständigkeit starte, sollte man sich einmal über die eigene Definition von Erfolg Gedanken machen. Erfolg könne ja alles mögliche bedeuten. Es kann auch für den einen etwas völlig anderes sein als für den anderen. Beispielsweise kann Erfolg sich über viel Geld definieren, genauso gut kann Erfolg aber auch bedeuten, 450 Euro zu verdienen und dafür viel wertvolle Zeit mit seinen Kindern und der Familie verbringen zu können.

Evelyn Schneider ist selbst Yogalehrerin und berät außerdem Menschen, die sich mit beratenden, therapeutischen und unterrichtenden Berufen selbstständig machen möchten. Dabei hilft sie unter anderem auch bei so komplizierten Themen wie Versicherungen deines Yogaretreats …

Überzeuge!

Auch wenn es um das Thema Marketing geht, würden sich Yogalehrer häufig schwer tun. „Der Gedanke von ‚Klinken putzen‘ fühlt sich erst mal nicht gut an. Yogalehrer verwechseln Marketing oft damit, sich anzubiedern. Es liegt nicht in der Natur vieler Yogis sich in den Vordergrund zu schieben und laut zu sagen, was für ein tolles Produkt sie haben. Dabei ist Yoga ein ganz tolles Produkt.“ Viele glauben, sie müssten erzählen, wie toll sie sind und kämen sich dabei blöd vor. Dabei muss das niemand. Das Produkt ist toll. Es gilt, nach vorne zu stellen, welchen Nutzen der Kunde von dem Produkt hat und nicht von dem Yogalehrer. „Der Kunde erkennt schon selbst, dass wir ihm helfen können, ein Bedürfnis zu stillen und das macht uns dann für ihn toll – ohne dass wir das an die große Glocke hängen müssen“, sagt Evelyn Schneider.

Outsourcing lohnt sich

Und womit verdient man nun mehr, mit dem eigenen Yogastudio oder dem unabhängigen Unterrichten in verschiedenen Studios und Institutionen? Diese Frage liesse sich nicht pauschal beantworten, sagt Evelyn Schneider. „Es gibt da wohl keine Quote. Ich glaube, es ist am wichtigsten, herauszufinden, womit man sich wohlfühlt und was einem liegt. In meiner eigenen Situation ist es beispielsweise so, dass ich unter gar keinen Umständen an einen speziellen Ort gebunden sein möchte. Mit einem eigenen Studio müsste ich das sein. Aber so hat jeder seine eigenen Prioritäten.“

Vergesse nicht Shavasana!

Ich finde das gerade auch deswegen wichtig, weil viele Yogalehrer zu Beginn ihrer Selbstständigkeit unheimlich euphorisch sind und gerade weil sie ihre Arbeit so lieben, ganz schnell ausbrennen. Yogalehrer machen häufig den Fehler, die eigene Praxis plötzlich hinten anzustellen und weniger Pausen zu machen als sie es ihren Schülern raten. Irgendwann spüren sie dann, dass sie sich übernommen haben, oder Gefahr laufen, dies zu tun. Um so wichtiger, Dinge abzugeben, die einen nur aufhalten. Stattdessen erlaube es dir, deine eigene Praxis ernst zu nehmen, deine Matte auch als Zufluchtsort zu sehen und dich manchmal einfach mal nur in Shavasana zu begeben.

Wenn du dir gerade überlegst, dich mit Yoga selbständig zu machen, dann denke daran, dass du schon ein wahnsinnig tolles Produkt hast. „Mit Yoga Geld zu verdienen, ist etwas Gutes“, sagt Evelyn Schneider. „Mit Drogen oder Waffenhandel Geld zu verdienen – das ist etwas Schlechtes.“ 

Evelyn Schneider hat auf Facebook die Gruppe „Erfolgreiche Selbstständigkeit als Yogalehrer/in“ gegründet, in der sie ganz kostenlos Informationen zu den Themen Selbstständigkeit, Finanzamt und Steuern und Versicherungen gibt. Du musst nichts weiter tun, als der Gruppe beizutreten. 

Selbstständig als Yogalehrer – Teil 1

Teil 1: Yogalehrer in der Selbstständigkeit: Was denn jetzt, Freiberufler oder Gewerbe?

Vor Corona war der Trend eindeutig: Immer mehr Menschen wollten in die Selbstständigkeit. Dem Wunsch nach selbstbestimmtem Leben und Selbstverwirklichung kamen auch immer mehr junge Menschen nach. Yogalehrer – dieser Beruf scheint für viele die Bedürfnisse von Freiheit und Eigenständigkeit zu erfüllen. Selbst in Bewegung bleiben, etwas tun, was man selbst liebt und wofür man brennt, frei darin sein, den eigenen Stil zu entwickeln – und obendrein mit der Arbeit Menschen ganz tief berühren – all diese Möglichkeiten stecken im Beruf des Yogalehrers. Es ist aber genau wie mit der Kunst – reich werden die allerwenigsten damit. Und besonders schade ist: Viele scheitern schon zu Beginn, weil sie in Sachen Rechtsformen, Steuern und Kalkulationen überfordert sind. Auch ich bin eigentlich viel zu spät auf den Gedanken gekommen, das Buch „Der Leitfaden. Ihr Wegweiser für alle unterrichtenden, beratenden und therapeutischen Berufe“ von Evelyn Schneider zu lesen. In diesem und dem nächsten Blogbeitrag gibt Evelyn Schneider Tipps und erklärt, wie wir die häufigsten Fehler vermeiden können.

Wer sich als Yogalehrer/in selbstständig machen möchte, sollte zunächst einmal wissen, dass es nicht schlimm ist, wenn Yoga die Miete bezahlt. Tatsächlich scheint das für viele Yogis ein Widerspruch zu sein. Evelyn Schneider ist selbst Yogalehrerin, vor allem aber berät sie. Nicht nur Yogalehrer sondern auch schon sehr lange in Unternehmen und in der Hotellerie. Das schafft eine tolle Verbindung zum Yoga, denn viele Yogalehrer brauchen auch Rat, wenn es um die Organisation und Abwicklung von Retreats geht. Beim BDY (Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V.) und der IFAA/Vinyasa Yoga Akademie gibt Evelyn Schneider regelmäßig Seminare zum Thema Selbstständigkeit als Yogalehrer. Meistens sitzen die Yogis dann weniger enthusiastisch im Raum als bei Pranayama oder Anatomie. Evelyn Schneider muss darüber ein wenig schmunzeln. „Als ich selbst in die Selbständigkeit bin, habe ich gemerkt, dass es gerade bei Yogalehrern oft eine große Unsicherheit gibt, wenn es um Zahlen, Finanzen und Versicherungen geht. Und wie viele andere Yogalehrer habe auch ich eben ein Helfersyndrom. Deswegen und auch, weil ich gerne die Themen Steuer und Finanzen so aufbereiten wollte, dass sie leicht zu verarbeiten sind, bin ich in diese Richtung gegangen.“

Klare Ziele

Yogini mit Helfersyndrom: Evelyn Schneider ist als Beraterin für Menschen, die in die Selbstständigkeit gehen und Hoteliers und Hotelbetriebe tätig.

Wer sich selbstständig machen möchte, sagt Evelyn Schneider – und das klingt natürlich erst einmal logisch – sollte sich über sein Ziel klar werden. „Wenn ich mich selbständig mache und erst mal kein richtiges Ziel verfolge, ist das genauso als würde ich mich in ein Taxi setzen, und dem Fahrer sagen, er solle einfach mal losfahren. Das kann teuer werden und kostet Zeit …“ Die fehlende Zielformulierung sei aber tatsächlich einer der häufigsten Fehler, wenn Yogalehrer sich selbständig machten. „Ein weiterer Fehler ist, dass der eigene Status nicht klar definiert ist. Die Rahmenbedingungen müssen klar sein. Und als nächster Fehler kommt dann häufig, dass vergessen wird, richtig zu kalkulieren. Viele Yogalehrer fragen herum, was die anderen für ihren Unterricht nehmen und orientieren sich an diesen Beispielen. Dabei vergessen sie, auszurechnen, was sie tatsächlich brauchen. Und dann vergessen viele, Geld beiseite zu legen, beispielsweise für die Steuern, die ja erst viel später fällig werden.“ 

Bevor ich mich selbstständig mache, sollte ich also wissen, was ich will. Will ich einen Minijob? Will oder muss ich wirklich davon leben? Reicht es mir aus, wenn ich Kleinunternehmer bin? Und reicht das auch in fünf Jahren aus? Wie sind in fünf Jahren meine Rahmenbedingungen? All das seien Fragen, über die Klarheit herrschen sollte. Mir persönlich hat dabei unter anderem die Folge des Endlich-Om-Podcasts „Wie schließen wir Frieden mit Kind und Karriere“ geholfen. Auch wenn ich nicht mit allem, was Katrin Wilkens im Interview mit Stefanie Luxat sagt, einer Meinung bin, hat mir diese Podcast-Folge auf jeden Fall bei der Formulierung meiner Zielsetzung Klarheit verschafft. Ebenso spannend ist die Folge von Heiliger Bimbam mit Franziska Schmid und der Frage „Wie findet man seine Berufung?“.

Gewerbe oder Freiberufler?

Es geht nicht nur Yogalehrern so: Das Thema Finanzamt ist den meisten Menschen unbequem. War auch bei mir so. Ich bin froh, dass ich einen Steuerberater gefunden habe, dem ich vertraue und der meiner Meinung nach, einen fantastischen Job macht. „Auf die Frage: Muss ich mich behördlich anmelden, bevor ich loslegen kann?, gibt es nur eine Antwort und die lautet: Ja!“, sagt Evelyn Schneider.

Will ich mich dort anmelden, stolpern wir häufig schon über das nächste Problem: Bin ich Freiberufler oder muss ich ein Gewerbe anmelden? Doch auch hier ist die Antwort eigentlich simpel: „Entscheidungshoheit hat immer das Finanzamt, es ist ein bisschen die Frage, wer sitzt da. Yogalehrer befinden sich ein wenig in einer Grauzone. Entscheidend darüber, ob ich Freiberufler bin oder ein Gewerbe anmelden muss, ist der Inhalt meiner Tätigkeit. Einzelunterricht wird beispielsweise oft nicht als unterrichtend definiert und ist dann nicht mehr freiberuflich. Es geht dabei eben um den Rahmen des ‚Unterrichts‘: Dieser findet üblicherweise in einer Gruppe (schulklassenartig) statt. Es ist aber auch eigentlich egal, denn ein Gewerbe anzumelden, ist nichts Schlimmes“, erklärt Evelyn Schneider. „Wenn ich zwei Dinge anbiete, die völlig losgelöst voneinander funktionieren, zum Beispiel Yoga unterrichten und Schuhe verkaufen, dann kann es sein, dass es Sinn macht, eines als Freiberuflichkeit laufen zu lassen und eines als Gewerbe. Dann brauche ich allerdings auch zwei unterschiedliche Steuernummern und muss auf jeden Fall auch getrennte Buchführung vornehmen. Wenn ich aber zwei Dinge anbiete, die sich nicht klar trennen lassen, wie zum Beispiel Yoga unterrichten und gesprochene Meditationen verkaufen, dann wird das Finanzamt mich generell als gewerblich einstufen. Und das ist genauso mit Online-Yogaunterricht.“ 

Ich erinnere mich noch daran, als ich mich selbstständig machte und feststellte, dass auf dem Gewerbeamt völlige Unklarheit herrschte. Das wiederum hat mich dann natürlich auch verwirrt. Die Dame, die mir gegenüber saß, war ganz irritiert, weil ich eben zwei verschiedene Dinge machte, zum einen war ich Yogalehrerin, zum anderen Journalistin. Für letzteres, das wusste ich, musste ich auf jeden Fall kein Gewerbe anmelden. „Ja“, sagt Evelyn Schneider lachend. „Das ist natürlich paradox aber man muss bedenken: Die Mitarbeitenden bei den Behörden haben es auch nicht so einfach mit der Vielzahl an Berufen, die es heute gibt. Da es auch noch jede Menge Mischformen gibt, wird es für die eben auch immer komplizierter. Daher ist es aber auch so wichtig, selbst sehr viel Sicherheit über das zu haben, was man anbieten möchte.“  Zu denken: „Ich habe gehört, ich bin Freiberufler als Yogalehrer und das Finanzamt hat gesagt …“ sei nicht der richtige Weg, erklärt sie. Korrekt hingegen sei es, sich beim Finanzamt zu melden und eine verbindliche Auskunft anzufordern. „Das kostet natürlich eine Gebühr und deswegen machen das die wenigsten. Aber nur, weil ich meine Steuererklärung jährlich abgebe und sich beim Finanzamt niemand wehrt, heißt das noch lange nicht, dass es richtig ist.“ 

Mit jedem Yogalehrer kann die Welt ein wenig besser werden …

Seien diese Dinge erst einmal geklärt, sei die Selbstständigkeit etwas sehr Schönes, ermutigt Evelyn Schneider. Yoga ist zudem ein tolles Produkt. Die Konkurrenz ist groß, aber der Bedarf auch ungebrochen. Auch in Zukunft werden immer mehr Menschen vermutlich auf den Gedanken kommen, etwas für sich und ihre Gesundheit zu tun – der Weg in den Yogaunterricht ist häufig der erste Schritt. Es wird noch mehr Möglichkeiten geben, sich zu spezialisieren. „Wenn ich die Frage nach dem Bedarf an Yogalehrern beantworten soll, sage ich gerne: the sky is the limit. Die Anwendbarkeit ist vielseitiger geworden, die Nachfrage steigt noch.“ Heute machten sich auch immer mehr junge Leute selbständig. „Corona hat diesen Trend vielleicht nun ein wenig durcheinandergewürfelt. Das lässt sich jetzt noch nicht sagen. Ich hoffe aber auch, dass das, was beispielsweise in der Schweiz stark verbreitet ist, sich auch hier durchsetzen wird und das sind mehr 60- oder 70-Prozent-Stellen. Die Unternehmen spüren den Fachkräftemangel und dass sich etwas ändern muss, um Mitarbeiterzufriedenheit zu erreichen.“ Unabhängig davon aber würde mit jedem, der sich mit Yoga beschäftigt, die Welt vielleicht ein bisschen besser, meint Evelyn Schneider.

Evelyn Schneider hat auf Facebook die Gruppe „Erfolgreiche Selbstständigkeit als Yogalehrer/in“ gegründet, in der sie ganz kostenlos Informationen zu den Themen Selbstständigkeit, Finanzamt und Steuern und Versicherungen gibt. Du musst nichts weiter tun, als der Gruppe beizutreten. 

Echtes Yoga, schlechtes Yoga

Ich sage immer: „Finde dein Yoga. Es muss ja nicht Yoga sein.“ Trotzdem finde ich Yoga oder das was wir heute darunter verstehen, wirklich richtig gut. Ich werde in diesem Beitrag nicht all die positiven Einflüsse, die eine regelmäßigen Yogapraxis auf uns hat, aufzählen (vielleicht mache ich das mal an anderer Stelle, es ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt und ich werde nicht müde, darüber zu reden und zu schreiben …). Was mich an der Yogaszene aber nervt, ist, dass vieles, was heute als „Yoga“ bezeichnet wird, von anderen Yogatreibenden belächelt wird. Es fällt mir immer wieder auf, dass Menschen Yoga in „echtes“ und „schlechtes“ Yoga unterteilen. 

Eine meiner schönsten Yogastunden habe ich auf dem Pazifik erlebt. Auf einem Stand-up-Paddle-Board. Dabei macht man Yoga auf einer Art Surfbrett, es ist wackelig. Wenn man die Augen schliesst, hört man das sanfte Plätschern der Wellen, manchmal das Kreischen einer Möwe. Ich fühlte die Wellenbewegungen unter meinem Körper und wenn ich beim Yoga eins mit der Natur war, dann garantiert in dieser Situation. Ich hatte Glücksgefühle. Sehr großen Spaß machte mir dann auch die Einheit auf einem ähnlichen Board – allerdings an Land. Es war ein Brett, dass das Stand-Up-Paddle-Board an Land simulieren sollte. In dieser Stunde in einem Fitness-Studio in Los Angeles lachte ich sehr viel. Beides, Yoga auf dem Stand-Up-Paddle-Board oder der Alternative an Land, ist eine wunderbare Erfindung. Das Indoor-Board, unter das man kleine Luftkissen schiebt, damit die Wellenbewegungen auf dem Wasser simuliert werden können, hilft gerade unbeweglichen Schülern eine massive Verbesserung der Flexibilität der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur und in der Schulter zu erreichen. Die Möglichkeit, sich beispielsweise in Lunge-Positionen oder Vorwärtsbeugen an etwas festhalten zu können – nämlich an dem Boardrand – und dabei aktiv zu spüren, wie man die Schulterblätter nach hinten unten schiebt, hilft den Übenden enorm. 

Ich bin froh, dass in Los Angeles Bryan Kest nach vielen Jahren Training in Hawaii und Mysore mit Power Yoga Santa Monica seinen eigenen Stil entwickelt hat. Aus diesem Stil haben sich dann wieder Stile entwickelt, Kest begeisterte Yogalehrer und -schüler in der ganzen Welt mit seiner kraftvollen Art Yoga zu praktizieren. Ich bin froh, dass Christopher Harrison, ein Akrobatik-Lehrer, seinen Athleten nur eine Möglichkeit bieten wollte, sich zwischen ihren Vorstellungen fit zu halten und deswegen Yoga mit dem Arbeitsgerät der Akrobaten, einem Tuch, das an der Decke hängt, entwickelte. Deswegen gibt es jetzt in jeder halbwegs größeren Stadt Anti-Gravity-Yoga. Ich finde es witzig, dass die amerikanische private Yoga-Kette Core Power Yoga Klassen anbietet, die Yoga Sculpt heißen. Die Teilnehmer verbinden dabei Yogaelemente mit Kurzhanteln. Danach schwitzen alle wie die Irren und ich habe Schüler selten so glückselig in Savasana erlebt, der Ruhestellung auf dem Rücken, die üblicherweise nach jeder Yogastunde praktiziert wird und vielen Schülern schwer fällt, weil sie sich wirklich auf sich selbst einlassen müssen. Mehrere Minuten ruhig liegen zu bleiben ohne dass etwas spannendes passiert – es scheint, als sei das eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – aber nach einer Stunde Yoga Sculpt liegen sie alle da wie platt gemacht und sind froh, dass sie sich ausruhen dürfen. Meine wunderbare Kollegin Steffi Rohr hat Bodega Moves erfunden, sie kombiniert Yoga mit Elementen aus dem Functional Training. Ein ähnliches Konzept steckt hinter athleticflow, der Kombination aus HIIT-Training und Yoga. Als ich in Kalifornien lebte, gab es „YAS“, eine Spinning-Stunde, die mit einer Yogaeinheit endete. Die Leute verausgabten sich eine halbe Stunde lang auf dem Fahrrad und rollten danach die Yogamatten aus.

Es gibt tausend weitere Beispiele für Yoga, das nicht viel mit dem Yoga zu tun hat, das vor 3000 Jahren in allerallererster Linie eine philosophische Lehre war. Das heißt aber nicht, dass es schlecht ist, dass es diese Arten von Yoga heute gibt und Yoga sich in unserer westlichen Welt zu einer Art Fitness-Konzept entwickelt hat. Im Gegenteil. Yoga ist etwas gelungen, woran die meisten Fitness-Konzepte scheitern. Es erfindet sich immer wieder neu und schafft es so, immer mehr Menschen zu begeistern. Und das ist gut in einer Zeit, in der sich der Mensch offensichtlich viel zu wenig bewegt. Dass Yoga viel mehr ist, als Bewegung und die eigentliche Lehre nicht viel mit dem Beherrschen von atemberaubenden Posen, die besonders auf Instagram einen guten Eindruck hinterlassen, zu tun hat, versteht sich von selbst. Wenn du Lust darauf hast, alle Facetten des Yoga kennenzulernen, ist das wunderbar. Und wenn du für dich dein Yoga gefunden hast, dann ist das auch wunderbar. Und niemand hat das Recht, zu urteilen, was richtig oder falsch an deinem Yoga ist. Wenn Yoga dich „bewegt“, hat es schon seinen Zweck erfüllt.

Namaste, Yogis.

Corona-Müdigkeit oder kein ganzer Sommer

Ich brauche einen Espresso. Das schreibe ich jetzt nicht nur so daher. Ich bin wirklich müde. Ich glaube, es geht vielen gerade so. Heute dürfen die Yogastudios in den meisten Bundesländern wieder öffnen. Was habe ich mich darauf gefreut! Und jetzt ist da plötzlich so eine Corona-Müdigkeit. Statt Frühjahrsmüdigkeit. Um den Frühling wurde ich ja dieses Jahr betrogen, den verbrachte ich in Quarantäne. Vielleicht nenne ich das deswegen jetzt Corona-Müdigkeit. Der Mensch passt sich erschreckend schnell an. Als am vergangenen Wochenende die Spielplätze öffneten, fragte ich mich, welcher Mensch über 18 tatsächlich freiwillig auf einen Spielplatz rennen würde. Ich jedenfalls nicht. Mit dem Yogastudio ist es ein bisschen anders. Ich finde es wirklich gut, dass die Studios öffnen. Aber trotzdem finde ich es auch ein bisschen seltsam, wenn ich dann da vor einer Yogaklasse stehe, sobald ich mich ein paar Meter bewege, den Mundschutz anziehen muss und statt zwischen meinen Schülern herumzulaufen, vermutlich nur eine Art Vorturnerin bin. Hands-on-Adjustments? Kannte knicken. Nackenmassage in Savasana? Wird es nicht geben. 

Vertraue deinen Fähigkeiten

Wir können als Yogalehrer natürlich trotzdem mehr als nur Vorturner sein, den Stunden mehr Qualität geben als Livestream-Yoga. Ich habe meinen Espresso nun getrunken und es geht mir schon wieder besser. Als Yogalehrer strahlst du etwas aus. Ohne es vielleicht zu merken. Da ist immer eine Energie im Raum, die auch etwas mit dir zu tun hat, wenn du unterrichtest. Diese Energie kann Großartiges bewirken. Bleibe du selbst und versuche nicht, deiner Stimme einen Klang zu geben, der nicht zu ihr gehört. Sei authentisch. Vielleicht kannst du dafür sorgen, dass deine Schüler Spannungen auf der Matte abbauen können. Und wenn du sie nicht so korrigieren kannst, wie du das gewöhnt bist oder warst – ist das erst mal egal. Schliesslich hat in den vergangenen Wochen auch niemand ständig an ihrer Körperhaltung rumgenölt. Es gab einen Grund, weshalb die Schüler vor Corona-Zeiten zu dir in den Unterricht kamen, es gibt auch einen, warum sie jetzt wiederkommen. Obwohl du sie nicht anfasst. Du allein bist einzigartig als Lehrer. Wenn du hinter dem stehst, was du unterrichtest, bist du gut in dem, was du tust. 

Neue Welt

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich am 13. März auf meiner Facebook-Seite einen Artikel von Fuckluckygohappy-Gründerin Rebecca Randak postete. Sie erklärte in dem Artikel – wie ich finde, sehr gut – wie wir nun Yoga üben können und ob wir noch in Studios gehen sollen oder nicht. Seit dem 13. März hat sich die Welt ein wenig verändert. Ich weiß noch, dass ich nur drei Tage bevor Rebecca Randak über Corona und Yoga schrieb, mit meiner Mutter am Telefon darüber gesprochen hatte, dass ich meine Yogaschüler selbstverständlich anfasste. Nun werde ich, wenn ich mich überhaupt dazu entscheide, in den nächsten Wochen zu unterrichten, mit gemischten Gefühlen ins Studio gehen. Ich meine, haben wir all das, was wir in den vergangenen Wochen und Monaten getan haben, nur gemacht, um dann einfach wieder weiter zu machen wie vorher?

Yogalehrer in der Pandemie

Ich möchte nicht, dass meine Kinder in Isolation aufwachsen. Ich möchte auch nicht, dass ich noch viel länger erklären muss, dass sie immer noch keine Freunde treffen können. Aber ich weiß auch irgendwie nicht, was überhaupt ist. Ich weiß nicht, wie lange man Dinge anders machen soll, bevor das Leben mit einem neuen Virus wieder normal weiterlaufen kann. Was ist überhaupt normal? War es vorher normal? Gibt es normal jemals wieder?Wahrscheinlich war es vorher ja auch nicht normal, nur glaubten wir das. Ich weiß nicht, ob ich Yogalehrer in der Pandemie sein will. Und dabei ist das natürlich Quatsch, schließlich sind ja auch gottlob Ärzte, Krankenschwestern, Physiotherapeuten in der Pandemie tätig. Die an allererster Front. Ich glaube nicht mal, dass ich Angst davor habe, krank zu werden. Ich bin einfach gerade in diesem Trott, der mir vorgibt, dass wir zuhause bleiben sollen. Habe ich mich einfach daran gewöhnt? Finde ich das etwa gut? Ich weiß es nicht. Ich werde wohl wieder anfangen müssen, zu unterrichten, um das herauszufinden. Aber vielleicht geht es dir ja ähnlich wie mir. Dann erzähl’s mir doch hier.