Schlagwort: Yogaunterricht

Yoga für alle? Echt jetzt?

Als ich in der vergangenen Woche einen Artikel zum Thema Sprache als Yogalehrer/in veröffentlicht habe, hatte ich nicht damit gerechnet, dass mich das Thema weiterhin so beschäftigen würde. Ich habe nämlich Zuschriften von Leserinnen bekommen, die mir schrieben, wie sie sich Yogaunterricht wünschten und mit welcher Realität sie im Yogastudio konfrontiert seien. Ich habe Schilderungen erhalten, die ich im ersten Moment für eine Parodie hielt. Doch es ist wohl die Realität: Das viel propagierte „Yoga für alle“ ist für die meisten unauffindbar. Und so komme ich zu der Frage: Wie können wir es schaffen, dass alle sich in unserem Unterricht willkommen fühlen (vorausgesetzt natürlich, dass wir das wollen …)?

Versteh mich nicht falsch. Am 27. Dezember, dem Sonntag nach Weihnachten, unterrichtete ich einen kraftvollen Flow mit vielen kräftigenden Körperhaltungen, ich platzierte Crunches, ließ meine Schüler/innen das Boot machen und wir absolvierten viele Planks. Das hatte ich aber im Vorfeld auch so beworben. Ich wollte einen Unterricht anbieten, der meine Schüler/innen nach den Feiertagen zu sich selbst brachte, sie erdete aber andererseits auch etwas mit einem Workout gemeinsam hatte. Du weißt schon: Das schlechte Gewissen wegen der Unmengen an Kalorien, den Plätzchen und der Lebkuchen … Das passte so für mich.

Anfänger: herzlich willkommen!

Wenn ein Anfänger unbedarft in eine Level-3-Stunde geht, darf er sich nicht wundern. Es wäre genauso als würde ich im Chinesisch-Sprachkurs mit der dritten Stufe starten. Macht kein Mensch. Aber was mir eine Leserin mitteilte, war etwas anderes: Sie fand sich in Stunden wieder, die als Anfänger-Stunden beworben wurden und dann wurde sie dennoch als Yogaanfänger vor den anderen bloßgestellt. Kam sie im Flow nicht hinterher, weil sie nicht wusste, wovon der Lehrer sprach, bekam sie müde lächelnde Blicke, statt Unterstützung. Müssten wir nicht gerade Anfänger herzlich willkommen heißen?

„Yoga ist kein Wettkampf“ – hm…

Es gibt einen gerne zitierten Spruch im Yoga: „Yoga ist kein Wettkampf.“ Genau. Das soll es auch nicht sein. Aber damit Yoga auch wirklich nicht zum Wettkampf wird,  muss sich jeder Lehrende in seiner Ausdrucksweise hinterfragen. Wenn ich immer nur diejenigen lobe, die jede Woche kommen und die sich bretzelartig verbiegen können, was macht das eigentlich mit denen, die nicht gelobt werden? Überlege dir, ob es wirklich so viel Sinn macht, einzelne Schüler/innen zu loben. Auch ich habe in meiner Yogalehrer-Ausbilung gelernt, dass wir viel loben sollen. Besonders die Amerikaner sind ja ein sehr „loborientiertes“ Volk, aber vielleicht führt das nur dazu, dass wir sehr massiv darauf bedacht sind, von anderen gelobt zu werden, statt unserer eigenen Intuition zu vertrauen, uns selbst schön zu finden, auch wenn wir das nicht ständig von anderen hören …? Worauf ich aber vor allem hinaus will: Warum wird eine biegsame langjährige Yogapraktizierende gelobt und ein muskulöser aber unbeweglicher Yogaanfänger belächelt? Ist es nicht so, dass die biegsame Yogapraktizierende sowieso schon von Yoga überzeugt ist, und es viel wichtiger wäre, diejenigen zu überzeugen, die noch schwanken, ob Yoga eigentlich das Richtige ist? Diejenigen, die immer wieder damit zu kämpfen haben, weil es für sie so hart ist. Ich will, dass die Yoga machen, die es am allermeisten brauchen. Und was macht es mit den Schülern, deren Namen wir uns nicht gemerkt haben, wenn wir die einen mit Namen ansprechen und die anderen nicht? Was macht es mit Anfängern, wenn die Fortgeschrittenen sie kritisch beäugen, ihnen bemitleidende Blicke zuwerfen, sich vor und nach der Stunde in waghalsige Asanas begeben ….?

Hilfsmittel sind vor allen Dingen clever

Was können wir als Lehrer tun, um zu erreichen, dass sich alle in unserem Unterricht wohlfühlen? Spreche mit deinen Schülern/innen. Lade sie zu Beginn der Stunde herzlich ein, heiße sie willkommen, frag sie nach ihrem Namen und – wenn du sie noch nicht kennst – nach ihren Yogaerfahrungen. Ermutige sie, während der Stunde auf ihren Körper zu hören. Und sage deinen Teilnehmenden, dass sie sich auf sich selbst konzentrieren sollten. Es ist nicht wichtig, was der Nebenmann/die Nebenfrau gerade macht. Lasse immer wieder deutlich werden, weshalb du was unterrichtest. Warum machen wir den Sonnengruß? Warum atmen wir durch die Nase? Und gib deinen Schülern/innen den Hinweis, dass Hilfsmittel zu nutzen, nichts Verwerfliches ist, im Gegenteil: es ist clever. Zeige ihnen, wie sie Hilfsmittel einsetzen können und dadurch ihre Arme und Beine künstlich verlängern. Ermutige Anfänger dazu, sich ihre Matte in der Nähe einer Wand auszurollen, und die Wand als Hilfsmittel bei Balancehaltungen nutzen zu dürfen. Erkläre, dass niemand gut oder schlecht im Yoga sein kann. Stattdessen können wir im Yoga üben und lernen, die Muskeln dehnfähiger werden zu lassen oder sie zu stärken. Wir können üben, die Atmung als Tool einzusetzen, auf das wir auch in unserem Alltag zurückgreifen können, … Beschreibe Variationen verschiedener Asanas und gib immer wieder die Möglichkeit, in ruhende Positionen wie den Herabschauenden Hund oder die Stellung des Kindes zu kommen. Es ist schön, ab und zu mal Sanskrit-Begriffe einfließen zu lassen, aber bedenke, dass die wenigsten Yogalehrenden ein Sanskrit-Studium absolviert haben, warum sollten es die Schüler/innen getan haben?!? Beispiel: Welcher Mensch kann schon etwas mit dem Begriff „Vrikshasana“ anfangen, dabei kommt diese Asana in nahezu jeder Anfänger-Stunde vor. Benutze die deutschen Bezeichnungen, es sei denn, deine Klasse wird von vielen Menschen besucht, die kein Deutsch verstehen. Aber dann macht es vielleicht eher Sinn, englische Begriffe zu verwenden …

Was will ich geben?

Zunächst einmal ist es das Wichtigste, dass wir für uns selbst definieren, was wir unseren Schülern/innen geben möchten. Und ich habe für mich da eine klare Definition gefunden: Ich möchte sie stark machen (nicht immer und unbedingt auf physischer Ebene) und ich will ihnen etwas mehr Ruhe schenken. Und das geht nicht, in dem ich sie vor anderen bloßstelle oder ihnen erläutere, dass ihre Version von Chaturanga nicht die Richtige ist. In einem Interview mit der Mentaltrainerin Christine J. Bauer, das ich für mein neues Buch geführt habe, erzählte sie mir, dass in ihren Trainings häufig Menschen sitzen, die ihr sagen, dass sie gerne ihre wahnsinnige Angst vorm Sprechen vor Menschengruppen besiegen würden. Meistens kommt heraus, dass diese Angst aus der Schulzeit kommt. Irgendein Lehrer hatte sie vor der Klasse bloßgestellt. Und ich frage mich, woher kommt das eigentlich, dass wir/Pädagogen glaub(t)en, wir müssten andere schwächen, um sie stärker zu machen?

Weißt du, was du lehrst?

Und deswegen also die Frage: Was willst du als Yogalehrer deinen Schülern/innen geben? Als Sportwissenschaftlerin lege ich viel Wert auf die Ausrichtung in den Asanas. Vor allen Dingen, damit sich meine Schüler/innen nicht verletzen und damit sie die Effekte der Übung auf beste Möglichkeit spüren können. Aber Körper sind verschieden und das muss man als Lehrer/in immer im Blick behalten. Als Yogalehrende haben wir vieles über Ausrichtung gelernt, ohne es zu hinterfragen. „Spanne in der Schulterbrücke die Oberschenkelmuskulatur an, aber entspanne dein Gesäß“, ist ein Hinweis, den ich häufig höre. Aber warum? Macht das Sinn? Wenn wir genau hinschauen, brauchen wir den Glutens Maximus um unsere Hüfte dahin zu bringen, wo wir sie in der Schulterbrücke haben wollen. Und ist es überhaupt in irgendeiner Form schlecht, den Glutens Maximus zu stärken – ich denke nur mal an die immer wieder kommende Sommersaison? 😉 Also, sei dir stets bewusst, wenn du etwas unterrichtest, warum du das unterrichtest.

Und wenn ich zum Yoga gehe, brauche ich kein Boot Camp. Wobei ich auch Boot Camps keinesfalls ihre Berechtigung abschreiben möchte. Aber im Yoga? In dem Studio, in dem ich meine erste Ausbildung absolviert habe, gab es eine Unterrichtsstunde, die hieß Yoga Sculpt. Es gab einen Korb, in dem sich ein bis drei Kilogramm schwere Kurzhanteln befanden, und man durfte sich seine Kurzhanteln heraussuchen, bevor es auf die Matte ging. Dann wurden Yogahaltungen im Flow mit Kurzhanteln absolviert. Ich habe gar nichts gegen solche Yoga-Spielarten. Denn im Grunde war das eine gute Idee. Es ging nämlich darum, denjenigen, die nur Lust auf Yoga hatten, ein bisschen Krafttraining unterzujubeln. Es hat also so ziemlich alles seine Berechtigung (außer vielleicht Bier-Yoga …). Ich finde nur, es muss immer vorher klar sein, was der Sinn der Praxis ist. Andere stark machen. Auf psychischer Ebene mag Boot Camp Style im Yogaunterricht da nicht das Richtige sein, auch wenn es sich im ersten Moment vielleicht passend anhört. Aber ohnehin stellt sich die Frage, warum der Mensch manchmal gemein sein möchte? Wir meinen vielleicht, dass wir uns dadurch stärker machen, aber in Wahrheit sind wir in solchen Momenten doch nur selber schwach, oder?

Yogalehrer/innen – Wie wir sprechen

Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung für Weiterbildungen für Yogalehrende. Alle genannten Fortbildungen empfehle ich hier guten Gewissens und ohne dafür bezahlt zu werden.

Als ich begann, über diesen Blog nachzudenken und mir einen Namen für meine Webseite überlegte, stand dem Coffee Drinking Yogi zunächst noch ein anderer Begriff gegenüber. Chakra Number Five. Ich weiß nicht warum, aber ich habe eine besondere Beziehung zum fünften Chakra, dem Kehlkopfchakra oder auch Vishuddha Chakra. Nicht dass ich denke, dass es immer ausgeglichen ist – im Gegenteil. Aber es ist das Chakra, dessen Optimierung ein besonderes Ziel meiner Yogapraxis ist. Vielleicht weil mein erster Beruf Journalistin war und ich immer noch mit dem Schreiben, also Worten, Geld verdiene. Worte sind für mich etwas Besonderes, auch wenn ich mir bewusst darüber bin, dass es viele verschiedene Arten der Kommunikation gibt. Ich weiß aber auch über die Macht der Worte, ich weiß, was Worte anrichten können und ich glaube, dass ich häufig merke, wenn ich meine Worte fälschlich eingesetzt habe. Das fünfte Chakra hat aber auch etwas mit Zuhören zu tun, auch darin übe ich mich noch. Das fünfte Chakra in Einklang zu bringen, finde ich erstrebenswerter als das siebte. Sie bedingen ja auch einander. Aber trotzdem: Für mein „irdisches“ Sein macht es mehr Sinn, die Optimierung des fünften Chakras anzustreben, als so ein hohes Ziel, wie das eines ausgeglichenen Kronenchakras überhaupt für mich in Anspruch zu nehmen. So sehe ich das. Den Namen Chakra Number Five fand ich dann deswegen lustig, weil ich mich dabei an den Song „Mambo No. 5“ von Lou Bega erinnert fühlte. Dieses verrückte Lied, das nicht mit meinem Musikgeschmack zu vereinbaren ist, avancierte einen Sommer lang zum Gute-Laune-Hit der Nation. Es war 1999, ausgerechnet auch der Sommer, als ich mein Abitur gemacht hatte … Also, wenn du noch auf der Suche nach einem guten Namen für deinen Yogablog bist: bitteschön, gern geschehen.

Wie wir als Yogalehrer Sprache einsetzen

Und als Yogalehrer? Wie sollen, dürfen wir Sprache eigentlich einsetzen? Für mich hat es sehr viel mit dem Vishuddha Chakra zu tun. Das Thema kommt in der Yogalehrer-Ausbildung häufig zu kurz, die Zeit ist ja auch viel zu knapp. Deswegen macht es Sinn, sich nach Abschluss der Ausbildung mit diesem so wichtigen Bereich unserer Arbeit auseinanderzusetzen. Es gibt dazu auch tolle Ausbildungen und Workshops, beispielsweise „Articulate“ von Annika Isterling oder das Sprech-, Ausdruck- und Rhetoriktraining mit Johanna von Löchtern bei Pureyoga Ludwigsburg (übrigens vermutlich das letzte Sprachtraining für Yogalehrer, das sie auf diese Art anbieten wird!). Evelyn Schneider von yoga:yes bietet mit „Didaktik als Yogalehrer – Die Macht der Worte“ einen interaktiven Online-Kurs mit freier Zeiteinteilung an.   

Die Sprache ist beim Yogaunterricht nahezu das wichtigste Tool. Nur über sie können wir transportieren, was unsere Schüler tun sollen, sie in eine Haltung bringen aber vor allem doch auch in einen Zustand: nämlich den Zustand des Eins-mit-sich-Seins. Das transportieren wir über Worte, Gesten, unsere Haltung. Wir wollen als Yogalehrende nicht, dass unsere Schüler/innen uns permanent beobachten müssen, denn dann können sie sich kaum auf den eigenen Körper einlassen. Demnach ist das gesprochene Wort also auch sehr wichtig für Yogalehrer/innen.

Die Beziehung „Sender und Empfänger“

Es ist wichtig, was der Empfänger versteht und als Sender – und das ist der/die Yogalehrer/in  – hat man die Verantwortung dafür. Natürlich liegt es dann auch wieder am Empfänger, also den Schülern/innen, was verstanden wird. Aber das können wir deutlich beeinflussen, egal, in welchem Zustand unsere Teilnehmenden zur Stunde erschienen sind. Niemand kann wissen, mit welchen Sorgen oder Freuden unsere Teilnehmenden gerade in unsere Stunde kommen, aber es liegt an uns, wie sie den Raum wieder verlassen. Wenn du dich fragst, wie du deinem Yogaunterricht mehr Tiefe geben kannst, dann stell dir die Frage, was du eigentlich wirklich deinen Schülern/innen mitgeben möchtest. Wie sollen sie den Unterrichtsraum verlassen?

Fünf Tipps für deine Kommunikation im Yogaunterricht

Hier kommen fünf Tipps, wie deine Kommunikation im Yogaunterricht klarer werden kann und deine Stunden durch die Macht der Worte einen tieferen Sinn bekommen können. 

  1. Sei dir bewusst, dass Beziehung immer vor Inhalt geht. Manche Menschen passen einfach nicht zusammen, egal wie toll die Inhalte sind, die sie transportieren. Das hast du sicher auch schon selbst während einer Yogastunde gespürt. Ein toller Lehrer, eine gut geplante und durchdachte Sequenz – und trotzdem, irgendwie konnte der Lehrer dich nicht überzeugen. Das ist in Ordnung und ganz normal. Und deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn du gewisse Schüler/innen nicht überzeugen kannst. Bleibe authentisch. Vertraue auf deine Wahrnehmung. Am wichtigsten ist, dass du weißt, was du deinen Schülern/in geben möchtest. Und dann beginne, auf deine Wortwahl zu achten. Wähle deine Worte achtsam und sei dir bewusst, dass du Menschen verschiedenster Herkunft, Kultur, Geschlechter, Körper und Stimmungen vor dir hast.
  2. Achte nicht nur auf das gesprochene Wort sondern auch auf deine Körpersprache. Wichtig ist, dass wir uns mit dem, was wir unseren Schülern/innen weitergeben möchten, assoziieren können. Das heißt, ich muss selbst verkörpern, was ich weitergeben möchte. Stell dir vor, dein Lehrer oder deine Lehrerin steht mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und kaut auch noch lässig auf einem Kaugummi herum. Damit würde er oder sie sich aus der Situation herausziehen, eine teilnahmslose Haltung assoziieren und den Teilnehmenden wohl kaum helfen, sich in die richtige Stimmung zu begeben. Stattdessen kannst du als Lehrer/in mit den Schülern/innen mitatmen, die Hände mit dem Einatmen heben und dem Ausatmen senken, dich mit der Einatmung aufrichten und beim Unterrichten nicht die Schultern hängen lassen, sondern bewusst deine Präsenz zeigen.
  3. Achte auf deine Stimme. Eine hohe Stimme vermittelt häufig Panik, Kurzatmigkeit. Eine tiefe Stimme strahlt Erdung, Gelassenheit und Ruhe aus. Das ist besonders für Frauen eine Herausforderung, aber sei dir bewusst: Stimmtraining kann vieles bewirken. Jeder Mensch kann sein volles Stimmpotenzial erfahren, erlernen und ausnutzen. 
  4. Sei positiv! Sprich davon, was deine Teilnehmenden dürfen und können, statt darüber, was sie nicht dürfen, nicht können oder müssen …
  5. Zuletzt möchte ich dir diesen Text von Ulrike Schäfer von Fuck Lucky Go Happy ans Herz legen. Ich habe daraus sehr viel gelernt und meine Lehrer-Sprache komplett hinterfragt. Mich auch gefragt, welche Menschen ich mit meinem Stil wohl anspreche und welche nicht. Und ob ich daran etwas ändern will und wenn ja, was.

Ich freue mich auf die Zeit, in der ich nicht weiterhin während ich Asanas „vorturne“, ins Mikro hecheln muss, sondern wieder durch den Raum wandern, meine Schüler berühren darf, sie sehen kann und ihre Atmung höre. Du auch?