Schlagwort: Zeit

Lauschangriff und Lesestoff vom 19. März 2021

In der vergangenen Woche habe ich das Interview gelesen, das Teresa Bücker mit der Psychologin Taniesha Burke für das SZ-Magazin geführt hat. Das Thema: Wie können wir unsere Kinder bestmöglich durch diese Pandemie begleiten? Das Gute im Schlechten suchen – das ist ein Gedanke, den ich mir Ende des vergangenen Jahres ganz bewusst vorgenommen habe. Ich hätte auch gut ohne Covid-19 leben können, na klar, aber es gibt ganz bestimmt auch Dinge, die ich ohne diese Pandemie nicht so intensiv erfahren hätte. Dazu zählt auch Nähe. Zeit für und mit meinen Kindern.

Immer wieder treffe ich (fremde) Menschen, die mir beim Anblick meiner (noch kleinen) Kinder sagen: »Ach, sie werden so schnell groß!« Und deswegen bin ich dankbar für die intensive gemeinsame Zeit. »Wenn wir uns jetzt auf die Beziehung zu unseren Kindern konzentrieren, werden sie in ein paar Jahren oder Jahrzehnten an die Pandemie zurückdenken und sich ganz besonders und gern an die Zeit erinnern, die sie mit ihren Eltern verbracht haben«, sagt Taniesha Burke in diesem Interview. Ach, sie spricht mir so aus der Seele …

Die Richtung ändern …

In dieser Woche bin ich über drei Blogartikel gestolpert. Der eine ist von Lisa, sie macht gerade eine Yogalehrer-Ausbildung und schreibt darin sehr schön und durchaus unterhaltsam von ihren Erfahrungen. Da kommen alte Erinnerungen an die erste Yogalehrer-Ausbildung tatsächlich wieder auf. Wie Lisa, Anfang 30, viel gearbeitet, Karriereträumen und -erwartungen hinterhergehetzt, geht es ja vielen, die plötzlich den tieferen Sinn des Lebens suchen und sich dann in einer Yogalehrer-Ausbildung wiederfinden. Wir ändern häufig die Richtung in unserem Leben und das ist auch gut so. Dass ich mit 24 andere Vorstellungen von meinem Leben hatte als jetzt mit fast 42 ist irgendwie logisch. Ich weiß nicht wieso, aber immer noch werden Kinder so erzogen, dass sie spätestens zum Ende ihrer Schulzeit wissen sollen, was sie mal werden wollen und wohin die Reise gehen soll. Ich habe schon häufig junge Menschen getroffen, die völlig zerrissen kurz vor Beginn ihres Berufslebens nach der richten Entscheidung lechzten: Doch lieber eine Ausbildung? Ein Studium? Erst mal reisen? Oder ist Geld verdienen doch wichtiger? Ich kann da nur empfehlen: höre einfach mal auf das Bauchgefühl. Wofür brennst du? Und wenn du jetzt in eine Richtung gehst und irgendwann in eine andere ist das völlig in Ordnung. Denn das bist dann DU.

Mama- und Montagmorgen-Liebe

Ich bin dankbar für jeden Schritt meines Lebens. Mit sechs Jahren dachte ich, ich würde Romane schreiben wenn ich groß bin – ich bin weder groß geworden, noch habe ich einen einzigen Roman geschrieben. Mit zwölf war ich dann bei Journalistin angekommen. Diesen Weg habe ich sogar verfolgt und dabei viele besonders schöne und einzigartige Erfahrungen gemacht. Mit Ende 20 wusste ich, dass ich, obwohl ich das gerne gewollt hätte, nicht die Eier in der Hose habe, um richtigen investigativen Journalismus zu betreiben, sprich dahin zu gehen, wo es wehtut, wo ich unangenehme Fragen stellen und unangenehme Antworten bekommen muss. Das war eine Erkenntnis, die ich ganz klar so treffen konnte. Es hat nicht mal besonders wehgetan. Ich wollte aber auch keinen Kuscheljournalismus und so ist jeder Schritt meines Lebenslaufs eigentlich nachvollziehbar. Ich verabschiedete mich mehr und mehr vom Journalismus und wurde zur Texterin und Autorin. Und eben auch zur Yogalehrerin. Und alles passt zusammen. Das absolvierte Studium der Sportwissenschaften hilft mir heute ungemein beim Yogaunterricht. Die journalistische Erfahrung hat mich zur Buchautorin gemacht. Und dann kamen die Kinder und der klare Gedanke: Karriere ist mir wirklich nicht so wichtig. Ich liebe es, Mama zu sein. Dabei liebe ich aber auch jeden Montagmorgen, wenn ich hier alle aus dem Haus schicken kann und endlich alleine bin. Zeit habe, kreativ zu sein …

Graue Haare

Ich habe einen weiteren Blogartikel gefunden, der sich mit einem ganz anderen Thema beschäftigt, aber mich dann wieder zu dem von Lisa hingeführt hat. Nämlich den von Iris. Sie beschäftigte sich mit der Frage: Killen graue Haare das Business von Frauen? Graue Haare habe ich auch schon. Ich kann sie fast noch zählen, es werden mehr und ich habe leider nicht so Lust auf Färben. Dafür bin ich schon zu sehr Ökotante. Vielleicht hast du einen Tipp für mich. Vielleicht färb ich irgendwann mal wieder. Egal. Gerade ist es nicht so wichtig, denn es sieht mich ja kaum jemand. Generell behaupte ich ja, dass ich in dem letzten Jahr gefühlt um fünf Jahre gealtert bin. Optisch trifft das doch garantiert zu. Diese Pandemüdigkeit hat jedenfalls nichts zu meiner Schönheit beigetragen. Ich bin dann aber natürlich sofort auf den Podcast von Greta Silver gehüpft. In der aktuellen Folge geht es nämlich darum: „Welche Arbeit passt zu dir?“ Und während ich dem Podcast lauschte, dachte ich, „Manno Mann, ich muss doch mal wieder Momo lesen. Da sind all die Weisheiten vereint, die wir uns heute mühselig aus dem Yoga Sutra raussuchen …“

Und dann war da natürlich noch der hier. In dem Beitrag „Happy Birthday, Corona“ schreibt Judith sehr persönlich und ehrlich, wie sie die letzten 365 Tage erlebt hat. Was gut war, was schlecht war und weshalb Rückzug und Abstand Dinge sind, die sie künftig gerne wieder freiwillig planen würde.

Und nun die Frage des Tages: Werde ich drumherum kommen, am Wochenende diese veganen und glutenfreien Brownies auszuprobieren …oder zumindest eine Variante davon? Hmmmm, lass mich mal raten …

Die Espresso-Meditation

So langsam fühlt sich der Lockdown an, als wolle er nie enden. Wie kommt man da durch, wenn egal wo im Raum ich mich befinde, die Perspektive unauffindbar scheint? Einmal am Tag alles auf den Kopf stellen, hilft. Aber die Perspektive habe ich dann immer noch nicht gefunden. Nur am Dienstagabend, da hatte man für einen kurzen Moment das Gefühl, der ganze Planet würde tanzen …

Eine halbe Stunde im Lotussitz …

Ich erinnere mich noch daran, als ich meiner Atemlehrerin erzählte, ich hätte – ungefähr als meine jüngste Tochter ein knappes Jahr alt war – das dringende Bedürfnis gehabt, Meditationen wieder in meinen Alltag zu bauen. Jeden Morgen, am liebsten eine halbe Stunde – so hatte ich mir das vorgestellt. Was soll ich sagen, dieses Projekt ging völlig schief. Es war immer was. Ein Kind krank, eins beim Weinen, dann wollte ich in vier Stunden ohne Kinder immer siebenhundert Termine packen. Uhh, für die Meditation war ich da einfach zu gestresst 😉 Keine Zeit. Meine Lehrerin lachte herzlich darüber. Es scheint ein Klassiker zu sein. Wer bringt uns auch schon bei, dass Meditation eigentlich überall und nahezu jederzeit möglich ist? Dass wir keine halbe Stunde brauchen, um uns daran erinnern zu können, achtsam mit uns selbst oder anderen umzugehen? Und dass sie auf gar keinen Fall dazu führen soll, dass wir uns noch gestresster fühlen als wir uns ohnehin schon fühlen. Ich stelle mir es bildlich vor, wie ich jammernd bei einer Therapeutin sitze und ihr erzähle: „Täglich meditieren zu wolle, setzt mich so wahnsinnig unter Druck …“ Die weitläufige (westliche) Vorstellung von Meditation beinhaltet das Sitzen im Lotussitz (alleine daran würden ja schon 99,9 Prozent der Menschheit scheitern) während mindestens einer halben Stunde. Etwas anderes ist Meditation in unseren Köpfen zunächst einmal nicht. Dabei hat doch schon jemand versucht, es uns sehr früh beizubringen: Beppo Straßenkehrer aus dem Buch Momo: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muß nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten (…) Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“ Das sagte er, und es hieß nichts anderes als tue etwas achtsam und es ist Meditation (und der Schlüssel zum Glück nebenbei).

Meditation wie ein Espresso

Es ist noch nicht lange her, da hörte ich das erste Mal etwas von der (Achtung fancy inszenierter Name!) Instant Meditation. Wie Instant Kaffee. Nur besser eben. Instant Meditation bedeutet, „mehrmals am Tag in unseren Aktivitäten innezuhalten und mit wohlwollendem Interesse bei uns selbst vorbeizuschauen“, schreibt Lienhard Valentin in dem Buch achtsamkeit. mitten im leben (Hg: Britta Hölzel und Christine Brähler). Das kann man – ja müssen wir sogar – lernen. Es geht dabei eigentlich nur darum, die Aktivität, die man gerade ausübt, für einen kurzen Moment zu stoppen, innezuhalten und sich wirklich ernsthaft die Frage zu stellen, wie es uns gerade geht. Wenn wir merken, dass wir angespannt sind, lautet die nächste Frage, wie wir uns dabei helfen können, diese Anspannung im besten Fall zu lösen, oder uns selbst so zu unterstützen, dass unsere Anspannung uns nicht im nächsten Moment komplett aus der Fassung bringt.

Post-it nicht vergessen!

Ich habe es mir wirklich angewöhnt, mich daran zu erinnern, dass ich überall und nahezu in jeder Körperhaltung tief in meinen Bauchraum atmen kann. Das genügt manchmal schon, dem aufkommenden Wutanfall einer Fünfjährigen standzuhalten. Oder besser gesagt: ihr dann auf Augenhöhe zu begegnen statt als genervter Erwachsener. In dem Buch Mind Gym habe ich gelesen, dass Motivationscoach Gary Mack seinen Topathleten den Rat gegeben hat, sich orangefarbene Sticker mit der Aufschrift „Breathe and Focus“ überall hin zu kleben. Ein Hockeyspieler klebte sie beispielsweise auf den Schläger, ein Baseballspieler klebte ihn unter den Schirm seiner Kappe … Ich glaube, für den Rest des Lockdowns mache ich mir Post-its mit den Hinweisen: „Einatmen. Ausatmen.“ und „Wie geht es mir?“

Wie hilfreich wäre es gerade jetzt, wenn wir die Instant-Meditation verinnerlicht hätten? So schwer ist das ja nicht. Wir müssen uns lediglich daran erinnern, dass wir uns die Frage „Wie geht es mir?“ mehrmals täglich stellen dürfen. Wie wohltuend es ist, tief ein- und auszuatmen. Und dass es nicht verwerflich ist, wenn wir darauf achten, dass es uns gut geht, denn nur dann können wir auch wirklich anderen Gutes tun.

Aparigraha und Weihnachten

Ich gebe es gleich zu, ich liebe Weihnachten. Ich freue mich auch jedes Jahr auf die Adventszeit. Die Magie, die von Weihnachten und den letzten Wochen des Jahres ausging als ich ein Kind war, ist nicht verlorengegangen. Seit ich Mama bin hat Weihnachten wieder einen ganz besonderen Zauber. Ich mochte die Adventszeit mit ihren Lichtern, ihrer Gemütlichkeit, die dem Winter etwas Besonderes gab, dazu führte, das Jahreszeiten ihren Reiz hatten, schon als Kind. Der Winter war irgendwie schön, und Weihnachten machte ihn besonders. Es gibt diese eiskalten Wintertage, wenn der Duft von Kaminfeuer in der Luft liegt – noch heute riecht das für mich wie Weihnachten – auch wenn Weihnachten in den letzten Jahren eher 13 Grad und Regen bedeutete … 

Natürlich ging es als Kind vor allem um den Zauber der Geschenke, die Überraschungen. Was würde wohl unterm Baum liegen? Ich weiß, dass es manchmal enttäuschte Gesichter gab und dass an Weihnachten auch immer Erwartungen geknüpft waren. Als wir nach und nach alle erwachsen wurden, wurden die Geschenke weniger wichtig, stattdessen wuchs die Bedeutung des Zusammenseins. Weihnachten bedeutete, dass wir uns alle im Haus meiner Eltern trafen und Zeit füreinander hatten, nicht nur zusammen zu Abend aßen sondern auch nach dem Ausschlafen gemeinsam frühstückten. Weihnachten bedeutete Rumlungern ohne Reue. Spazieren zu gehen. Es sich gemütlich zu machen. Mittlerweile feiern wir nur noch alle zwei Jahre bei meinen Eltern. Die Jahre dazwischen in Dänemark, bei der Familie meines Mannes. Dort gibt es schon länger die Regel: Geschenke sind eigentlich für die Kinder. So gibt es also nur alle zwei Jahre Geschenke. Was soll ich sagen, dieses Jahr wären eigentlich Geschenke dran – nun ist das mit dem Reisen ja etwas schwierig zurzeit. Fakt ist: Ich habe noch nicht entschieden, wie unser Weihnachten 2020 ablaufen soll. 

In meiner Familie ist es eine Tradition vor Weihnachten Wunschzettel zu schreiben. Nicht nur die Kinder. Mittlerweile ist das zum Teil richtig anstrengend geworden, die Wunschzettel sind ein großes Thema, an Weihnachten werden sie genau durchdiskutiert, manchmal sogar bewertet und es ist schon wichtig, dass man sich beim Erstellen auch Mühe gibt; zum Teil werden sie mit InDesign erstellt. Danach schön ’ne PDF gemacht. In Wahrheit ist es nicht wichtig, dass am Ende auch wirklich etwas unterm Baum liegt, das auf dem Wunschzettel stand. Es geht vielmehr darum, es den anderen nicht so schwer zu machen; ihnen eine Idee zu geben, worüber man sich freuen würde. Als Erwachsene habe ich gelernt, Erwartungen loszulassen und die Geschenke sind wirklich – ich schwör’! – nicht mehr wichtig für mich. Trotzdem finde ich, dürfen wir uns auch als Yogis über Geschenke freuen. Für mich stehen Aparigraha (Bescheidenheit), eines der fünf Yamas, der ethischen Regeln, die sich auf unser soziales Leben und unseren Umgang mit der Umwelt beziehen, und das Annehmen von Geschenken nicht im Gegensatz zueinander. Aparigraha soll uns lehren, dass überflüssiger Besitz wahnsinnig machen kann. Horten ist, wie wir ja alle im Zuge der Covid-19-Pandemie erfahren und zum Teil vielleicht sogar gespürt haben, ziemlich egoistisch. Bei diesem Prinzip geht es darum, loslassen zu können, überflüssigen Konsum zu vermeiden, aber auch Menschen und Situationen freilassen zu können. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass wir uns auch als Yogis über materielle Dinge freuen dürfen. Die Frage ist, in welchem Maß uns diese Dinge wichtig sind. Glauben wir, Frieden in ihnen zu finden?  Dann werden wir den Frieden vermutlich lange suchen. Ich kann mich sehr wohl über ein schönes Geschenk freuen, ich weiß aber, dass dieses Geschenk mich nicht wirklich glücklicher machen wird. Wenn wir etwas Materielles unbedingt wollen, sollten wir vielleicht hinterfragen, warum wir es unbedingt wollen. Materielle Dinge machen uns als Menschen nicht wertvoller, sie können Freude machen. 

Geschenke, die mit Liebe ausgesucht wurden, anzunehmen, ist etwas Schönes. Genauso schön finde ich es, andere zu beschenken! Ist das mittlerweile nicht fast schöner als selbst Geschenke auszupacken? Das Einpacken vor Heilig’ Abend macht doch mehr Spaß als das Auspacken. Weil man sich so schön ausmalen kann, wie man jemand anderem eine Freude bereitet. Trotzdem renne ich nicht durch den Advent wie eine Irre, um Geschenke zu besorgen. Schon gar nicht in diesem Jahr. Advent heißt Ankunft. Ich will sie nicht verpassen. Ich will nicht an Weihnachten denken, dass die Adventszeit an mir vorbeigerauscht ist, weil ich ständig das Gefühl hatte noch dringend irgendetwas erledigen zu müssen. Gestern war Black Friday,  diese amerikanische Erfindung am Tag nach Thanksgiving. Ich habe gar nichts bestellt. Ich brauchte nichts. Nicht einem Rabatt hinterherjagen, der in Wirklichkeit gar keiner ist, weil ich ohne Black Friday vielleicht gar nicht den Gedanken gehabt hätte, etwas zu kaufen …

Ich bin in meinem Konsumverhalten entspannt geworden. Ich versuche, nachhaltig zu sein. Das gelingt mir nicht immer, vor allem nicht bei den Geschenken für die Kinder. Viel zu viel Plastik. Dafür aber bei Kleidung. Meine Jeans (und mittlerweile viele anderen Sachen auch) kaufe ich meistens gebraucht, weil ich weiß, wie unfassbar umweltbelastend die Herstellung ist. Ich schaue schon mal nach, wie Unternehmen wirtschaften, wie sie Waren herstellen, wie sie mit dem Geld, das ich ihnen überweise, umgehen, bevor ich was bestelle. Ich definiere mich nicht über mein Auto. Vor allem aber:  Ich bin auch nicht neidisch auf diejenigen, die ein besonders teures fahren. Für mich bedeutet Aparigraha in erster Linie ohne Neid und Gier zu leben. Aparigraha heißt für mich, dass wir uns nicht kaufen lassen dürfen – und natürlich auch andere mit unseren Geschenken nicht kaufen sollen. Es gibt ja auch noch einen großen Unterschied zwischen Gier und der reinen Lust und Freude auf etwas.  Ich hoffe, du genießt es dieses Jahr, beschenkt zu werden und vor allem, andere zu beschenken. Und falls du dir über Aparigraha Gedanken gemacht haben solltest, relax! Das Jahr war anstrengend genug. Wir haben es verdient, zu genießen. Hab einen schönen ersten Advent!

 

Meditation – so gelingt das

Auf dem Blog ohhhmhhh habe ich diesen Text gelesen:  „Nu hört doch mal auf“ hieß der. Und „wir zeigen der Morgenroutine den Mittelfinger“. Der Text kam gerade recht. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine noch nicht ganz einjährige Tochter und eine Dreijährige. Ich hatte aber auch den Eindruck, unbedingt meditieren zu müssen, um alles zu schaffen, was ich so schaffen will, um meine „Yogapraxis“ auf die richtige Ebene zu bringen und überhaupt wollte ich ja auch etwas Gutes damit für mich tun. Aber die Nächte waren immer noch anstrengend und tagsüber – mit mindestens einem Kleinkind zuhause – wollte mir das mit der Meditation nicht regelmässig gelingen. Dann kam der Mittelfinger-Text und die Autorin schrieb auf die Frage, was denn ihre Morgenroutine sei den schönen Satz: „“Ach, ich hab da was ganz Tolles entdeckt: Ich dreh mich einfach noch mal um!” Der Satz rettete mir den Tag. F*** you, Morgenroutine!

Meditation ist trotzdem unumstritten etwas Wunderbares. Nur: Liegenbleiben ist das ja auch manchmal. Wer wirklich Lust hat, zu meditieren, kann das einfach dann machen, wenn der Zeitpunkt richtig ist. Es muss nicht morgens um fünf sein. Wenn alle Kinder aus dem Haus sind beispielsweise. In der Mittagspause. Oder abends, wenn alle anderen im Bett sind.  Meditieren muss auch nicht stundenlang dauern. Zu Beginn reichen schon drei Minuten aus. Wie überraschend schnell sie vorübergehen, wenn wir erst einmal begonnen haben, die Stille zu genießen! Und auch wenn viele Gedanken durch den Kopf schiessen – egal. Meditieren bedeutet auch Üben. Gänzliches Ausschalten von Gedanken gelingt nicht mal Meditationsprofis. Ziel der Meditation ist es, gegenwärtig mit dem zu sein, was jetzt ist. Dadurch kommt man in einen Konzentrationszustand, der beruhigend ist.

Meditation = viele Missverständnisse

Ein immer wieder auftauchendes Missverständnis über Meditation ist übrigens, dass wir uns ruhig fühlen müssen, um überhaupt meditieren zu können. Stimmt aber gar nicht. Du hast gerade das Gefühl, innerlich durchdrehen zu müssen? Wird Dir alles zu viel? Läuft das Gedankenkarussel gerade im Karachcho? Super. Setz Dich hin, meditiere! Uns hinzusetzen und nichts zu tun ist zunächst etwas Neues für uns. Wir sind so sehr darauf konditioniert zu funktionieren, aktiv zu handeln und nur liegend/schlafend zu ruhen, dass Meditation erst erlernt werden muss. Wenn wir erst mal sitzen, spüren wir, dass Stille – statt permanenter Beschäftigung mit dem Smartphone beispielsweise – in der heutigen Zeit sehr angenehm ist. Wer sich wirklich für eine regelmäßige Meditationspraxis interessiert und daran wagen möchte, darf sich ruhig den Timer auf drei Minuten stellen. Und eine Frage. Beispielsweise: Was ist mir heute wichtig? Oder: Wie geht es mir heute eigentlich wirklich? In einem nächsten Schritt wagen wir uns dann an fünf Minuten. Die Wissenschaft beschäftigt sich momentan verstärkt mit dem Thema Meditation. Gerade gibt es in der GEO eine Sonderausgabe zu den Themen Yoga und Meditation – für all diejenigen, die immer noch nicht an die positiven Effekte glauben. Es ist irre spannend, was Forscher schon alles herausgefunden haben. Angeblich wurde schon herausgefunden, dass durch Meditation beispielsweise Hirnareale vergrößert werden können (1), dass das Üben Stress abbaut und Depressionssymptome lindern kann. Ja, sogar Blutzuckerspiegel, Körpergewicht und Blutdruck (2) ließen sich damit regulieren. Es ist kein Geheimnis, dass Stress krank machen kann. Bei bis zu 80 Prozent aller Krankheiten sollen Stress und ein damit verbundener ungesunder Lebensstil ursächlich oder beteiligt sein. Da muss man kein Forscher sein, um sich denken zu können, dass Stille und Nichtstun wohltuend sein können.

Wissenschaftler Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und Professor der Charité-Universitätsmedizin Berlin, weiß, warum Yoga Sport etwas voraushat: es ist die Kombination von Atemübungen, Meditation und Körperübungen (3). Alles gehört zusammen, und durch die Koppelung von Atmung und Übungen erreicht man viel. So lässt sich durch eine effektivere Atmung etwa der Puls senken. Die Boston University School of Medicine untersuchte den Zusammenhang zwischen Yoga und Gamma-Aminobuttersäure-Konzentration im Gehirn. Gamma-Aminobuttersäure (kurz GABA) ist ein Botenstoff, der Angst und Stress lindert, indem er unsere Gedanken beruhigt. Es wird vermutet, dass Depressionserkrankungen mit einem niedrigen GABA-Spiegel zusammenhängen, da Menschen, die an Depressionen oder Angsterkrankungen leiden, meist weniger GABA als gesunde Menschen haben. Die Studie kam nun zu dem Ergebnis, dass bei Menschen, die regelmäßig Yoga trieben, der GABA-Spiegel durchschnittlich um 27 Prozent anstieg. Zu Yoga gehört Meditation dazu, und auch bei der reinen Form von Meditation soll der GABA-Spiegel steigen.

Die meisten durchgeführten Studien deuten tatsächlich darauf hin, dass die Meditation vor allem dann wirksam ist, wenn man täglich übt. Und gerade das ist ja nicht so leicht, wo wir doch schon so vieles innerhalb von 24 Stunden unterbringen müssen: Gute Ernährung, viel Bewegung, Familie, Haushalt und einen Beruf haben beispielsweise. Aber es geht beim Meditieren auch darum, zu erkennen, dass es nicht viel bringt, Dinge, die wir nicht ändern können, ändern zu wollen. Ihnen stattdessen mit Gleichmut  zu begegnen, während man die Kraft für die wirklich wichtigen Dinge im Leben sparen soll.

So gelingt’s:

Beginne in einem aufrechten Sitz, der bequem ist. Das kann auf einem Stuhl sein, einem Meditationshocker oder einem festen Kissen. Es ist wichtig, den Rücken möglichst gerade zu halten, ohne dabei zu verkrampfen. Auf einem Stuhl kann der untere Rücken an eine Lehne gestützt sein. Alle störenden Dinge solltest Du zunächst beiseite legen. Hast Du Dir einen Timer gestellt, dann dann stelle Dein Smartphone im Flugmodus ein. Konzentriere Dich dann ganz auf Dich selbst. Die Wirbelsäule ist aufrecht, die Augen sind geschlossen. Nimm alles war, was Du hören kannst. Spüre Deinen Körper, nimm wahr, welche Gefühle und Gedanken Dich beschäftigen.

Ein Phänomen: Sitzen wir erst einmal und beginnen wir, uns auf uns selbst zu konzentrieren, wird es garantiert tausend Dinge geben, die uns stören: Es kitzelt in der Nase, es zwickt im Rücken, irgendwo juckt es garantiert. Das alles nicht bekämpfen, nicht krampfhaft wünschen, dass es endlich verschwindet. Stattdessen nimm es zur Kenntnis, lass es zu. Wenn Du beginnst, Deinen Fokus auf die Atmung zu richten, ist die Zeit schon fast vorbei. Beim Einatmen nimm bewusst wahr, wie Luft durch die Nasenlöcher einströmt und wie wärmere Luft mit der Ausatmung ausströmt. Spüre Deine Nasenflügel, die sich mit der Atmung bewegen und stell fest, wo Du die Atmung noch so bewusst wahrnehmen kannst: Im Brustkorb? Im Bauch? Spürst Du das Zwerchfell?

In dieser Zeit werden Gedanken auftauchen. Lass sie kommen und gehen. Fokussiere dich immer wieder auf die Atmung, nehmen wahr, wie du ruhiger wirst.

Acht Minuten für Erleuchtung

Wem das für einige Tage gelungen ist, der darf in einem weiteren Schritt den Timer auf acht Minuten setzen. Warum acht Minuten? Weil sie uns nicht weh tun. Acht Minuten früher ins Bett zu gehen oder acht Minuten früher aufzustehen verlangt keine Opfer von uns. Und acht Minuten der Stille werden unfassbar wohltuend sein. Wenn wir sie täglich als selbstverständlich betrachten, genau wie Zähne putzen oder unser Fitnesstraining, lassen sie sich prima in unseren Alltag integrieren! Länger als acht Minuten muss Meditation gar nicht dauern. Es macht einen Unterschied für den Rest des Tages, wenn wir uns morgens entschieden haben, uns einen Moment der Stille zu gönnen.

Erleuchtet werden wir aber auch bei regelmäßiger, jahrelanger sogar stundenlanger Meditationspraxis nicht. Wie berichtet doch der amerikanische Yoga- und Meditationslehrer Darren Main in seinem Buch „Yoga and the path of the urban mystic“: Jeder Morgen beginnt bei ihm zuhause in seinem Apartment in San Francisco auf der Yogamatte. Wundervolle Stimmung, Kerzenlicht, Stille, Nichtstun, Ausschalten der Sinne. Wenn er danach nach draußen geht, um sich im Supermarkt seinen Lieblingsjoghurt zu holen, bricht seine Yogiwelt wieder zusammen: Beim Überqueren der Straße wird er trotz grüner Fußgängerampel beinahe von einer Frau überfahren, die ihm dann auch noch den Stinkfeiner präsentiert, im Supermarkt ist das Lieblingsjoghurt aus und zurück zuhause beim Frühstück kriegt er Depressionen angesichts der Nachrichten, die er in der Zeitung liest. Dann ist das Leben wieder Mittelfinger. Trotz täglicher Meditationspraxis.

Dieser Text enthält unbezahlte Werbung für das Magazin Geo. Selbst bestellt, selbst gekauft, gern verschlungen.

Quellen:

  1. Tang Y.-Y. 2015. Nature Neuroscience Reviews. The neuroscience of mindful meditation
  2. 2) Pascoe M. 2017. Mindfulness mediates the physiological markers of stress. Journal of Psychiatric Research.
  3. Luczak H. 2013. GEO Magazin: Was Yoga kann. 

Foto: Arndt Falter 

Kaffeebegleitung: Die besten Schokomuffins der Welt

Das Rezept für diese Schokomuffins fand ich, während ich gerade mein Neugeborenes stillte. „Äh, was? Schokomuffins ohne raffinierten Zucker?“, dachte ich. Her damit! Und zwar sofort. Kreiert hat sie die Münchener Yogalehrerin Flora Fink, die hoffentlich bald ihr erstes Backbuch herausbringt.  Im vergangenen Winter sind ihre Muffins zu meinem absoluten Lieblings-Snack geworden, ich konnte Berge davon essen. Der Rest der Familie war schon fast genervt, weil es ständig Muffins aus Datteln und Kakao gab.

Sie sind super einfach zu machen und man braucht nicht mal ein Rührgerät oder ähnliches.

So geht es: 10 Medjool Datteln kleinschneiden und mit Wasser bedecken. Circa zwei Stunden oder auch länger einweichen lassen. Einen Apfel grob reiben und mit den Datteln und dem Einweichwasser verrühren. Etwas Meersalz, einen Teelöffel Zimt, 3 Esslöffel Kakaopulver und 3 Esslöffel Kokosöl dazugeben und vermischen. 200 g Dinkel- oder Vollkornmehl und 100 g Haferflocken vermischen und unter die Masse rühren. Wenn man möchte, etwas Backpulver dazugeben. Ich habe sie aber bestimmt schon zig Mal ohne Backpulver gemacht. Gelingen immer. Der Teig sollte etwas fester sein. Den Ofen auf 180 Grad vorheizen und die Teigmasse in Muffinformen geben. Circa eine Stunde backen, abkühlen lassen. Fertig sind die gesündesten und besten Schokomuffins.